73 - Nimy

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NIMY

Ein Klopfen an der Tür unterbricht Clem und mich in unserer Diskussion über die spannende Frage, ob wir womöglich wirklich gerade beide gleichzeitig verliebt sind. „Du weißt, dass ich recht habe, also leugne es doch gar nicht erst!", rufe ich ihr breit grinsend zu, während ich mich auf den Weg durch unser kleines, noch nicht sehr aufgeräumtes Zimmer mache.

„Nur weil du unbedingt willst, dass wir zur gleichen Zeit Teenie-Mütter werden, musst du noch lange nicht deine Liebesgefühle auf mich übertragen. Ich bin nicht verliebt!"

Eine verdutzte Miss O'Hara schaut mich an, als ich die Tür genau in jenem Moment öffne, in dem Clem mit voller Inbrunst ihren Satz hinaus schreit. Über den gesamten Flur der Herberge zieht sich das Echo „bin nicht verliebt, bin nicht verliebt, nicht verliebt, nicht verliebt, nicht..."

„Schön, dass du dir deiner Gefühle so sicher bist", gibt Miss O'Hara lächelnd von sich, nachdem sie sich wieder gefangen hat. „Ich bin hier, um euch zu einem gemeinsamen Lagerfeuer einzuladen. Es wäre schön, unseren letzten Abend in Edinburgh gemeinsam zu verbringen, meint ihr nicht?"

Clem, die mittlerweile neben mir steht und doch ein klein wenig erhitzt aussieht, nickt eifrig. „Natürlich, eine tolle Idee!"

„Ach ja? Seit wann bist du denn ein Fan von Gemeinschaftsaktionen?", frage ich überrascht, da ich damit gerechnet hätte, dass Clem die erste ist, die etwas gegen diesen Vorschlag sagt. Doch für Miss O'Hara hat sich die Sache damit bereits erledigt.

„Super, dann sehen wir uns in einer Stunde unten im Hof." Ihr Blick fällt hinter Clem und mich. „Ein wenig Aufräumen würde bis dahin vermutlich auch nicht schaden. Ich glaube nicht, dass ihr nach dem Lagerfeuer noch Lust dazu habt."

„Ja, Mama", murmelt Clem leise vor sich hin.

Unsere Lehrerin hat uns bereits den Rücken zugewandt, doch bevor sie unser Zimmer verlässt, sagt sie laut und deutlich: „Das habe ich gehört, Clem." Dann ist sie weg und die Wanges des Rotschopfs neben mir verfärben sich vor Verlegenheit.

Nach einigen Sekunden schließe ich mechanisch die Tür und sehe Clem an, die selbst wie versteinert scheint. „Hast du gerade wirklich..."

Clem nickt und wie aufs Stichwort fangen wir an, loszuprusten. „Alles nur wegen deinem ganzen Liebesgefasel!"

„Gar nicht wahr, wenn schon wegen meines ganzen Liebesgefasels."

Als Antwort bekomme ich ihre Faust gegen die Schulter gerammt. „Hör' auf klugzuscheißen und räum' lieber unser Zimmer auf."

Erst möchte ich sie darauf hinweisen, dass ich nicht ihr Kammerdiener bin, doch dann begnüge ich mich mit einem schlichten „Ja, Mama".

***

„Es ist wirklich arschkalt! Sag mir, Nimy, wieso machen wir das hier nochmal?"

Wie erwartet hat Clems Motivation für einen gemeinschaftlichen, sozialen Abend nicht lange angehalten. Seit fünf Minuten sitzen wir nun um das kleine Lagerfeuer herum und frieren vor uns hin, da die Stöcke einfach nicht anfangen wollen, zu brennen.

„Anscheinend ist hier keiner heiß genug", frotzele ich, was mir direkt einen langen Blick von Dex einfängt, der mir gegenüber sitzt.

„Soll ich euch mal zeigen, wie heiß ich wirklich bin? Ich bin sicher, dann wird dir schön warm", geht er sogleich in die Offensive und macht Anstalten, seinen Pulli hochzuziehen.

„Das will keiner sehen, Dex. Behalte deinen Schwabbelbauch bitte für dich", kommt es von Phil, der just in diesem Augenblick neben mir auftaucht und mich frech anlächelt. Sogleich geht mein Herz auf und ich rutsche auf meiner Bank ein Stück weiter an den Rand, um näher bei Phil zu sitzen.

„Du siehst gut aus", sage ich zu ihm, nachdem wir uns einige Sekunden schweigend gemustert haben. Die Gespräche der anderen rücken in den Hintergrund, als ich mir einbilde, vor mir wieder den alten Phil zu haben. Meinen Phil.

„Ich sehe immer gut aus", versucht er zu scherzen, doch es gelingt ihm nicht. Wir wissen beide, dass er die letzten Monate nicht gut aussah.

„Es tut mir leid, dass ich mich so abgeschottet habe. Ich habe nur noch mich und mein Bein gesehen – beziehungsweise eben kein Bein", verbessert Phil sich trocken, „und euch dabei das Gefühl gegeben, ihr wärt mir nicht wichtig. Aber das seid ihr."

Sein Adamsapfel hüpft, als er schluckt, und ich wuschle ihm ganz schnell durch die Haare, um die bedrückende Stimmung zu verscheuchen.

„Jetzt bist du ja wieder da."

Phil lächelt mich an und ich merke, wie alles in mir warm wird. Ich lasse meinen Blick umher wandern und sehe, dass Ace mit einem Mal neben Dex steht und die beiden versuchen, mit wedelnden Händen das Feuer zum Zünden zu bewegen, und die Wärme in mir verwandelt sich in ein ganzes Feuerwerk.

„Also du und Ace, hm?" Phil piekst mich in die Seite, sodass ich zusammenzucke und lache.

„Sieht ganz so aus." Oh Mann, hoffentlich sehe ich nicht aus wie ein Karnickel auf Koks.

„Solange es so gut mit euch aussieht, wie du gerade grinst, brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen. Oder grinst du nur so wegen der Pillen, die du heimlich einschmeißt? Wehe, du machst das ohne mich!"

Beruhigend lege ich einen Arm um Phils Schulter. „Keine Sorge, ich würde niemals Drogen nehmen. Nicht ohne dich jedenfalls."

Phil johlt und lenkt damit die Aufmerksamkeit aller wieder einmal gekonnt auf uns. „Was gibt's? Is' wer schwanger?", fragt Dex sogleich und fängt sich einen strafenden Blick von Palma ein, die während meines Gesprächs mit Phil ebenfalls gekommen sein muss. Genauer gesagt sind wohl alle gekommen, als ich mal wieder in meiner eigenen Welt unterwegs war, denn auch Noah, Maya und Eleanor sitzen nun um das kleine Lagerfeuer, das einfach nicht brennen will, herum.

„Niemand ist schwanger, aber unsere kleine Nimy hier ist ein ganz böses Mädchen geworden", gibt Phil in einem so süffisanten Ton von sich, dass man gar nicht anders kann, als an etwas Zweideutiges zu denken. Bevor Dex allerdings wieder einen dummen Kommentar abgeben kann, hat Noah bereits angefangen, ein Lied auf der Ukulele anzustimmen, die er von der Herberge geborgt hat.

„Die Nimy ist 'ne ganz kleine, Dex hütet gerne Schweine, Eleanor trinkt gern Bier und nun sind wir alle hier."

Einen Moment lang weiß ich nicht, ob ich lachen oder doch eher in Tränen ausbrechen soll bei diesem schrecklichen Lied, doch Clem nimmt mir die Entscheidung ab, indem sie lauthals anfängt zu jubeln. „Und das war Noah Reeve, die Sensation des Jahres 2018! Einen kräftigen Applaus bitte!"

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Welches Instrument würdet ihr gern spielen können? ^^

Ein Hoch auf liljaxxx, die dieses Kapitel heute noch aus dem Ärmel gezaubert hat, sodass unsere Erfolgsserie an Updates nicht abgebrochen ist. Hipp hipp hurra!

- liljaxxx & knownastheunknown -

FeuerwerkWhere stories live. Discover now