Kapitel 35

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Diese Leere. Dieses nichts. Es ist schlimm.
Paul und Matera haben mich wieder in das Krankenhaus gebracht. Es ist später abend. Wirklich später abend. Aber noch nicht nachts.
Wir machen vor meinen Zimmer halt. Paul sieht mich nicht an.
"Über Nacht bleibst du hier. Es besteht kein Grund zur Bewachung."
Schweigend nicke ich. Weiter nehme ich sie nicht zur Kenntnis.
"Gute Nacht.", wünscht mir Matera. Paul nicht.
Sie wenden sich zum gehen. Als sie kurz vor den Aufzug stehen bleiben , rufe ich ihnen noch hinterher: "Es tut mir leid. Es tut mir leid, Paul!"
Er dreht sich zu mir. Und sieht mich zum ersten mal seit langen an, ohne vorwurfsvoll zu schauen. Aber er sieht auch nicht freundlich aus. Monoton trifft es am ehesten.
Und das schlimmste: Es lässt mich kalt. Nicht die eiskalte Hand der Trauer und des Verlustes krallt sich in mein Herz, nein, da ist nichts mehr an das sich die eiskalte Hand hätte krallen können.
Ich schlucke schwer. Was ich mit meinen Worten meine, weiß ich nicht. Tut es mir leid, dass ich ihn gebissen hatte? Dass es ihn jetzt schlecht geht, wegen mir? Oder wegen etwas anderen...?
Sie haben nur Mitleid mit mir, ich verschwende ihre Zeit.
Benommen betrete ich mein Zimmer, ohne noch mal zurück zu blicken.
Aber es folgt mir auch niemand, der sich ebenfalls keinen Reim auf meine Worte machen kann.
Zu meiner Verwunderung brennt in meinen Zimmer Licht.
Und ich bin nicht alleine.
"Hi, Kleine! Ich hab auf dich gewartet."
Franco hockt lächelnd mir gegenüber auf den Bett. Schnell setzte ich ein falsches lächeln auf. Ich stehle ihnen nur ihre Zeit.
"Hi, Franco. Was machst du denn hier? Die Besucherzeiten sind doch schon längst vorbei."
"Na ja... Ich habe von der Sache mit der Polizei und den Kinderheim gehört..."
Er wird sichtlich nervös.
"Und es wurde mir erlaubt, heute bei dir zu übernachten. Nur falls du willst..."
Du verschwenden ihre Zeit, du elende Missgeburt. Nur Mitleid, keine Freundschaft.
"Klar."
Franco, mein lieber Franco, verschwende ich wirklich nur deine zeit? Was bin ich für dich? Ein armes, Kleines Mädchen oder ein Mensch? Bedeute ich dir etwas? Brauchst du mich? Aber... Brauche ich dich? Bin ich die genug wert? Oder nicht?
Glücklich lächelt er. "Das freut mich. Wirklich."
Wirklich?
"Ja, aber ich bin wirklich müde."
Lüge. Lüge. Lügen. Missgeburt.
"Ist okay. Ich auch. Ich gehe jetzt auch schon schlafen."
Ich befreie mich aus meinen Schuhen. Mit allen Klamotten gehe ich ins Bett. Mehr traue ich mich nicht. Auch Franco zieht nur Schuhe und Strümpfe aus. Er versteht mich.
Wirklich?
Ich liege im ersten Bett am Fenster, er das an den Bad.
Bevor er sich hinlegt, kommt Franco noch mal zu mir. "Schlaf gut." Er gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
Ich fühle nichts. Leere. Taubheit.
Er schaltet das Licht aus. Nach einer Weile höre ich seinen ruhigen, gleichmäßigen Atem. Er schläft. Ich nicht.
Irgendwie ist das alles zu viel. Alles einfach alles.
Bin ich wirklich der Grund für all das Unglück? Für Mamas Tod?

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt