Riesen fliegen nicht - 1

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Erleichtert atmete ich aus. Ich war entkommen! Die stickige Luft in dem menschenüberfüllten Abteil war getränkt durch den beißenden Geruch von Schweiß, doch ich atmete tief ein, denn für mich war dies der berauschende Duft der Freiheit.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als mir bewusst wurde, dass ich eben nur haarscharf entkommen war. Auch im Nachhinein weckte allein der Gedanke an Mr. Giordano in mir eine große Angst. Wollte er mich wirklich bloß benutzen um Samuel nachzuspionieren oder verfolgte er noch weitere Motive? Sicher war jedoch, dass dieser Mann sich nicht mit mir abgegeben hatte, um meinen angeblich interessanten Charakter zu studieren. Der Leviathan war eindeutig aalglatt und schreckte vor keinem gesellschaftlichen Tabu zurück, um das zu bekommen, was er wollte.

Als eine freundliche Stimme die nächste Haltestelle verkündete, fluchte ich leise. Vielleicht war ich dank dieser Bahn Mr. Giordano entkommen, doch ganz sicher würde er mich nicht zu Samuel bringen, sondern fast genau an das andere Ende der Stadt. Ich musste also irgendwie in die richtige Hochbahn umsteigen. Mit gerunzelter Stirn suchte ich die Wände nach einer Straßennetzkarte der Hochbahnen ab. Zu meinem Pech verkündete diese nichts Gutes. Mit viel Glück und drei Umstiegen konnte ich erst in zwei Stunden an der Haltestelle ankommen, die am nächsten zu Samuels Zuhause lag, doch danach musste ich auch noch einen halben Marathon per Fuß zurücklegen. Nervös schüttelte ich den Kopf und begann unruhig an meiner Lippe zu knappern. Würde ich es überhaupt schaffen bei Samuels Grundstück anzukommen oder würde ich mich davor einfach verlaufen?

Als ich endlich an meiner Zielhaltestelle angekommen war, war es bereits dunkel gewesen. Zumindest hatte ich es solange für dunkel gehalten, bis ich die Lichter der Stadt hinter mir gelassen hatte. Nun wusste ich, dass es zwischen den vielen elektrischen Laternen höchstens düster sein konnte. Die wahre Finsternis fand man nur außerhalb der Stadtgrenze, etwa genau an diesem Ort, wo ich mich jetzt befand.

Seit einer halben Stunde war ich einer Straße voller Schlaglöcher gefolgt, die sich einen Berg hinauf zu meinem Ziel schlängelte. Um mich herum befanden sich große Felder voller Getreide. Auf manchen konnte man die Ähren bereits ernten, während auf anderen gerade einmal winzige junge Halme aus den Boden spitzten. Diese Felder begleiteten mich jedoch nicht bis zu meinem Ziel, denn schon bald würde ein kleiner Wald an ihrer Stelle stehen. Dieser Gedanke beunruhigte mich, denn bereits jetzt konnte ich kaum die Hand vor Augen sehen. Dank den großen dicken Wolken, die sich vor die schmale Mondsichel geschoben hatten, war es wirklich stockfinster.

Umgeben von einem dichten Bäumen, deren hohe Kronen auch noch den letzten Funken Licht auffingen, würde ich wahrscheinlich überhaupt nichts mehr sehen. Als ich den Wald zuvor auf einer Karte gesehen hatte, hatte er mir keinerlei Bedenken verursachtet, doch nun fürchtete ich den Moment, wenn die ersten großen Wipfel vor mir auftauchten. Was sollte ich tun, wenn ich die Straße unter meinen Füßen nicht mehr sehen konnte? Gab es hier vielleicht sogar gefährliche Tiere?

Seit langen hatte ich mir wegen solcher Dinge keine Sorgen mehr gemacht. Ich war in meiner kleinen sicheren Welt geblieben und hatte die Ängste ganz vergessen, die mich als Kind nachts wach gehalten hatten. Ja ich hatte die Natur vermisst, aber ganz sicher nicht ihre gruselige Seite. Die Dunkelheit, die ein menschliches Auge nicht zu durchdringen vermochte, das leise Knacksen eines Zweiges, das wispernd von einem gefährlichen Tier berichtete und diese verdammte Angst, die mit jedem neuen Schritt den gesamten Körper versteinerte. Als Kind hatte ich mir genau deswegen gewünscht, so stark wie alle anderen Gestaltwandler zu sein, mich wie meine Freunde in ein mächtiges Raubtier verwandeln zu können und zu einem Teil dieser wunderschönen, aber auf gefährlichen Natur zu werden. Zu meiner Schande musste ich mir eingestehen, dass ich mir eben dies wieder wünschte. Ich wollte meine winzigen Fingernägel gegen scharfe Krallen und meine verletzliche Haut gegen ein dichtes Fell eintauschen.

