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James hatte gar nicht wirklich realisiert, was passierte, als letztendlich die Tür zum Büro des Direktors vor seiner Nase zuknallte. Er hatte sich so verzweifelt bemüht, mehr herauszufinden, über die Morde, über die verschwindenen Menschen, und jetzt sollte das alles umsonst gewesen sein?
James konnte das nicht akzeptieren, er wollte es auch gar nicht versuchen.
Zu viel Arbeit hatte er hineingesteckt in ihre Nachforschungen, zu viel Streit hatte es gegeben, als dass er jetzt, nur weil Dumbledore es sagte, aufgeben würde.
Er schnaubte laut und verächtlich, starrte noch einmal auf das Holz der Tür und drehte sich dann auf dem Ansatz um.
"James! Wo willst du hin?", hörte er Peters zittrige Stimme hinter sich, doch er beachtete sie nicht.
Es gab genau einen Menschen, mit dem er jetzt noch reden wollte.
Einen Menschen, der ihm helfen konnte, und es auch tun würde, egal wie sehr er sich wehren würde.
James würde nicht zulassen, dass er noch einen Rückschlag erlebte. Und wenn das bedeutete, dass er Nachsitzen müsste - na bitte. Und wenn er von der Schule fliegen würde - was sollte das schon ändern.
Die Lehrer weigerten sich doch eh, die Schüler auf die Verbrechen da draußen vorzubereiten.

Die Gänge von Hogwarts wurden dunkel, genauso wie der Himmel, als es dämmerte und James immer noch auf der Suche nach Sirius Black war.
Er hatte bereits den Gemeinschaftsraum abgesucht, ihr Zimmer, die unteren drei Stockwerke von Hogwarts, die Große Halle und bei Hagrid war er auch gewesen.
Langsam begann er, sich ernsthafte Sorgen zu machen, dass Sirius vielleicht abgehauen sein könnte, oder einer seiner Familienmitglieder ihm etwas angetan haben könnten, dass er gerade ein Todesser wurde.
Dabei wusste James noch nicht mal, was das war. Und er war sich nicht einmal sicher, ob er es jemals erfahren wollte, denn dann wüsste er, wen er zur Verantwortung ziehen konnte und dann würde er an der Front in diesen Kampf marschieren, um Sirius zu retten. Doch er wusste es nicht, und vielleicht war das auch besser.
Jede einzelne von James' Adern pulsierte und seine mitlerweile kalten Hände zitterten und schwitzen unter dem Druck, den er sich selbst machte.
Er würde nicht zu den anderen gehen, bevor er nicht das mit Sirius geklärt hatte, was zwischen ihnen stand.
In seine Gedanken vertieft hatte der Junge nicht bemerkt, dass seine Beine ihn entschlossenen Schrittes auf den Astronomieturm geführt hatten.
Er war hier schon oft gewesen, letztes Schuljahr, jedoch meist außerhalb des Unterrichtes. Er genoss den Wind, der durch die stützenden Säulen pfiff und den Ausblick über das gesamte Gelände von Hogwarts. Wenn man sich an den Rand der Plattform lehnte, konnte man nicht nur den Dunklen See betrachten, sondern auch den Wald und Hagrids Hütte, die Eulerei, man sah sogar die Berge und die Bahngleise schräg hinter dem Wald und der Sonnenuntergang warf über all das ein warmes, rotes Licht, sodass nur noch die hellblauen, teilweise schon dunklen Wolken bon der Tageszeit zu unterscheiden waren.
Doch heute war James' Aussichtspunkt schon besetzt.
Sirius stand genau in dem Licht, dass der Rest der Sonne auf das Schloss warf und James brauchte ein paar Sekunden um den dunklen Schatten zu erkennen.
Er hatte ihn gefunden.
Langsam und so leise wie möglich versuchte er, neben seinen Freund zu treten, doch sein Körper stand immernoch unter Strom, seine Knie zitterten und Angst packte ihn.
Bis gerade eben war er noch fest entschlossen gewesen, Sirius zur Rede zu stellen, alles aus ihm heraus zu quetschen. Doch jetzt, wo er die hängenden Schultern und den gesenkten Kopf dieses kleinen Jungen sah, fühlte er sich selbst nicht mehr so klein, obwohl er wusste, dass sie gleich alt waren. Und er hatte Mitleid. Mit Sirius, aber auch mit allen anderen Freunden die er hatte, selbst mit Evans.
Er wollte Sirius nicht mehr anschreien, nicht jetzt, wo doch genau in diesem Moment eine geliebte Person verschleppt oder getötet werden könnte, und man nicht einmal wusste, von wem.
James kam ebenfalls am Rand des Daches zum Stehen und sah seinen Freund von der Seite an. Seine Augen waren rot und leicht geschwollen und James wusste, dass er ihn bemerkt hatte, doch Sirius sah ihn nicht an.
Er öffnete nur leicht den Mund und James erschrak, als er seine die raue und aufgebrauchte Stimme hörte.
"Hast du mich doch gefunden, ja?"
James nickte und sah, wie Sirius Kopf sich leicht in seine Richtung drehte, jedoch schaute er James immer noch nicht in die Augen.
"Sirius.", er suchte nach den richtigen Worten, um ein Gespräch anzufangen, doch was ihm früher leicht viel, war für ihn jetzt die pure Qual. "Dir ist bewusst, dass ich dich ein ganzes Stück mehr lieb habe, als du denkst, oder?"
Sirius Mundwinkel zuckten und er schnaubte verächtlich, so wie James es vor Dumbledores Büro getan hatte. "Das würdest du nicht mehr, wenn du wüsstest, wovür meine Familie, mein Blut verantwortlich ist."
"So schlimm kann es doch nicht sein. Ich kenne doch die Meisten. Andromeda, Zissy, Du. Ihr seid doch ganz anders als der Rest und -"
Endlich sah Sirius nach oben, direkt in James Augen, mit einem leidenden, qualvollem Blick. "James, dein Vater wurde angegriffen! Verstehst du das?" Er presste für einen Moment die Lippen aufeinander, doch er sprach weiter. "Sie haben ihn abgefangen, nachdem er dich zum Gleich 9 3/4 gebracht hat und er liegt im Mungos! Verstehst du? Daran ist meine Familie Schuld! Meine Eltern, meine Onkel! Ich habe euch da mit hineingezogen, er wurde angegriffen, weil er mich aufgenommen hat."
In James Kopf piepte stetig ein Ton, wie eine kleine, leise aber nervige Sirene. Sein Vater lag im Mungos? Warum hatte ihm das niemand gesagt?
"Und wenn ich weiter in eurer Nähe bleibe, dann werden mehr Leute verurteilt, am Ende auch noch ihr. Verstehst du? Ich zieh euch da in einen Kampf hinein, den ihr nicht gewinnen könnt und ich möchte nicht, dass einer von euch verletzt wird. Geschweigedenn eure Familien."
Sirius war im Laufe seiner Rede immer lauter geworden, doch den letzten Satz hatte er beinahe geflüstert, seine Stimme hatte immer mehr gezittert und war am Ende dann doch gebrochen.
James hatte nicht gemerkt, wie ihm eine Träne über die Wange lief, als auch schon die Nächste folgte. Nach all den Todesopfern, die sein Vater untersucht hatte, war nun er selbst Opfer eines Angriffes geworden.
Hilfe suchend sah James sich um, wohlwissend, dass außer ihm und Sirius niemand mehr außerhalb seines Gemeinschaftsraums war.
"Warum hat mir das niemand gesagt? Dumbledore muss es doch gewusst haben, wir haben vorhin mit ihm geredet, Remus, Peter, Ich..."
"Ihr habt Dumbledore von den Todessern erzählt?", fragte Sirius entsetzt, doch im nächsten Moment wurde ihm klar, wieso, ohne dass James sich rechtfertigen musste.
"Du hast uns ja nichts mehr verraten, und irgendwie wollten wir wissen, wobei wir dir überhaupt helfen müssen, denn es stand fest, dass wir dir helfen werden."
"Todesser sind die Anhänger des Dunklen Lords. Die Meisten sind aus meiner Familie. Sie sind wie eine Armee. Mehr weiß ich auch nicht, nur dass es mir vorbestimmt ist, ebenfalls einer zu werden."
