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Zwei Tage später befrachtete ich auch schon mit all meinem Mut mein letztes Shirt aus meinem Kasten in meinen Koffer, der offen auf meinem Bett lag.
Mein Verstand konnte es nicht fassen, dass ich nun tatsächlich nach Washington zog.
Ich fühlte mich schlecht was ich hier tat. Dylan einfach so in Stich zu lassen, allerdings besaß ich einen kleinen Funken in mir, der mir sagte, dass es das Richtige sei und ich mich von nichts abhalten sollte.
Mit einem letzten Seufzer schloss ich meinen Koffer und nahm ihn in die Hand.
Meine Großmutter war bereits auf den Weg hier her und würde auch schon in ca. einer viertel Stunde ankommen.
Mit einem letzten unangenehmen Blick auf mein Bett ging ich langsam auf meine Türe zu. Dieses Bett erinnerte mich nur an Harry und seine Gewalttaten die er mir zugefügt hatte. Die letzten Nächte in diesem Raum waren pure Qual für mich. Doch wo hätte ich sonst schlafen sollen? Bei Dylan? Der mich ebenfalls bloß an Harry erinnerte?
Mit einem letzten kurzen Blick hinter mich öffnete ich die Tür und trat in den Flur, sodass ich direkt in Dylans Zimmer blicken konnte, da seine Türe sperrangelweit offen stand. Als ich etwas genauer hinein sah, entdeckte ich einen alleinstehenden vollen Koffer, der am Boden offen lag. Irritiert näherte ich mich Dylans Zimmer. Warum packte er ebenfalls seine Sachen?
Als ich vorsichtig meinen Kopf hinein steckte und mich links und rechts umsah, konnte ich auch schon einen grinsenden Dylan bei seinem Kasten stehen sehen, der mich anzwinkerte. In der Hand hielt er eine Jeans, die er schnell in seinen bereits schon zu vollen Koffer hinein stopfte, um ihn anschließend mit Mühe zu schließen.
„W-Was tust du?" fragte ich verwirrt und blickte abwechselnd von Dylan zu dem Koffer.
„Ich ziehe nach Washington" erklärte er mir, das mir einen heftigen Stich in die Brust versetzte. Ich dachte ich hörte nicht richtig. Hatte ich ihm nicht vor zwei Tagen noch erklärt, dass ich Abstand bräuchte? Von allem was in Bar Harbor lebt?
„U-Und wie willst du dort hin kommen? Beziehungsweise wo willst du leben?" sprach ich aufgeregt und stellte den Koffer neben mich am Boden ab.
„Jasmin" begann er zu seufzen und verlor dabei sein glückliches Gesicht. Traurig sah er mich an und kam einen Schritt näher auf mich zu. „Ich will dich nicht verlieren. Und das lasse ich bestimmt nicht wegen einem Arschloch wie Harry plötzlich zu" erklärte er mir wütend und ballte dabei seine Hände zu Fäusten.
Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte. Ich wusste das es falsch war, da ich mich von allem trennen wollte, allerdings freute sich ein kleiner Teil von mir riesig.
„Ich werde dir überall hin folgen. Egal wohin! Solange ich an deiner Seite bin" flüsterte er schon fast und kam immer näher.
„Dylan, ich ziehe doch nicht nach Washington, bloß um dich zu verletzen" versuchte ich es weiter und presste meine Lippen aneinader. Es schmerzte mich ihn so zu sehen.
„Das ich dich an Harry erinnere, kann man auch lösen. Ich mach eine Gesichtsoperation, wenn es dir dann besser geht. Solange ich bei dir bin, werde ich auch diese Schmerzen vergessen!" antwortete er panisch und betatschte dabei gespielt sein Gesicht, das mich zum Lächeln brachte.
„Ich werde mir in Washington eine Wohnung, ein Hotel oder ein Motel suchen. Und wenn das alles nicht funktioniert. Sogar die Straße! Aber ich werde dich sicherlich nicht alleine gehen lassen. So dumm bin ich nicht" sprach Dylan weiter und kam bereits ganz knapp vor mir an.
„Du kannst doch gar nicht mit mir mit" flüsterte ich plötzlich mit brüchiger Stimme und nahm ihn sanft an der Hand. „Du hast Hausarrest und Sozialarbeit für die nächsten zwei Jahre bekomen" Mit einem bemitleidenden Lächeln sah ich ihn an. Ich konnte sehen, wie seine ganze Hoffnung langsam erlosch.
„Mach es dir nicht so schwer" schluchzte ich und drückte ihn vorsichtig einen Kuss auf seine Wange. Ich spürte wie eine Träne mein Augenwinkel besetzte. Ich musste es wohl akzeptieren Dylan vielleicht nie wieder zu sehen, auch wenn es im Herzen noch so weh tat. Ich musste einmal im Leben an mich denken. Dylan sollte anscheinend vom Schicksal her, einfach bloß mein Teenischwarm bleiben.
„Versprich mir eines" flüsterte ich weiter und fuhr mit meiner Hand zu seiner Brust, die er sofort mit einem Nicken fest hielt.
„Du machst diese zwei Jahre Sozialarbeit ohne Widerworte fertig, sodass du endlich dein Leben selbst enscheiden kannst"
Mit einem tiefen durchatmen zog ich meine Hand langsam wieder weg von ihm und nahm anschließend meinen Koffer in die Hand. Mit einem letzten tiefgründigen Blick sah ich direkt in seine grünen Augen, die ich unendlich lange vermissen werde, bevor ich schlussendlich mit einem traurigen Lächeln den Flur entlang, Richtung Treppen stolzierte.
„Jas?" ertönte plötzlich Dylans traurige Stimme hinter mir, sodass ich mich sofort umdrehte.
„Ich werde dich wieder sehen" sprach er und verschwand anschließend mit hängenden Schultern in sein Zimmer. Schweratmend schloss ich meine Augen und atmete tief durch, bevor ich schlussendlich die Treppen hinunter ging und die Haustüre aufriss.

