Kapitel 12

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"Wann darf ich hier raus?", fragte ich Linda, die gerade an meiner Infusion herumfummelte.
"Ich weiß nicht. Aber morgen kannst du schon mal aus der Intensivstation. Wie es dann weitergeht... Kann ich dir leider nicht sagen." Betreten sehe ich zur Decke. "Wann darf ich wieder laufen?" "In ein paar Monaten, wenn alles glatt läuft." Erschrocken fahre ich hoch. "Was?! In ein paar MONATEN?!" Das pipse-Ding neben mir wird schneller. "Beruhig dich. Aber so ist es eben." Energisch deutet sie auf die liege. "Hinlegen." , befiehlt sie. Immer noch aufgebracht lasse ich mich zurück sinken.
"Warte einen Moment." Linda verschwindet kurz, um ein kleines Wägelchen zu holen.
"Was ist das?"
"Essen. Das gute vom Krankenhaus."
Sie reicht mit Einen Teller, Messer und Gabel. Vor mir auf den Teller befindet sich etwas Reis und ein Stückchen Hähnchen. Ich mache große Augen. So viel essen! Linda reicht mir noch ein Glas Wasser.
"Ist das alles? ", fragte ich nach.
"Ja. Tut mir leid aber du darauf noch nicht so viel essen."
"Danke!"
Gierig mach ich mich über das Festmahl her.
"Na da hat jemand Hunger!" , ertönt eine Stimme von der Tür. Ich erkenne Frederik Seehauser. "Dann komm ich einfach später noch einmal um dich zu untersuchen." "Wann kann ich weg? ", rufe ich ihn noch zu, bevor er den Raum verlässt. Der Arzt hält kurz inne. "Wenn alles gut läuft kannst du heute oder morgen auf die normale Station."
"Wann kann ich weg?", stelle ich die frage noch einmal, dieses mal mir mehr Nachdruck.
Er seufzt. "Wenn alles geklärt ist."
"Und wann ist alles geklärt?"
"Das weiß ich nicht. Du bist ein wenig kompliziert. Rätselhaft."
"Inwiefern?"
"Mysteriös, verstört, traumatisiert, verschlossen, geheimnisvoll... Und einfach anders. Ohne Namen. Ohne irgendwelche Hinweise auf die Vergangenheit. Einfach Rätselhaft." Ein flüchtiges lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. "Bis später."
Und bevor ich noch irgendwas tun kann, fällt die Tür hinter ihn ins schloss.

"Na das war mal eine Rede", tönt es von Linda. Zustimmend nicke ich. Den Teller schiebe ich weg. Mir ist der Appetit vergangen. "Schon fertig?"
"Ja."
Linda nimmt den Teller und stellt ihn wieder auf den Wagen. "Wir sehen uns vielleicht noch mal bei der Untersuchung. Ruh dich bitte noch etwas aus."

Schlaflos starre ich an die Decke. Seit Linda weg ist, versuche ich zu schlafen. Frederik war bisher noch nicht da gewesen. Wer bin ich? Es nagt sich tief in mich hinein. Die Ungewissheit.
Keine Erinnerung an mich. Auch die Erinnerungen Mama verschwimmen langsam. Nur das Monster hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Was würde ich nicht alles geben um ihn zu vergessen und wenigstens meinen Namen zu erfahren. Falls ich je einen hatte.
Ein klopfen an der Tür reißt mich aus den Gedanken. "Herein!" Die Tür öffnet sich. Ein unbekannter Arzt tritt hinein. "Guten Tag. Gustav Busch mein Name. Aufgrund ihrer blutwerte möchte ich eine neue Infusion anhängen. In Ordnung?"
Vor der Infusion habe ich schon lange keine Angst mehr. Sie tut nicht weh, sondern hilft mir. "In Ordnung.", bestätige ich. Busch kramt aus seiner Tasche einen Infusionsbeutel. Eigenartig. Sonst werden sie immer aus den Schrank geholt. Der Arzt stöpselt den alten Beutel ab, und den neuen etwas unbeholfen an.
Schon der erste tropfen macht , dass es mir schwindelt. Ich versuche , ihn darauf aufmerksam zu machen, doch aus meinen Mund kommt kein Ton. Das Gesicht von ihn verzieht sich zu Einen grinsen. Ein teuflisches grinsen. Ein wissenden grinsen. Panisch versuche ich die Infusion abzureißen, aber mein Körper wird von Krämpfen geschüttelt.
"Auf Nimmerwiedersehen." Der Arzt, oder der Nicht-Arzt , wie ich vermute dreht mir den Rücken zu, verlässt den Raum, als wäre nie etwas gewesen.
Langsam aber sicher weder ich schwächer. Die Krämpfe werden zu Einen schwachen zucken. Auch das pipse-Ding wird schwächer. Mit aller Konzentration und Kraft und vor allem mit der Kraft der Verzweiflung hebe ich meinen Hand. Schwach umfasse ich den Schlauch. Ich atmete noch einmal durch, dann ziehe ich mit aller Kraft an den Schlauch. Er löst sich.
Erleichtert lasse ich meine Hand zurückfallen. Jetzt kann ich schlafen. Ich bin doch so müde. Die Augen fallen mir zu. zu.

Ich sehe meine Mutter. Sie steht vor mir. Sie steht einfach nur da. Aber sie blockiert einen Weg. Ich möchte mich an ihr Vorbei drängen, aber die schiebt mich zurück.
"Noch nicht. Bitte. Noch nicht."
Der Klang ihrer Stimme. Wie ich ihn vermisst habe.
"Warum?"
"Noch nicht. Noch nicht."
Sie deutet hinter mich. Da Ist nichts wirklich nichts. "Da entlang."
"Ja, Mama."
Ich drehe mich in Richtung nichts.
"Ich vermisse dich. Ich vermisse dich, Hope."
Verwundert drehe ich mich um. Sie ist fort, aber ihre Worte klingen noch in meinen Ohren nach.
Hope. Nein Name. Hope. Hoffnung.

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)Where stories live. Discover now