Sirius beichte kam unvermittelt und James wusste ein paar Sekunden lang nicht, was er auf die leisen Worte seines Freundes erwidern wollte, doch Sirius sprach weiter.
"Die Todesser vollführen Aufträge für ihn. Sie morden auch für ihn. Wahrscheinlich war einer von denen es, die deinen Vater verletzt haben. Als eine Art Warnung an deinesgleichen. Ich weiß allerdings nicht, warum dir das noch niemand gesagt hat." Sirius schüttelte mit dem Kopf und blickte wieder hinaus in die Landschaft. "Es ist besser für dich, wenn du dich von mir fernhälst. Ich bring dir nur Unglück."
Jetzt schüttelte James mit dem Kopf und legte von der Seite seine Arme um Sirius' Schultern. "Vergiss es. Remus, Peter und ich haben beschlossen, dass wir dir helfen, und daran lässt sich nichts ändern. Nicht einmal die Tatsache, dass deine Familie aus Idioten besteht." Auch James blickte nun über den See, das Wasser glitzerte in den letzten Minuten der Sonne, doch es waren immer noch schwarze Tiefen, undurchdringbar. "Du bist anders, Sirius. Und das musst du denen zeigen. Hau ihnen einfach ins Gesicht."
Jetzt lachte Sirius. Er lachte lange und erleichtert und James fragte sich, wie lange er das wohl schon nicht mehr getan hatte.
Als seine Schultern aufgehört hatten, unkontrolliert zu zucken, blickte er James von der Seite fragend an. "Ihr bleibt also bei mir?"
"Bis ganz zum Schluss, versprochen."
Die beiden Jungen lächelten sich an, doch dann veränderte sich Sirius' Blick erneut.
"Wo sind eigentlich die anderen?"
"Oh, die... die hab ich seit unserem Gespräch mit Dumbledore nicht mehr gesehen", beichtete James nervös und schlug sich in Gedanken selbst für seine Unachtsamkeit. "Aber Remus muss heute eh wieder nach seiner kranken Mama schauen, der müsste gleich da unten durch kommen" Er zeigte hinunter, in Richtung des Eingangstores von Hogwarts.
"Lass uns hier warten und uns dann von ihm verabschieden. Wir können ja laut genug schreien."
"Haben wir ja oft genug bei McGonagall bewiesen."
Wieder lachten sie beide, genauso ausgelassen, wie sie es immer getan hatten, und setzten sich auf den ausgekühlten Boden, die Beine an der Kante hinunterhängen lassend.
Von da an redete keiner mehr. Schweigend beobachteten sie, wie das Licht der Sonne sich immer mehr bündelte und letztendlich ganz hinter den Bergen verschwand, doch Remus tauchte nicht auf.
Gerade wollten sie aufstehen und zurückgehen, denn es war dunkel und sie würden Ärger bekommen, wenn sie im Schloss herumwandern würden, da gab es einen lauten Knall und die beiden Jungs wussten, dass dies das Eingangstor gewesen sein mussten. Sie krochen zurück an die Grenze und blickten hinunter, nur um kurz darauf wieder zurückzuzucken.
Ja, Remus lief da unten, doch neben ihm war Professor McGonagall, mit Adleraugen auf der Suche nach Beobachtern.
Sirius Augen sprühten vor Verwirrung und ungeklärter Fragen, als er James ansah, doch James war mindestens genauso neugierig.
Sie machten sich ganz klein und verfogten den Weg der Professorin und ihres Freundes, die wider erwarten nicht in Richtung der Kutschen liefen, um Hogwarts zu verlassen. McGonagall führte Remus an der anderen Seite des Sees entlang, an Hagrids Hütte vorbei und kurz vor der Peitschenden Weide, die Sirius und James bereits im ersten Jahr schmerzvoll kennengelernt hatten, verschwanden sie aus dem Blickfeld der beiden Jungen.
"Was war das denn bitte? Wo bringt sie ihn hin?"
Sirius schüttelte mit dem Kopf, seine Augenbrauen zusammengezogen.
"Keine Ahnung, aber lass uns auf unser Zimmer gehen, bevor sie zurück kommt und uns im Schloss erwischt. Wir haben ihr versprochen, ihr ein paar Wochen Ruhe zu gönnen."

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