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Cygnus Blacks mehr als überrumpeltes Gesicht am nächsten Morgen, als James verschlafen, mit vom Weinen geschwollenen Augen und zerknitterter Kleidung neben Narcissa ins Wohnzimmer trat, war Gold wert.
Er hatte in dieser Nacht kein Auge zu gemacht, selbst als Narcissa an ihn gekuschelt eingeschlafen war.
James hatte sie beobachtet. Die beiden hatten in Hogwarts kaum mehr miteinander geredet, nur noch in Zaubertränke, wenn sie besprochen hatten, wer von ihnen welche Zutaten holen sollte. Und nun hatte er hier Zuflucht gefunden, ohne auch nur das kleinste Zögern.
Er war zu der Familie geflohen, aus der Sirius am Liebsten abhauen würde.
Und immer weniger verstand er seinen besten Freund. Bis er am nächsten Morgen Cygnus begegnete.
Zissys Vater entwickelte innerhalb einer Minute eine wahnhafte Wut, deren Verlauf man an seinem sich immer mehr verkrampfenden Gesicht ablesen konnte. Seine Hände krallten sich in seine Ausgabe des Tagespropheten und seine Knöchel traten weiß hervor.
Auf der Rückseite konnte James die Schlagzeile des Tages erkennen.
Neue Todesopfer. Muggelstämmige ermordet.
Die Seiten rissen an den Stellen ein, an denen Cygnus seine Finger anspannte.
"Narcissa, würdest du mir die Ehre erweisen, mir zu erklären, was hier vor sich geht?"
Seine dunkle, raue Stimme klang angespannt, betont sarkastisch und viel zu friedlich.
Narcissa trat vor, ihre hellblonden Haare waren unordentlich zusammengebunden und massenweise Strähnen hingen ihr über das Gesicht.
Hinter sich hörte James wie Andromeda die Treppen herunterkam und während Zissy den Mund aufmachte, legte sich die Hand ihrer großen Schwester beruhigend auf James' Schulter.
"James Potter ist gestern spät nachts hier aufgetaucht, Vater. Er hatte Streit mit seinen Eltern, wir konnten ihn doch nicht wieder zurückschicken"
Die Stimme des sonst so selbstbewussten Mädchens klang zittrig und vorsichtig.
"Wir?"
"Narcissa und ich. Ich habe die Tür geöffnet.", berichtete nun auch Andromeda. Sie klang wesentlich überzeugter. James fragte sich, wie oft sie wohl schon mit Cygnus in diesem dunklen, viel zu großen Wohnzimmer gestritten hatte.
"Und keiner von euch beiden besaß die Freundlichkeit, eure Mutter oder mich nach Erlaubnis zu fragen?"
An seiner Stirn traten zwei dicke, blaugrüne Adern hervor, die einen gewaltigen Gegensatz zu seinem hochroten Kopf bildeten. James wusste, dass er auch etwas sagen sollte, dass er die beiden Mädchen verteidigen sollte, doch er wusste nicht wie.
Immer wieder öffnete er den Mund und schloss ihn kurz darauf wieder, während Zissy den Kopf senkte.
"Entschuldige, Vater."
Andromeda sagte nichts. Sie schnaufte verachtend, aber nur so leise, dass gerade mal James es hören konnte.
Cygnus Blick richtete sich nun auf den mitgenommen aussehenden James Potter und in seinen Augen konnte man ihm ansehen, dass er sich an jedes der Worte, die der Knabe an den Geburtstag von Bellatrix gesagt hatte, erinnerte.
Er schien kurz zu überlegen und sagte dann mit leiser, resignierter Stimme:
"Andromeda. Nimm ihn mit in die Küche und mach ihm etwas zu essen. Danach soll er nach Hause gehen."
Andromeda nickte und schob James bestimmt weiter, ohne sich umzudrehen, nach rechts in die mindestens genauso große Küche.
James drehte den Kopf über seine Schulter und während er weter gedrängt wurde, sah er noch einmal Zissys ängstlichen Gesichtsaudruck, bevor er um die Ecke verschwand.
Andromeda schloss schwungvoll die Tür, sodass ihre langen Haare nach hinten wehten und ein blumiger, frischer Duft in James Nase kroch.
Als das Mädchen sich umdrehte lächelte sie nicht.
"James, was tust du hier? Ich hatte dir doch gesagt, dass es dir hier nicht besser gehen wird."
"Ich musste einfach weg."
Wieder seufzte Andromeda und lief an dem so viel jüngeren James vorbei, hinter die Arbeitsfläche und öffnete einen Schrank, in dem unterschiedliches Gebäck gelagert wurde.