Plötzlich setzte ein seltsames Rauschen ein. Verwirrt blickte ich mich um. Was war das? Angespannt hielt ich inne und lauschte. Das Rauschen wurde lauter. Im rhythmischen Takt kam, was auch immer dieses Geräusch verursachte, auf mich zu. Erneut blickte ich mich um, diesmal um einiges panischer, doch ich konnte immer noch nichts erkennen. Urplötzlich ergriff mich eine starke Windböe. Fluchend taumelte ich rückwärts und versuchte mein Gleichgewicht wieder zu erlangen. Was war hier los? Zuvor war es doch vollkommen windstill gewesen, wie konnte es sein, dass die Natur nun mit mir Fußball spielte? Doch so plötzlich wie der Wind gekommen war, legte er sich auch. An seiner Stelle flammte eine seltsame Hitze hinter meinem Rücken auf. Mein gesamter Körper zitterte und noch immer konnte ich mir keinen Reim auf das Geschehen machen. Ich musste mich umdrehen, dass wusste ich, doch ich brauchte einen Moment bis ich genug Mut angesammelt hatte. Als ich endlich bereit war meinem Schicksal entgegenzutreten, packten mich zwei gigantische Arme von hinten.

Ich schrie auf. Meine Instinkte kreischten, dass ich mich befreien musste, doch die muskelbepackten Arme verhinderten, dass ich um mich schlug. Verzweifelt versuchte ich meinen Gegner mit einem Tritt nach hinten zu erwischen, doch ich traf nur Luft. Was zum Teufel ging hier nur vor sich? Verdammt, diese Frage war im Grunde genommen doch vollkommen egal! Ich durfte das nicht zu lassen! Hier ging es nicht nur um mein eigenes Leben, sondern um das vieler. Ich durfte meine Chance endlich etwas wirklich Gutes zu bewirken nicht vermasseln!

Aus meiner Wut schöpfte ich eine neue Kraft und begann mich entschlossen zu wehren. Ich trat um mich, presste meine Arme zur Seite und schrie so laut ich konnte. Als das alles nichts brachte, beugte ich mich zu den viel zu muskulösen Unterarmen herab und hieb meine Zähne so tief in sie, wie ich nur konnte. Eine eindeutig männliche Stimme hinter mir schimpfte: „Menschlein, ich an deiner Stelle würde es nicht übertreiben!"

Ich knurrte wütend und ließ von dem Arm ab. Angewidert spuckte ich das metallische Blut aus und zischte: „Lass das kleine Menschlein los, oder du wirst es bereuen!"

Der fremde Kerl besaß tatsächlich auch noch die Frechheit zu lachen. Ich holte tief Luft, dass würde jetzt wehtun, aber immerhin ihm mehr als mir. Ich ließ meinen Kopf nach vorne fallen so als hätte ich meine aussichtslose Lage eingesehen, doch dann schnellte ich ihn so schnell ich konnte nach hinten. Mit einem bisschen Glück würde ich seine Nase treffen. Der Aufprall erfolgte um einiges heftiger als ich erwartet hatte. Ich keuchte schmerzerfüllt auf und mein gesamtes Sichtfeld wurde schwarz. Im letzten Moment realisierte ich, dass ich meinen Kopf gegen eine viel zu harte muskulöse Brust gehämmert hatte, anstatt auf eine Nase. Ein letzter seltsamer, aber gleichzeitig halbwegs logischer Gedanke, schoss durch meinen Kopf: „Ob dieser Mann wohl ein Riese war?"

 Ein letzter seltsamer, aber gleichzeitig halbwegs logischer Gedanke, schoss durch meinen Kopf: „Ob dieser Mann wohl ein Riese war?"

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Sorry für den Tag Verspätung ^^° Ich hatte dieses Mal irgendwie wirklich Probleme beim korrigieren. Aus irgendeinem Grund wollte ich den Text einfach nicht flüssig bekommen. Nach dem ich ihn heute zum 4. Mal überarbeitet habe, habe ich jedoch beschlossen ihn endlich hochzuladen. Hoffe, dass das Kapitel euch trotzdem gefällt ;)

Entflammt ✔️Where stories live. Discover now