Kapitel 32

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Ich wache viel zu früh auf. 4.30 Uhr oder so. Schlaflos wälze ich mich auf die Seite und stiere aus den Fenster in die dunkle Nacht. Es ist ruhig, beinahe unheimlich ruhig. Wie die Ruhe vor den Sturm.
Leise schwinge ich mich aus den Bett, suche mir saubere Sachen und ziehe mich um. Vorsicht öffne ich die Tür. Niemand da. Alles ruhig. Ich schleiche durch den Gang, ohne Ziel und Plan. Die Krücken klackern etwas auf den kalten Boden. Lampen springen automatisch an, tauchen den Weg in ein blendenden Licht.
Mitten auf den Gang bleibe ich stehen. Einfach so. Ohne Grund.
Wie in Trance betrachte ich etwas hinter den Mauern des Krankenhauses, hinter den Grenzen des Landes, hinter den unendlichen Universum.
Was es ist, kann ich nicht sagen. Ein Tagtraum, würden die meisten sagen. Ein Hirngespinst, eine Einbildung, ein Wegträumen.
Wegträumen trifft es wohl am ehesten.
Ich träume mich weg von der harten Realität, träume mir ein Leben mit Freunden und einer liebenden Familie. Mit Menschen, die mich lieben und brauchen, mich mögen und unterstützen, auf die ich mich verlassen kann, egal in welcher Scheiße ich stecke.
Ein Gedanke, vielleicht sogar eine Gewissheit durchzuckt mich.
Habe ich das nicht schon gefunden?
Ohne weiter auf diesen Gedanken einzugehen humpel ich in mein Zimmer zurück.

Geschlafen habe ich diese Nacht nicht mehr. Aber richtig wach war ich auch nicht.
Eine noch leicht verschlafene Schwester bringt mir das gewohnte Frühstück. Ein Brötchen, ein Brot, Marmelade, Quark und eine Tasse Tee.
Höflich bedanke ich mich bei ihr. Sie verlässt lächelnd, aber immer noch verschlafen den Raum.
Mehr oder weniger hungrig verspeise ich das Brötchen mit Quark.
Gerade als ich mich der Tasse Tee zuwenden will, klopft, nein, hämmert es an der Tür. Und noch bevor ich den oder die Klopfer hereinbitten, oder sonst noch irgendwas tun könnte, wird die Tür grob aufgerissen.
Erschrocken klammere ich mich an die Tasse.
Zwei Gestalten machen sich vor mir groß. Eine Frau. Matera steht auf ihrer Uniform. Der andere ist Paul, und er ist es doch nicht. Sein Gesicht ist vollkommen ausdruckslos, er wirkt professionell und reserviert.
"Hope Inters, wir werden Sie wegen eines begründeten Verdachts auf Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung auf die Wache mitnehmen."
Er Siezt mich. Als wäre ich eine Fremde.
Immer noch unter Schock und maßlos verwirrt hocke ich auf der Bettkante.
"Paul?", meine Stimme zittert. "Was wollt ihr von mir?"
Doch seine erwiederung ist genauso taub wie zuvor. "Wir müssen Sie mit auf die Wache nehmen."
Mit einer Handbewegung fordert er mich auf, aufzustehen.
Mit zitternden Händen stelle ich die Tasse auf das Tablett ab und greife nach meinen Krücken.
"Paul?", versuche ich es erneut, diesmal beinahe flehend. "Warum?"
Für einen Moment bröckelt die harte Fassade und der eigentliche Paul, wie ich ihn kenne, scheint durch. Da Ist der Moment schon vorbei. Der stahlharte Ausdruck legt sich wieder auf seine sonst sich lebhaften Augen.
"Alles weitere klären wir auf der Wache.", antwortet er tonlos.
Die beiden nehmen mich in ihre Mitte. Schweigend laufen wir durch die Korridore.
Der Sturm , der auf die Ruhe folgt, sammelt seine Wolken und Winde, lauernd auf die Gelegenheit, die Ruhe zu verbannen.

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora