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Lucy:

Als sich die Tür erneut öffnet, drehe ich mich erschrocken um. Die Maske rutscht aus meiner Hand und landet auf dem Boden. Der einzige Ton, der ertönt, ist der meiner Maske, die den Grund berührt.

Mit offenem Mund stehe ich den schockierten und zugleich enttäuschten Liam gegenüber. Sein Blick sagt mehr als tausend Worte. Und seine Augen ruhen auf der Schutzmauer, die meist mein Gesicht bedeckt.

"Liam." Sein Name aus meinem Mund ist viel mehr ein Hauchen. Es war unbegreiflich für mich und doch konmte ich den Schmerz verstehen, der ihn jetzt plagen musste. Ich hatte ihn hintergangen.

Sein Kopf bewegte sich von links nach rechts. Immer wieder. Es schien als wäre er in einer Hypnose, doch es war nur die Überraschung, die ihn jetzt zu quälen schien.

"Bitte.." Träne treten in meine Augen und verschleiern meine Sicht, doch die Gestalt, die sich nun wieder aus dem Raum bewegt, erkenne ich alle mal.

Schnell begreife ich, dass er flüchten will, aber ich kann ihn nicht gehen lassen. Schon gar nicht will ich das. Meine Beine bewegen sich fast von selbst und setzen ihm hinterher.

Als ich nah genug an ihm bin, halte ich ihn an seinem Handgelenk zurück. Er starrt weiterhin auf den Boden und dann dreht er sich zu mir um und sieht mir in die Augen.

Ich mache einen Sprung nach hinten und halte mich mit Mühe auf den Beinen. Statt der Bewunderung, die sie sonst ausgedrückt hatten, als er von der Unbekannten gesprochen hatte, war dort nur noch Abscheu.

Er verabscheut mich. Mein wahres Gesicht. Liam hasst die Lucy, die ich wirklich bin. Ist es so falsch mich so zu zeigen, wie ich wirklich bin? Oder ist es nur die falsche Reaktion von ihm?

"Hör mir bitte zu." Meine Stimme ist heiser und hört sich verweint an. "Warum sollte ich dir zuhören?" Er spuckt die Worte auf den Boden und knirscht mit den Zähnen.

"Ich weiß es nicht...aber ich kann dich nicht einfach so gehen lassen!" Nun werde ich gegen Ende lauter und habe schon fast Angst, dass mich jemand hört. Aber der Stadtteil ist fast ausgestorben.

"Du kannst mich nicht gehen lassen? Das soll ich dir glauben? Wer ist mitten in der Nacht aus meine Fenster geklettert,um was auch immer zu machen? Ich dachte du wärst anders. Ich dachte ich könnte dir vertrauen!"

"Es tut mir leid, aber versteh mich doch! Ich will helfen! Ich will nicht tatenlos zusehen und hilflose Menschen beim Sterben betrachten! Ich will etwas ändern! Und meine Taten zeugen von meinen Worten!"

"Das rechtfertigt nicht das Geschehene. Du bist falsch. Hättest du es mir anvertraut, hätte ich es verstanden, aber du hast mir ins Gesicht gelogen! Du hast mit mir gespielt!"

"Sag so etwas nicht, Liam. Du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich wollte dich beschützen und hab dir deshalb das alles", ich deute mit einer Handbewegung um mich herum,"nicht gesagt. Du bist mir wichtig. Und ich kann nicht Gefahr laufen, dass du verletzt wirst oder sogar mehr!"

"Das kannst du einem Narren erzählen. Ich soll dir wichtig sein? Dass ich nicht lache. Das alles hier ist traurig und ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Aber mach dir keine Sorgen dein Geheimnis ist bei mir sicher."

Er wendet sich zum gehen und entfernt sich von mir. Die Tränen laufen über meine Wangen und es fühlt sich so an als hätte er mein Herz genommen und mit sich genommen.

Ich darf ihn nicht gehen lassen. Meine Schritte werden schneller und ich lege einen Sprint hin bis ich vor ihm stehe und zu ihm aufblicke. Mit offenem Mund steht er da und blickt herab. Jetzt Lucy. Jetzt.

Bevor er reagieren kann, lege ich meine Arme in seinen Nacken und ziehe ihn zu mir herab. Fast automatisch schließen sich meine Augen. Seine warmer Atem streift meine Wange.

Als wir unsere Lippen versiegeln, überkommt mich eine Welle der Gefühle. Ich drücke mich näher an ihn und präge mir jedes Detail ein. Seine Lippen, die nach Wald und Zimt schmecken.

Die Haare, die sich so weich zwischen meinen Fingern anfühlen. Die Tränen, die auf seiner weichen Haut landen. Er ist perfekt und ich kann ihn nicht gefährden. Dafür ist er mir zu viel wert.

Mir ist es egal, ob ich ihm genauso viel bedeute. Das einzige was zählt, ist dieser Moment, der so unendlich und perfekt erscheint. Aber alles hat irgendwann sein Ende.

Schweratmend löse ich mich von ihm. Er legt seine Stirn an meine und atmet genau so hörbar wie ich. Unsere Atem vermischen sich. Seine Hand nimmt nun meine in seine.

So stehen wir Ewigkeiten da. Und es scheint als wäre es der schönste Tag in meinem Leben. "Es tut mir leid, Lucy. Aber ich brauche Zeit." Sein Ton ist nicht mehr harsch, sondern sanft.

Er versucht mich nicht zu verletzen, doch merkt er nicht, dass er das schon längst getan hat. Ich löse meine Umklammerung und lasse meinen Arm an der Seite herabhängen.

Ich betrachte den Boden, da ich nicht im Stande bin in seine schönen Augen zu sehen. Er entfernt sich hörbar von mir und die salzigen Tropfen wanderten mein Gesicht herab und hinterließen sichtbare Spuren.

Er ist weg. Und ich weiß nichts mit mir anzufangen. Ich hab ihn verloren und weiß nicht, ob er wieder zurückkehrt. Doch darf ich nicht darüber nachdenken. Ich muss mich hinten anstellen. Die anderen sind wichtiger. Dann komm ich.

Die KriegerinWhere stories live. Discover now