FORTY-TWO

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20. Juni, Mittwoch

Mia redete nicht mit mir.

Wir hatten die gleichen Vorlesungen, saßen sogar nebeneinander, doch sie ignorierte mich wie ein Profi. Und das nur, weil ich ihr verkaufen musste, dass ich sie verarscht hatte.

Gerade beobachtete ich sie von der Seite, wie sie in ihrem Block herumkritzelte. Obwohl mich das Thema interessierte, wir hatten gerade literarische Texte als Thema, hörte ich nur mit einem Ohr zu. Viel zu aufgewühlt von den Ereignissen der letzten Wochen war ich noch.

Vor allem die Zeitumstellung nagte an mir. Ich war vollkommen verwirrt von den Zeiten, vor allem, weil wir ja innerhalb Europas noch gereist waren, wo es auch Umstellungen gab. Deshalb hatte ich diese Nacht nur drei Stunden Schlaf bekommen.

Und so ging es seit ich hier war. Ich war also dementsprechend müde.

"Mia", flüsterte ich leise, sie ließ sich nicht stören. Ich seufzte. "Bitte Mia, es tut mir leid. Können wir die letzten Wochen nicht einfach vergessen?"

Sie ignorierte mich weiterhin. Ich flüsterte noch ein paar Mal ihren Namen, bevor ich unterbrochen wurde.

"Miss Wright, falls Sie meine Vorlesung nicht interessiert, bitte ich Sie, diese zu verlassen. Andere interessiert es vielleicht."

Ich biss die Zähne aufeinander, als die meisten Studenten zu mir sahen. Ich nickte. "Tut mir leid, es kommt nicht mehr vor."

"Gut." Dann fuhr der Professor einfach fort. Ich kritzelte traurig in meinem Blick herum, vermisste Mia's stürmische, positive Art. Sie könnte mich sicher gut ablenken und wieder in den Alltag hineinbringen.

Die zwei anderen Vorlesungen verbrachte ich genauso, nur dass ich weniger litt, weil Mia nicht hier war. Schließlich stieg ich in mein Auto, ein weißes Cabrio, das ich mir durch ein paar Nebenjobs irgendwann leisten konnte und auch kaufte.

Egal, wie viel Geld wir hatten, meine Eltern wollten mir nicht alles schenken und geben, was möglich war. Ich sollte selbst arbeiten. Und das fand ich auch gut so.

Anstatt zu meiner kleinen Wohnung zu fahren, in der ich seit etwa einem Jahr lebte, fuhr ich zu meinen Eltern und Ryder. Es war Mittwoch, und jeden Mittwoch aßen wir zusammen.

Das würde auch der Groll gegen meine Mutter nicht ändern.

Als ich parkte, ausstieg und anklopfte, machte mir ein blonder, schwuler, 47 Jahre alter Mann auf und umarmte mich voller Freude.

"Du bist ja doch noch da, Zoe! Ich dachte schon, du spielst weiter die Beleidigte." Ich erwiderte mit einem leichten Grinsen auf den Lippen seine Umarmung.

"Ich spiele sie weiterhin, Ry. Aber ich wusste, dass du einfach nicht ohne mich auskommen würdest."

Ryder, der trotz seines Alters noch beachtlich viel Sex hatte, war der beste Freund meiner Eltern und wohnte mit ihnen -früher mit uns-. Nicht selten wurde ich durch Quietschen und Stöhnen geweckt, als ich noch hier lebte und erfuhr auch schon in sehr jungem Alter, was Sex bedeutete.

Denn dieser Mann konnte sich einfach nicht zurückhalten.

Er war schon immer gleich gewesen, seit ich denken konnte hatte er keine feste Beziehung und ließ sich höchstens auf eine Freundschaft Plus ein. Ich wusste lange nicht, warum er so abgeneigt davon war, mit jemandem eine etwas tiefere Beziehung einzugehen, bis er mir irgendwann von einem Mann erzählte. Ryder und dieser waren noch nicht einmal zusammen und das ganze ging schon schief, weshalb Ry es gar nicht mehr versuchen wollte.

Früher wollte ich ihm erklären, dass er sicherlich jemanden finden würde, den er wieder liebt, aber Ryder hatte nur abgewinkt. So war er einfach nicht. Und ich hatte es akzeptiert.

Zoe - AbductionWhere stories live. Discover now