Kapitel 17

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"Bist du sicher, dass du das alleine schaffst?" Ich höre Besorgnis aus Olivers Stimme.
"Keine Sorge. Ich schaff das schon."
Franco reicht mir die Krücken. "Sollen wir hier auf dich warten?"
Dankend nicke ich.
"Okay. Aber wenn etwas ist... Wir sind in der Nähe."
Ich nehme Franco die Krücken ab und gehe zu den großen Eisentor, das mir den Weg zum Friedhof versperrt. Olli hält es mir offen, lächelt mir aufmunternd zu und geht dann wieder Richtung Auto. Die Inschrift auf den Tor beruhigt mich kein bisschen. Ihr seid das, was wir waren. Wir sind das, was ihr sein werdet. Ein kalter Schauer jagt mir über den Rücken. Gruselig.
Das Gelände ist ziemlich groß. Sie liegt in der 14. Reihe im 4. Grab, wurde mir gesagt.
Langsam schreite ich die Reihen hoch. 12...13... 14! Ich werde nervös. Schließlich besuche ich das Grab meiner Mutter, die ich über alles liebe zum ersten mal. Wie es wohl aussieht? Wahrscheinlich ist es zugewuchert, es hat sich ja jahrelang keiner um das Grab gekümmert.
Vor den 4. Grab bleibe ich stehen. Es sieht wirklich nicht schön aus, aber längst nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe. Nur Es ist leer. Einfach leer. Nur nackte Erde. Keine Blumen oder Kerzen wie auf den anderen Gräbern. Auf den dunklen Grabstein steht mit bronzenen, geschwungenen Buchstaben geschrieben:
Hazel Inters
* 13.03.1976
+ 14.09.2011
Die Hoffnung aber stellt ins nicht bloß

"Hallo, Mama. Ich bins. Hope. Deine Tochter." Meine stimme zittert ein wenig. "Und ich wollte dich mal besuchen. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt komme, glaub mir ich wäre schon viel früher gekommen. Aber es ging ja nicht. Wegen den Monster. Ich vermisse dich. So sehr. Du fehlst mir. Und jetzt, wo ich dich wiedergefunden habe, muss ich wieder gehen. Heute noch fahre ich nach Frankfurt. Du glaubst nicht, was alles passiert ist, seit du... gegangen bist. Vielleicht weißt du es aber auch. Vielleicht bist du immer da und passt auf mich auf. Also Mama... Ich hoffe, dass ich bald wieder da bin. Ich würde dir Lilien auf dein Grab pflanzen, deine lieblingsblumen. Aber jetzt muss ich gehen. Weg. Es tut mir leid."

Draußen werde ich von Franco und Olli in Empfang genommen. Sie helfen mir beim einsteigen und schließen die Tür hinter mir. Während der Fahrt zurück zum Krankenhaus spricht keiner ein Wort. Wir alle hängen unsern eigenen Gedanken nach.

Schweren Herzens verlasse ich das Krankenhaus. Auf den Parkplatz steht ein weißes Auto, dass mich zum heim bringen wird. Franco trägt meine Tasche, Olli meinen Rucksack. Vor den Auto erwartet uns schon Frau Büchner. "Da bist du ja endlich! Hopp Hopp, wir müssen los! Beeilung!", drängt sie. Olli und Franco verfrachten mein Gepäck im Kofferraum.
Dannach kommen sie wieder zu mir. Traurig lächel ich sie an. Jetzt kommt der Abschied.
"Auf Wiedersehen, Kleine. Und mit Wiedersehen meine ich auch Wiedersehen. Das versprech ich dir. Wir kommen dich bestimmt mal besuchen."
"Genau! Du bist uns ans Herz gewachsen, Mäusschen."
"Ihr mir auch. Ich werde euch vermissen."
"Jetzt komm schon! Wir müssen uns beeilen! Ich hab auch noch Termine!", ruft die Dame vom Jugendamt von vorne.
"Tschau." Aus Einen Instinkt heraus ziehe ich die beiden in eine kurze Umarmung, was beide zum strahlen bringt. Perfekt, genauso will ich mich an sie erinnern. Lächelnd. Ich schließe die Autotür. Der Motor wird gestartet und das Auto bewegt sich langsam vom Parkplatz. Ich schaue nicht  zurück.

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن