46 - Nimy

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NIMY

Ich mache nicht gerade kleine Augen, als sich eine wild mit den Händen herumfuchtelnde Clem mit einer eingeschüchtert aussehenden Maya am Arm durch die kleine Caféwelt des Just chill's schlängelt und sich schnaufend auf einen Stuhl neben mir fallen lässt.

„Hast du schon etwas bestellt?"

Wortlos schiebe ich den vor mir stehenden Teller mit Schokomuffins zu ihr hinüber, von denen sie sogleich einen in jede Hand nimmt und genüsslich erst von dem linken, dann von dem rechten ein Stückchen abbeißt. Als ob nichts wäre und sie nicht gerade Maya (!) zu unserem allwöchentlichen Ende-der-Woche-Freitagslunch mitgebracht hätte.

Diese steht immer noch etwas verloren in der Weltgeschichte herum und weiß wohl genauso wenig wie ich, was sie von Clems Verhalten denken soll. Eine peinliche, endloslange Minute vergeht, bis sich in Clems Mund endlich keine Muffinstückchen mehr finden lassen, und sie Maya anweist, sich zu setzen.

„Nimy, das ist Maya. Maya – Nimy", stellt sie uns einander vor, als hätten wir uns noch nie in unserem Leben gesehen.

„Wer sie ist, weiß ich", erwidere ich und schenke Maya ein breites Lächeln, das meinen Worten die Schärfe nehmen soll. „Aber wer du bist und was man mit meiner Freundin Clementine gemacht hat, ist mir ein Rätsel."

Glockenhelles Lachen ertönt, bis Maya abrupt verstummt. Sie räuspert sich etwas verlegen, während sie sich setzt. „Hi, Nimy."

„Was guckst du denn wie ein verschrecktes Kaninchen?", fragt Clem auch sogleich und beißt ein weiteres Mal von ihrem Muffin ab – dieses Mal aber nur vom rechten, anscheinend ist ihr der linke nicht schokoladig genug, denn er ist wieder auf dem Teller zwischen uns gelandet.

„Lachen ist durchaus erlaubt", ergänze ich und versuche, so freundlich wie möglich zu klingen, um Clems schroffen Ton etwas weicher werden zu lassen. „Es ist sogar sehr erwünscht bei uns. Eigentlich kommt man ohne Lachen gar nicht aus, wenn man mit uns zusammen ist. Wir sind die Meister des Lachens, die Scherze der Kekse, die-"

„Was Nimy eigentlich sagen will: Man hat jede Menge Spaß mit uns und wir befehlen dir, so viel zu lachen, bis sich dir der Bauch umdreht. Oder der Magen, was auch immer." Clem tätschelt einmal unbeholfen Mayas zarte Hand und wendet sich dann mit einem abgrundtiefen Seufzer an mich: „Willst du meinen neuen Fund gleich wieder vergraulen? Tief durchatmen, Muffin essen und Mund halten."

Mit diesen Worten hält sie mir genau den Muffin vor die Nase, den sie bereits in der Hand gehabt, angebissen und wieder auf den Teller zurückgelegt hat. Ich versehe sie mit einem Kopfschütteln, seufze dann ebenfalls tief und beiße in das leckere Gebäck, damit Clem endlich still ist. Oder ich endlich still bin, wie man's nimmt.

Maya lacht ein weiteres Mal auf, jetzt aber deutlich lauter und zunehmend sicherer. „Ihr seid echt ein Original", meint sie grinsend und klopft mit ihren Fingern irgendwelche Melodien auf den kleinen Holztisch in unserer Mitte.

„Oh ja, das sind wir", stimmt Clem zu und zeigt auf den Teller mit den Muffins. „Du darfst dich gerne bedienen, wenn du magst."

In ihrer Stimme schwingt kein einziger Unterton mit, sie klingt bloß freundlich. Verdammt freundlich und das macht sie selbst mir unheimlich, obwohl ich ihre beste Freundin bin.

„Das ist lieb, aber ich hab momentan echt genug von Muffins. Meine Schwester hat vorgestern eine Unmenge davon gebacken", meint Maya und gibt der Kellnerin ein Zeichen, dass sie gerne bestellen würde. Dieses Mal kann sich Clem nicht mehr zurückhalten.

„Und deshalb hast du vor, heute nichts zu essen?"

Bevor ich allerdings etwas Beschwichtigendes zur Konversation beitragen kann, ist Maya schon am Bestellen.

„Ich hätte gerne ein Stück von der Himbeertorte und eine heiße Schokolade."

Hätte Clem in diesem Moment noch ihren Muffin im Mund gehabt, wäre er ihr sicherlich herausgefallen. Dabei ist es gar nicht so leicht, Clem zu schocken, doch eine heiße Schokolade haut sie direkt um.

„Und, worüber redet ihr immer so, wenn ihr hier sitzt? Doch nicht nur übers Essen, oder?" Mayas Mundwinkel zucken, als sie unsere verblüfften Gesichter sieht, und wieder tönt dieses Geräusch von Glocken durch den Raum.

„Ach, über alles Mögliche", antworte ich, während meine Freundin neben mir sich allmählich wieder erholt. „Schule, Sport, Jungs – was einen eben gerade beschäftigt."

Mein Blick huscht kurz zu Clem und eine Sekunde lang frage ich mich, ob sie gerade das Gleiche denkt wie ich. Dass es ewig her ist, dass wir ehrlich zueinander gesprochen haben. Dass wir uns Dinge verschweigen, uns aus dem Weg gehen und dem anderen in letzter Zeit nicht viel zugehört haben. Doch dann ist die Sekunde auch schon wieder vorbei und die Realität holt mich mit voller Wucht zurück.

Es ist Clem. Wahrscheinlich ist ihr nicht einmal aufgefallen, dass etwas zwischen uns steht. Und wenn doch, verdrängt sie es. So lange, bis es sich entweder in Luft auflöst oder so groß wird, dass wir uns beide nicht mehr sehen können. Darin hat sie wirklich Talent.

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Scheint, als wäre ein ehrliches Gespräch zwischen unseren lieben Muffinfreaks fällig - oder was meint ihr? :')

- liljaxxx & knownastheunknown -

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