Kapitel 40

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Kann man als Geist (oder was auch immer ich bin) Hunger haben?
Ich habe nämlich keinen.
Ob es an meinen Dasein als Geist oder an der unappetitlich Situation allgemein liegt weiß ich nicht.
Franco hat auch keinen Hunger. Zumindest starrt er nur auf die Brezel, die er in der Hand hält.
Resigniert sitzt er in der Cafeteria. Er muss warten. Bis mein Körper aus den op raus ist.
Nach 7 Stunden, in den Franco nur auf seine Brezel gestarrt hat, kommt die Nachricht.
Ich bin auf intensiv. Alles gut verlaufen.
Er darf mich besuchen.
Ehe ich mich versehe, ist Franco auf den beinen, drückt die Brezel einer Schwester in die Hand und eilt zum Aufzug.
Ringe unter den Augen, blass und verbundene Handknöchel. So wollte ich ihn niemals sehen.
Ich muss mich beeilen, um mit ihn Schritt zu halten.
"Warte auf mich!", rufe ich.
Natürlich tut er das nicht. Warum auch?
Weil ein Geist ihn darum gebeten hat?
Ich schaffe es gerade noch in den Aufzug, bevor die Türen sich schließen.
Oben werden wir von einer Schwester in Beschlag genommen.
Ein gelber Plastikkittel und eine ordentliche Portion Desinfektionsmittel für Franco, freier Eintritt für mich.
Ein Arzt und zwei Pfleger schließen mich an die letzten Geräte an. Auch dieses verdammte Pipse-Ding ist da. Man kann eben nicht alles haben.
Ich sehe immer noch beschissen aus.
Blass. Krank. Schlauch im Mund. Und überall Verbände, Zugänge oder sogar Gips.
"Wie geht es ihr?"
Dr. Pfeil wiegt nachdenklich den kopf hin und her.
"Im Moment ist sie stabil. Aber ich muss dir ja nicht sagen, wie schnell es sich ändern kann. Aber es ist wahrscheinlich, dass sie durchkommt. Aber sie kann auch versterben."
Sanft legt Franco seine Hand auf meinen eingegipsten Arm.
"Sie wird es schaffen. Sie ist ein starkes Mädchen."
Der Arzt presst die Lippen aufeinander.
"Sie muss auch stark sein. Multiple Verletzungen, wir haben noch nie so viel Metall auf einmal in jemanden implantiert. Aber..."
Jetzt kommt nichts gutes. Das weiß ich.
"Wir konnten nicht alles retten."
Behutsam zieht er die Decke von meinen Füßen. Der linke sieht schrecklich aus. Bandagiert, blutig, geschwollen.
Aber der rechte... Er ist nicht mehr da. An seiner Stelle ragt ein stumpfes Stück Fleisch aus meinen Bein. Natürlich auch peinlich genau abgedeckt.
Auch Franco sucht nach Worten.
"Weg.", spricht er da meine Gedanken aus. "Einfach weg."
"Es tut uns leid. Der Sturz hat viele Gelenke einfach zersprengt, aber ihr Fuß... Zu viel."
"Wird sie wieder laufen können?"
"Ja. Eine Prothese wird jedoch benötigt werden. Aber jetzt konzentrieren wir uns erst mal darauf, dass die kleine wieder gesund wird."
"Ja. Macht das.", zerstreut fährt er sich übers Gesicht.
"Ich weiß. Ein harter Tag für dich. Aber bei uns ist sie in Guten Händen. Lass dir zeit, ok?"
Jannik klopft ihn freundschaftlich auf die Schulter. "Du solltest aber auch mal ins Bett. Sie hält außerdem noch nicht so viel aus. Mach schnell, ja?"
Die Pfleger verlassen mit ihn den Raum.
"Na ja. Wenigstens ist es nur der Fuß. Es hätte mich ja noch schlimmer treffen können.", versuche ich ihn aufzumuntern.
Mein Körper liegt vor ihn. Aber ich stehe neben ihn.
Darauf bedacht, keine Infusionen abzureißen, beugt er sich zu mir. Liebevoll haucht er mir einen Kuss auf die Stirn.
"Schlaf gut, Kleine."
Er lächelt mich liebevoll an.
Dann geht er raus.
Und mein Herz will vor liebe zerspringen.

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)Where stories live. Discover now