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Liam:

Sie war verlobt. Mit dem Thronfolger. Ich schüttelte meinen Kopf ungläubig und lachte innerlich. Es ist als hätte ich es gewusst und nur darauf gewartet aufs tiefste verletzt zu werden. Ich dachte alles ist gut, aber da hatte ich mir ins eigene Fleisch geschnitten. Lucy schien den ganzen Abend abwesend und nicht glücklich. Natürlich hatte ich ihren Blick, der vor Reue überquoll, als sie in Richtung der Königsfamilie ging, bemerkt. Auch die Tränen, die sie mit großen Bemühungen zu verstecken versucht hatte, konnte ich erkennen.

War sie denn nicht glücklich? Sie könnte doch alles kriegen, was sie sich immer gewünscht hat. Das Leben der Armen zu verbessern. Aber mittlerweile frage ich mich, ob das wirklich das Einzige ist, was sie sich sehnlichst wünscht. Ich weiß nicht wirklich viel über sie. Lucy ist noch immer das gleiche lebende Mysterium, wie bereits am Anfang unseres Kennenlernens, aber das Verlangen hinter ihre Fassade zu blicken brennt sich mehr und mehr in meinen Kopf ein.

So viele junge und hübsche Frauen waren auf dem Ball, aber ich hätte es erwarten müssen, dass sich Jason für sie entscheidet. Sie ist das bezauberndste Wesen, das in diesem Reich exestiert. Nicht nur ihr Aussehen ist, wie das einer Göttin. Nein, auch ihr Charakter ist irgendwie perfekt und dann wieder nicht, denn jeder Mensch hat seine Fehler, aber Lucy macht sogar diese Makel nur durch ihr Auftreten wett.

Dazu kommt ihre überirdische Ausstrahlung, welche nur von Kraft, Stärke und Mut strotzt. Würde man sie nicht kennen, hätte man vermutlich Angst und großen Respekt vor ihr. Aber ich kenne sie und diese Tatsache macht mich irgendwie glücklich. Unser erstes Zusammentreffen war nicht perfekt, aber ich durfte sie, sie wie sie wirklich war, sehen. Ich habe einmal gesagt, dass ich nur will, dass sie glücklich ist, egal mit wem. Und doch bin ich so egoistisch und wünsche mir, dass ich derjenige wäre, der ihr Leben voll und ganz erfüllt. Aber das bin ich nicht.

Obwohl Fynn wieder zurück ist, kann sich kein ehrliches Lächeln auf meinem Gesicht bilden, weil ich einfach noch immer, von der Verlobung, paralysiert bin. Meine Mum war überrascht und doch weinte sie vor Freude, weil sie ihren kleinen Jungen wieder hatte. Wir dachten, dass wir ihn nicht mehr wiedersehen. Und doch kann ich nur an diese schöne Frau denken, die meine Gedanken und mein Herz komplett für sich in Anspruch nimmt.

Würde ich meine Chancen nicht kennen, wäre ich jetzt aufgesprungen, zu ihr gelaufen und hätte ihr meine Gefühle ausgeschüttet. Doch mein Verstand wehrt sich dagegen, weil ich weiß, dass ich abgewiesen werden würde. Sie hat jetzt den zukünftigen König an der Seite, der ihre alle Wünsche von den Augen ablesen wird. Und obwohl ich es mir nicht eingestehen will, muss ich zugegben, dass Jason echte Gefühle, tiefgehende Gefühle, für sie hat.

Ein Klopfen ertönt an meiner Tür und meine Mutter, die mich mitleidig ansieht, tritt in mein Zimmer. Sie kommt zu mir ans Bett und setzt sich an die Kante. "Ich weiß, dass es hart ist, aber du musst sie gehen lassen. Lucy hat sich entschieden und du kannst nichts daran ändern", spricht sie sanft. "Mum, du versteht nicht, was ich wirklich für sie fühle. Ich kann das alles nicht abschalten, als hätte ich einen Schalter meinem Kopf. Und vermutlich werde ich nie über sie hinwegkommen können, denn wer kann das schon. Wenn man jemand wirklich aufrichtig liebt, wird man ihn nie wirklich vergessen können. Außerdem muss ich sie unterstützen. Wir sind noch immer Freunde", rede ich ihr dagegen.

"Du machst dich damit selbst kaputt, Liam. Verstehst du denn nicht, dass du dich nicht an alles klammern kannst und schon gar nicht alles erhalten kannst, was du dir in deinem Leben sehnlichst wünscht. Ich will dich nicht verlieren. Denkst du wirklich, sie hätte sich für dich entschieden, hätte sie die Wahl gehabt? Wenn ja, dann denkst du falsch. Jede Frau hätte sich für den zukünftigen König entschieden", sagt sie harsch, um mir daraufhin in die Augen zu sehen. Ihre glitzern und die Tränen bahnen sich langsam den Weg heraus.

"Ich kenne Lucy. Du hättest ihren Blick sehen müssen. Sie war am Boden zerstört. Es ist mir egal, was du mir erzählst. Ich werde für sie da sein und sie in ihrem Vorhaben unterstützen." Skeptisch betrachtet sie mich und verengt ihre nassen Augen zu Schlitzen. "In welchem Vorhaben?" Entschuldigend blicke ich sie an und schüttle meinen Kopf. "Ich kann es dir nicht sagen." Ein Schluchzer verlässt ihren Mund. Daraufhin nehme ich sie in den Arm und streichle ihr beruhigend über den Rücken.

"Versprich mir, dass du nicht verletzt werden wirst." "Das kann ich nicht", hauche ich in ihr Ohr, löse mich von ihr und verlasse das Haus. Es regnet, wie in Strömen, aber das Einzige, was ich jetzt will, ist meine Ruhe. Ich benötige Freiraum und keine Menschen, die mir versuchen einzureden, dass alles wieder gut wird. Denn das wird es nicht, weil ich mich unwiderruflich in sie verliebt habe und sie mich zerstört, wenn sie Jason wirklich heiraten wird.

Ich habe ein ungutes Gefühl bei dem ganzen Thema. Bei dem Ball hat es so gewirkt, als wüsste sie was als nächstes passiert und als hätte sie den kurzen Moment nochmals genutzt, um meine Nähe zu spüren. Irgendwas ist zwischen uns. Das kann niemand leugen, nichtmal sie. Ich wünschte, dass alles anders wäre. Aber ich muss mit dem leben, was mir das Leben gibt, egal, ob positiv oder negativ. Schließlich gibt es immer Höhen und Tiefen. Und auch die Menschen, die noch so perfekt erscheinen, haben ein Päckchen zu tragen. Und meines ist die unerwiederte Liebe dieses Mädchens.

Die KriegerinWhere stories live. Discover now