Auf der Straße stand bereits meine Großmutter neben ihren älteren Auto mit einem breiten Grinsen, doch ich konnte nicht zurück Lächeln. Ich brachte gerade jede Emotion hervor, außer Fröhlichkeit. Obwohl ich dies eigentlich sollte. Immerhin geschah in diesem Moment alles, wonach ich mich von Anfang an gesehnt hatte. Weg von dieser Stadt.
Langsam ging ich auf sie zu und umarmte sie kurz, bevor sie mir den Koffer abnahm und in den Kofferraum platzierte.
„In Washington wird es dir gefallen" sprach sie und öffnete mir rasch die Beifahrerseite.
Je mehr Zeit verging, desto mehr zog sich mein ganzer Magen zusammen.
Mit einem gespielten Schmunzeln setzte ich mich in das Auto und schmiss die Türe hinter mir zu. Hektisch düste sie auf die Fahrerseite und stieg dort ebenfalls ein.
Am liebsten wäre ich soeben einfach nur weggerannt, sodass mich niemand mehr sehen konnte. Weder meine Großmutter, noch Dylan.
Ich konnte den gestartete Motor des Autos unter meinen Füßen spüren, das mir Panik machte. Vor kurzem schien noch alles so normal in Bar Harbor. Meine Mutter hatte den perfekten Mann gefunden und ich die Liebe meines Lebens. Doch mit einem Schlag war man mitten im Auge des Sturms.
Ich brauchte einfach Zeit für mich alleine. Ich hoffte, das ich genau dies in Washington bekommen würde.

Ende

!!! bitte lesen:
Hallöchen (:  Also das ist jetzt das Ende der Geschichte, aber keine Sorge. - Irgendwann wird es vielleicht einen zweiten Teil geben. Aber das könnte noch dauern ):
Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr seit nicht allzu traurig wegen keinem Happyend Die Kommentare und votes haben mich echt immer gefreut, auch wenn ich nicht immer antworten konnte <3

! ! Allerdings bevor ihr jetzt auch schon geht und nach einem anderen Buch sucht, hätte ich da eine Frage:

Ich habe mir eine weitere Geschichte ausgedacht, die ich gerne schreiben möchte. Allerdings ist die mit den Lesern verknüpft.
Also es würde so gehen:
Ich schreibe ein Kapitel und am Ende lasse ich sozusagen einen a)- und b)-Weg offen, wie die Geschichte im nächsten Kapitel weiter gehen könnte. Und da kämen eben die Leser in Frage, die entscheiden dürfen mit welchem Weg im nächsten Kapitel weiter geschrieben wird. Da schreiben die Leser einfach in den Kommentaren a) oder b)
Und der Weg der öfters gewählt wurde, wird im nächsten Kapitel eingebaut.
Und das würde dann immer so weiter gehen.
Sozusagen das ich dann mit den Lesern zusammen eine Geschichte irgendwie schreibe.

Keine Ahnung ob das schon jemand gemacht hat. Ich hab niemanden gefunden.

Jetzt würde es mich interessieren, ob die Idee bescheuert ist, oder lustig werden könnte.

Rote UnterwäscheOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz