Krankheit - Hawkins

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  Dein Blick auf das Deck war von dem Blizzard getrübt, der schon seit zwei Tagen euer Schiff in dieser Einöde festhielt. Dein Aufgabe als Navigatorin war es zwar, euch um jeden Sturm herum – oder auch mittendurch – zu manövrieren, aber die Neue Welt hielt einige Überraschungen bereit. Und jetzt stecktet ihr mit dem Schiff seit zwei Tagen mitten im tiefgefrorenen Meer fest und musstest warten, bis sich die Bedingungen etwas verbessert hatten. Es war beinahe 20 Grad unter Null, demnach war es keine Option das Eis einfach zu zerbrechen. Du hattest ja mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas!
Mit roter, laufender Nase huschtest du in deinem dicken Mantel zurück unter Deck zur Kajüte des Kapitäns Hawkins. Zitternd und bibbernd klopftest du an die hölzerne Tür und in der gleichen Sekunde rief er schon, dass du herein kommen solltest.
„Kapitän, es sieht noch immer nicht gut aus! Ich kann nicht sagen wann wir wieder segeln können.", berichtetest du und konntest nur an einen heißen Tee denken. Dir war so kalt, deine Finger konntest du kaum spüren!
Der Blonde saß an seinem Kartentisch und sah aus dem verschneiten Fenster hinaus. Sein Blick streifte dich nichtmal, als er sich seinen Karten zuwandte und sie nach dem Mischen neu legte. Gespannt wartetest du darauf, was er voraussagte.
„Die Chance, dass wir innerhalb der nächsten Woche wieder auf freier See sind, stehen bei 5 Prozent.", murmelte er und schien es mehr zu sich selbst als zu dir zu sagen. Er war immer so in seiner eigenen Welt, dachtest du und musstest lächeln.
„Du wirst krank werden." Sein Blick war plötzlich starr auf dich gerichtet und überrascht zogst hieltst du in der Bewegung inne, mit der du grade deinen Mantel ausziehen wolltest.
„Ich werde nicht krank! Ich war immer warm angezogen!", entgegnetest du, aber ein Teil von dir wusste das alles, was der Kapitän voraussagte, wahr war. Aber du wolltest nicht krank werden, verdammt!
„Wirst du aber. Du solltest dich lieber hinlegen, es gibt zurzeit sowieso nichts zu navigieren.", fuhr er fort und begann wieder die Karten zu mischen. Mit einem Seufzen verließt du seine Kajüte und zogst dich in deine eigene kleine Kammer zurück. Als die einzig Frau an Bord hattest du das Privileg dein eigenes Schlafzimmer zu haben – wofür du auch durchaus dankbar warst. Die Mannschaft bestand nicht aus Heiligen und der Kapitän war der einzige Mann an Bord, der dir nicht wie ein räudiger Hund hinterher kroch. Das lag einerseits an seinem ruhigen und gelassenen Gemüt, andererseits kanntet ihr euch schon seit eurer Kindheit und das hatte eurer Verhältnis zu einer Freundschaft werden lassen. So gut du ihn auch kanntest, er war doch ein sehr seltsamer Mann. In eurer Jugend warst du schrecklich verliebt in ihn, doch das hatte sich mit der Zeit gegeben. Teenager-Liebe hielt doch nie!
Aber seit etwa 6 Monaten war da wieder dieses Kribbeln – das tatest du aber mit einem verstimmten Magen ab. Sicher nur etwas schlechtes gegessen, keine Liebe, bloß nicht. Natürlich war dir klar, dass kein verstimmter Magen ein halbes Jahr lang hielt, aber Ausreden für dich selbst erfinden, darin warst du unschlagbar!
Mit einem Ächzen warfst du dich auf dein Bett mit der weichen Wolldecke und seufztest schwer. Ein Nickerchen war jetzt sicher nicht verkehrt – immerhin dauerte es noch lange bis zum Abendessen! Und wenn es Probleme gab, hatte nie einer deiner Nakama ein Problem damit, ohne zu Klopfen in deine Kajüte zu stürmen, in der Hoffnung dich beim Umziehen zu erwischen.


Als du wieder aufwachtest, war es draußen schon dunkel. Du runzeltest die Stirn, als du aus deinem Bullauge lugtest. War es denn wirklich schon so spät?

Doch als du aufstandest, erfasste dich ein starker Schwindel und schnell setztest du dich zurück auf die Matratze. Die böse Gewissheit beschlich dich, dass Hawkins mal wieder recht behalten hatte. Der drückende Schmerz in deinen Gelenken und die Benommenheit konnten nur bedeuten, dass du dir tatsächlich eine dicke Erkältung eingefangen hattest.
„So ein Mist...", fluchtest du und torkeltest in Richtung Kombüse, um euren Smutje nach einer ganzen Kanne heißen Tees zu fragen.
Die wenigen, die noch vom Abendessen im Gemeinschaftsraum zusammen saßen blickten aus ihren Gesprächen auf, als du herein wanktest.
„Alles in Ordnung?", fragte dich Moku, der dir am nächsten saß.
„Geht schon.", grummeltest du und wolltest weiter zum Smutje, als du über deine eigenen schlurfenden Füße stolpertest und Moku dich vor einem schmerzhaften Sturz bewahren musste.
„Lass nur, ich werd Hanji um etwas Tee bitten. Geh du ins Bett!", wies er dich an und verlegen nicktest du. Auch wenn sie alle versuchten einen Blick auf deine Unterwäsche zu erhaschen, wenn es ernst war konnte man sich wirklich auf diese Idioten verlassen! Und du musstest wirklich schrecklich aussehen wenn sie so freundlich zu dir waren...


Die Erkältung hatte es in sich! Dein Fieber war stark gestiegen und das Zimmer drehte sich sogar wenn du in deinem Bett lagst! Zwar war es nur eine ganz gewöhnliche Erkältung, aber trotzdem wurdest du von deinen Nakama belagert und sie versuchten deine Zuneigung durch Pflege und Hilfsbereitschaft zu erlangen. Nach zwei Stunden dämlichen Geplapper hattest du absolut die Nase voll und warfst sie allesamt aus deinem Schlafzimmer raus.

Dein lautes Geschrei und die vor deiner Wut fliehenden Männer erregten auch die Aufmerksamkeit des Blonden, der sich erbarmte und dir am dritten Abend einen Besuch abstattete. Er klopfte – im Gegensatz zu der gesamten Crew – an deine Tür, bevor er eintrat und schloss sie auch wieder hinter sich, um dich arme Bettlägrige vor den Augen seiner Leute zu schützen.
„Entschuldige bitte, dass sie so aufdringlich sind."; seufzte er und ließ sich an deiner Bettkante nieder.
„Schon okay.", murmeltest du und kuscheltest dich tiefer in deine Kissen ein. „Sie meinen es ja nicht böse."
„Das kommt davon, dass du eine Frau bist. Ich hätte einen männlichen Navigator nehmen sollen.", neckte er dich und du vergoltest es mit einem Tritt.
„Blödmann.", knurrtest du und richtetest dich auf. Mit einem genießerischen Schlürfen leertest du deinen Becher mit Tee und seufztest.
„Mir wird es bald besser gehen, dann kann ich auch wieder mit anpacken hier an Bord."; versichertest du ihm mit einem Lächeln. „Darum bist du doch hier, oder?"
„Ich bin wegen etwas anderem hier.", erwiderte er dir und erstaunt sahst du ihn an. Was meinte er denn damit? Was hätte ihn sonst hierher verschlagen? Sein Blick huschte verräterisch zu seinen Karten und du brummtest enttäuscht. Also war es nichtmal seine eigene Idee gewesen, dich zu besuchen...
„Immer diese blöden Karten!", knirschtest du, doch er zuckte nur mit den Schultern.
„Ohne die wärst du nicht auf diesem Schiff, du solltest nicht schlecht über sie reden."
„Pff, dass ich nicht lache! Die können doch nicht immer recht haben!"
Du sankst zurück in dein Bett und schuldbewusst starrte er zu Boden. Auch wenn er ein seltsamer Vogel war, er wusste ganz genau dass mit dir nicht zu spaßen war wenn er dich verärgerte!
„Ich wette dass du auch von einer Klippe springst wenn deine dämlichen Karten es dir sagen! Oder dass du dir von jemanden in den Kopf schießen lässt! Oder zu mir unter die Decke steigst und mit mir kuschelst bis ich einschlafe!", fauchtest du gereizt und verschränktest die Arme vor der Brust. Richtig wütend warst du inzwischen auf ihn und das nur wegen seines scheiß Spielzeugs!
„Hmm." Du wusstest nicht, ob er das tat um dich zu ärgern, aber er begann wirklich wieder die Karten zu mischen und auszulegen – dieser Idiot!
Du machtest jedoch große Augen, als er aufstand, sich seinen Mantel und die Stiefel auszog und kurzerhand zu dir unter die Decke kam.
„Was machst-!"
„Ja, ich würde auch sowas tun wenn mir die Karten es sagen.", schnitt er dir das Wort ab und du spürtest, wie er dich in die Arme zog. Knallrot – und das nicht vom Fieber! - wusstest du nicht wie du jetzt reagieren solltest.
„Ist das dein ernst?!", quiektest du. „Lass mich die Karten sehen, sofort!" Du langtest nach dem kleinen Stapel auf deinem Nachttisch, doch er fing deine Hand ab und sah etwas verlegen zur Seite.
„Nein!"
„Doch!"
„Ich hab Nein gesagt!"

Love Without Your HeartbeatWhere stories live. Discover now