Nun fiel James in der Ecke auf ein paar Kissen die schrumplige, braune Kreatur auf. Der Hauself der Familie lag dort gemütlich in seinem dreckigen Stofffetzen und beobachtet mit unterkühltem Blick, wie Andromeda für James ein kleines Frühstück vorbereitete.
"Müsste das nicht der  Hauseld machen?", fragte er und musterte das schlanke Mädchen besorgt.
Sie blickte kurz auf, ihre Mundwinkel zuckten und sie schaute James auf traurigen, grauen Augen an.
"Der Hauself steht hier über mir. Ich muss die meiste Arbeit machen."
"Aber wieso? Deine Eltern legen doch so viel Wert darauf, dass man ihnen dient."
"Sie legen auch viel Wert darauf, dass man die Blutslinie ehrt."
Das Messer in ihrer Hand sägte schnell und zittrig durch ein Brötchen.
Auf einmal wusste James, wieso Andromeda auf einmal so viel an Wert verloren hatte.
"Sie haben das von dir und diesem Ted erfahren oder?"
Er fragte leise, besorgt. Sein Blick war voller Mitleid. Er hatte die beiden oft in Hogwarts gesehen, wenn die beiden dachten, sie wären unbeobachtet.
Ted Tonks war ein muggelstämmiger Hufflepuff. Er war liebevoll und hilfsbereit, kümmerte sich um die Erstklässler, wie James einer gewesen war.
Und natürlich war er das schlimmste, was Andromeda sich hätte heraussuchen dürfen.
"Ja, haben sie. Und glaub mir einfach, wenn ich dir sage, dass ich froh bin, in ein paar Wochen wieder nach Hogwarts zu gehen." Sie reichte James einen voll beladenen Teller. "Iss. Und danach geh. So schnell wie möglich. Wenn du Glück hast, berichtet mein Vater niemandem davon."
James war klar, dass er Zissy in Schwierigkeiten gebracht hatte. Er konnte nun ihre Mutter schreien hören.
Und ihm war auch klar, dass, falls Cygnus niemandem etwas erzählen sollte, es nur purer Eigennutz war.
James könnte den Namen der Blacks beschmutzen. Und daher durfte niemand etwas von seiner Anwesenheit erfahren.
"Und was ist mit dir? Du siehst nicht gerade... glücklich aus."
Fast hätte James gesund gesagt. Andromeda hatte noch tiefere Augenringe bekommen und war noch dünner geworden, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie wirkte müde. Komplett erschöpft, und das nicht nur körperlich.
Wieder einmal seufzte sie, diemal jedoch viel hoffnungsloser.
"Ich komme schon klar, es ist ja nur noch ein Jahr, dann kann ich abhauen. Pass du lieber auf Sirius auf."
Es fühlte sich an, als würden sämtliche Adern in James' Körper gefrieren.
Er hatte die Ferien über noch nichts von Sirius gehört, es war, als würde sein bester Freund nicht mehr existieren. Und James machte sich gewaltige Sorgen. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie groß der Ärger war, den Sirius Zuhause hatte.
Und nun diese Andeutung...
"Was meinst du?"
"Denkst du ernsthaft, er wird nach den Ferien immernoch so sein, wie davor? Er hat ein ganzes Jahr lang seine Familie erfolgreich gemieden, und nun haben seine Eltern sechs Wochen lang Zeit, all die Wut und den Frust an ihm auszulassen. Orion wird höchstwahrscheinlich einfach nicht mehr mit ihm reden, vielleicht maximal ein paar Ohrfeigen"
Maximal?, dachte James und wollte gerade etwas sagen, als das Mädchen auch schon weiter sprach, die Stimme frostig und gedämpft.
"Aber bei Walburga bin ich mir nicht sicher. Ich kann bei meinen Eltern im Vergleich zu ihr noch von Glück reden, sie behandelt Sirius und Regulus wie Dreck. Sie wird deinen lieben Schulkameraden hirnwaschen und foltern, bis er aufgibt. Er wird sich in der Schule anders verhalten, genauso wie ich es damals getan habe. Ich habe versucht, wie ein Reinblut zu wirken. Doch ich bin daran zugrunde gegangen. Mich hat Teddy gerettet, aber Sirius ist so gut wie allein. Er hat nur dich. Also bitte lass ihn nicht fallen. Zeig ihm, was Liebe bedeutet."
Und mit diesen Worten drehte sie sich um und ging aus dem Raum und ließ James mit seinem offenem Mund sitzen, den Bissen Brötchen halb zerkaut sichtbar und die Gedanken in seinem Kopf verrückt spielend.

The Marauders - From the beginningWhere stories live. Discover now