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Lucy:

Heute war Samstag. Jedoch konnte ich mich nicht auf den Tag freuen, weil meine Gedanken bei Liam's Bruder waren. Ich konnte ihm nicht helfen. Als ich den ersten überwältigt hatte, kamen, wie aus dem Nichts, weitere Wachen und mir blieben drei Möglichkeiten übrig. Ich könnte weglaufen. Die andere war mich ihnen zur Wehr setzen und versuchen alle zu bekämpfen und sie zu besiegen oder aber ebenso festgenommen zu werden.

Mir blieb nichts anderes übrig als mich davon zu stehlen. Gegen sechs voll ausgebildete Soldaten hätte ich mit Sicherheit nichts ausrichten können. Mein Gewissen spielte seitdem verrückt. Auf schnellstem Wege rannte ich zu Sarah, welcher ich die Nachrichten mit Tränen in den Augen überbrachte. Daraufhin setzte ich meinen Weg fort. Schließlich stand ich vor Liam. Mein Gesicht war nun tränenüberlaufen und mit zitternder Stimme erzählte ich ihm vom Geschehenen.

Er flippte aus, machte alles in seinem Umfeld dem Erdboden gleich. Letztendlich saß er am Boden, wiegte sich vor und zurück und weinte vor sich hin. All meine Versuche, ihn zu beruhigen, waren vergebens. Als seine Mutter nicht mal eine Stunde später nach Hause kam, nahmen sie sich gegenseitig in den Arm. Minuten später entschied ich mich das Haus zu verlassen und zu mir zu gehen.

Ich verspürte einen unbändigen Hass. Auf mich und den König. Ich hasste mich selbst, weil ich aufgegeben hatte und nicht gekämpft hatte. Vielleicht hätte er weglaufen können und ich wäre festgenommen worden. Das wäre um Längen besser gewesen. Der Ausdruck in Liam's Augen schmerzte mir jetzt noch im Herzen und riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich kann das was passiert ist nicht mehr ändern, doch ich würde es, hätte ich die Möglichkeit.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Mein Blick wanderte nach oben und sahen in die besorgten Augen meiner Mutter. "Ich hab das Kleid in dein Zimmer gehängt. Mach dir keine Sorgen, um Fynn. Das wird sich alles klären." Aufmunternd sah sie mich an und nahm mich still in den Arm. Eine Träne verließ meine Augen. Wie soll ich je damit umgehen, sollte ihm etwas schlimmes widerfahren? Ich wäre die Schuldige und mit dieser Schuld könnte ich nicht leben.

Laut meinem Vater hat Fynn Taschen voll Lebensmitteln gestohlen. Als er von den Soldaten festgenommen wurde, sprach er sich gegen die Monarchie aus. Der Kleine war so verdammt mutig. Er war mein kleiner Held. Und ich hoffe, dass er ohne Schäden aus der ganzen Geschichte rauskommen wird. Der König ist jedoch unberechenbar. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Das ungute Gefühl in meiner Magengegend verschwand jedoch nicht.

Stumm löste ich mich aus den Fängen meiner Mutter und schlich, wie auf Samtpfoten in mein Zimmer. Ein Kleid hingen an der Innenseite meiner Zimmertür. Ich hatte verdammte Schuldgefühl, dass Sarah sich dazu verpflichtet gefühlt hat, das Kleid fertig zu nähen. Und gleichzeitig hatte ich großen Respekt vor ihr.

Als einige Zeit vergangen war, traten Stylistin in mein Zimmer. Ich erhob mich von meinem Bett und nahm auf einem Stuhl, Platz. Daraufhin machten sie sich an die Arbeit. Der Frisör flechtete meine Haare an der Kopfhaut und machte mir am Hinterkopf einen Dutt. Vorne löste er einige Strähnen. Die Visagistin schminkte meine Augen dezent, setzte jedoch in der Mitte meines Augenlids ein goldenes Highlight. Dazu verpasste sie meinen Lippen einen Nude-Ton.

Kaum waren sie fertig, schlüpfte ich in mein Kleid. Es war hochgeschlossen. Der Champagnerfarbton passte perfekt zu meinem Hautton. Obenrum war es transparent, weswegen ich eine hautfarbene Korsage trug, welche jedoch einen tiefen Ausschnitt hatte. Dazu war es mit goldenen und silbernen Pailetten versehen. Die Goldketten, die am Kleid befestigt waren, schlungen sich um meine Oberarme und hingen locker herab. Ab der Taille, um die ein dezenter Gürtel befestigt war, fiel es fließend und die unendlich vielen Pailetten waren auch hier angenäht.

Mit meinen Schuhen, der kleinen Tasche und meiner goldenen Maske verließ ich nach einer Verabschiedung das Haus. Eine Kutsche wartete in die ich bereitwillig stieg. Meine Gedanken wanderten wieder zu Fynn. Er musste leiden. Ob man ihn im Palast schreien hört? Schneller als gedacht, waren wir am Schloss. Die kleine Tür des Gefährts wurde geöffnet und ich verließ dieses.

Langsam schritt ich die Stufen hinauf. Die übergroßen Türen wurden geöffnet und ich wurde hineingelassen. Eine Empfangsdame geleitete mich in den Ballsaal. Kurz bevor ich eintrat, setzte ich meine Maske auf. Stickige Luft empfing mich und ich spürte die neidischen Blicke der Frauen, die mich zu erdolchen versuchten. Leise Geigenmusik spielte. Unentschlossen was ich machen sollte, besorgte ich mir erstmal ein Glas Champagner, stellte ich mich an die Seite des Saals und betrachtete die Menschen.

Der König und Jason waren noch nicht anwesend. Sie warteten vermutlich bis alle Gäste anwesend waren, um einen großen Auftritt hinzulegen. Ich nippte an meinem Glas und hielt Ausschau nach jemandem den ich kannte. Mein Blick wanderte umher bis ich bei einer Person hängen blieb. Er war hier, aber warum. Sein Bruder sitzt im Verlies und er feiert? Als hätte er es gespürt, dass ihn jemand anstarrt, schaut er nun mich an und ein trauriges Lächeln nimmt auf seinem Gesicht Platz.

Autsch. Mein Herz sticht. Liam weiß nicht, was sein Blick in mir auslöst. Lautes Trompetenspiel löst mich aus meiner Starre und meine Augen sehen zur Tür durch die, wie nicht anders zu erwarten, der König und Jason treten. Der Königssohn sieht mich an und lächelt. Das ging aber schnell. Auch ich zwinge mich zu einem halbherzigen Schmunzeln. Kaum haben sie Platz genommen, spielt wieder normal Musik und die Leute beginnen sich wieder zu unterhalten.

Noch immer stehe ich wie angewurzelt an einer Stelle. Jason jedoch hat anderes vor. Er kommt in meine Richtung und bleibt vor mir stehen. "Schön dich zu sehen." Seine Lippen berühren meine Wange und hauchen einen Kuss darauf. "Du bist wunderschön." Meine Wangen erröten leicht und mein Bauch spielt verrückt. "Danke. Freut mich auch dich zu sehen und du siehst auch gut aus."

Er nickt. "Hast du Lust mit mir zu tanzen?" "Sehr gern." Meine Hand nimmt in seiner Platz und wir begeben uns auf die volle Tanzfläche. "Gefällts dir bisher?" "Ganz nett hier, aber was hatte das eigentlich auf der Einladung zu bedeuten?" Jason räuspert sich und wendet seinen Blick auf den Boden. "Ich glaube nicht, dass wir das hier besprechen sollten. Lass uns lieber kurz nach draußen."

Verdattert nicke ich und lasse mich mit ihm ziehen. Die kühle Nachtluft umhüllt mich. Obwohl es nicht gerade warm ist, ist es mir lieber, als drinnen zu stehen und halb zu ersticken. Wir stehen jetzt hier auf der Terrasse und ich sehe ihn abwartend an. Jason starrt hingegen auf die Wiese und den umliegenden Wald. "Dir wird nicht gefallen, was heute passieren wird." Reue ist aus seiner Stimme zu hören. "Was wird denn geschehen?" Ein tiefer Atemzug seinerseits ist zu hören.

"Die Schönste wird gebeten werden, mich zu heiraten."

Die KriegerinWhere stories live. Discover now