28

41 3 2
                                    

Als James sich aus dem Haus der Familie Black schlich, so leise wie möglich, damit nicht auch noch Bellatrix ihn bemerkte (dann würde ganz Hogwarts von seinem Besuch wissen, Merlin bewahre), überlegte er kramphaft was er tun sollte. Er hatte Angst, höllische Angst davor, wieder Zuhause aufzutauchen. Als er letzte Nacht Narcissa von dem Streit erzählt hatte, erschien ihm alles auf einmal so viel weniger schlimm. Er hatte vollkommen überreagiert, Fleamont würde außer sich sein, wenn er nicht schon eine Suchmeldung nach James herausgegeben hatte. Und Euphemia war bestimmt total besorgt. James hatte solche Schuldgefühle, er traute sich nicht seinen Eltern jetzt schon wieder unter die Augen zu treten.
Zu Remus und Peter konnte er auch nicht, die beiden hatten sich in den Ferien nicht ein einziges Mal gemeldet und er wusste auch gar nicht wo genau sie wohnten.
Er wollte zu Sirius, er wollte wissen wie es ihm ging, ob seine Mutter wirkloch so schlimm war wie Andromeda angedeutet hatte.
Die hohe, dunkle, mit Mustern verzierte Decke im Eingangsbereich des Hauses erinnerte James an die Geburtstagsfeier, die er mit Walburga und Orion verbracht hatte.
Die große, verkrampft aussehende Frau hatte nie gelacht, auch nicht gelächelt, nicht mal ihre Mundwinkel hatten gezuckt. Sie hatte kaum geredet, und wenn, dann in einer kratzigen, schrillen Stimme und so arrogant, dass sie James schon von Anfang an genervt hatte. Sie hatte ihren jüngeren Sohn Regulus mit herablassenden Blicken gewürdigt und allgemein jeden abschätzig angeschaut.
Ihr Mann Orion hatte dauernd geredet, auch gelacht, wenn auch selten. Er hatte wenigstens wie ein Mensch gewirkt. Ein Mensch, der krampfhaft versucht hatte, seinen Namen zu bewahren. Jeder Frage nach Sirius, jeden neugierigen Blick, jedes Thema um seine Treue hatte er gemieden. Er hatte sich nicht anmerken lassen, dass etwas in seiner Familie nicht stimmte. Zwar wusste jeder von der Zuteilung von Sirius durch den sprechenden Hut, allerdings schienen sie alle die stille Vereinbarung getroffen zu haben, dass dies nur eine Fehlentscheidung und keineswegs berechtigt gewesen war.
Alle Hoffnung schien auf Regulus zu liegen. Und Regulus war so nett zu James gewesen. Die beiden hatten einen Moment genutzt, in dem sie alleine gewesen waren, und sofort hatte der Kleine sich nach seinem großen Bruder erkundigt. Sie hatten vor der Garderobe gestanden, von der James sich nun seinen Mantel nahm.
Frustriert dachte er an Regulus zurück, so alleingelassen und besorgt um die Zukunft, wie es ein Neunjähriger nur sein konnte. Er hatte so erwachsen gewirkt, als hätte man ihm seine komplette Kindheit geraubt. Ihm war bewusst gewesen, dass er nach Slytherin musste, dass er den Namen der Blacks schützen musste, und trotzdem hatte James ihm angesehen, dass er viel lieber jemand anders wäre. Der Neid auf James' Herkunft, seine Eltern, seine Freiheit, standen in dicken, fetten Buchstaben in den silbrig blauen Augen des Kleinen.
Als James nun die Tür öffnete, seinen Besen fest in der Hand und durch die plötzliche Kälte zitternd, verstand er seine eigenen Handlungen nicht mehr. Wieso war er abgehauen? Obwohl es ihm Zuhause doch so viel besser ging?
Wie verwöhnt bin ich bitte?!
Und gerade als er die ersten Schritte nach vorn machte, hörte er, kurz bevor die massive, dunkle Flügeltür zuknallen konnte, eine leise, traurige Stimme seinen Namen rufen.
Überrascht drehte James sich um und viel zu hastig hielt er die Tür auf, als er Narcissa durch die Halle rennen sah, sodass sein Besen aus seiner Hand fiel und scheppernd zu Boden ging.
"James.", schnaufend kam das Mädchen vor James zum Stehen.
James wollte etwas sagen, wirklich, doch er wusste nicht, was. Er sah nur aus schuldbewussten Augen zu ihr herunter und verfluchte sich selbst.
Auch Narcissa sagte nichts, sie schien vergessen zu haben, was sie von ihm wollte.
Die beiden starrten sich nur wortlos in die Augen.
Und dann fiel sie James auf einmal um den Hals, so schwungvoll, dass James fast neben seinem Besen gelandet wäre.
Überrumpelt legte er die Arme um sie, ihre blonden Haare kitzelten ihn in der Nase und ein paar klebten an seinen Lippen.
Er hatte schon Mädchen umarmt, Marlene fast jeden Tag. Doch bei Zissy war das anders. Er konnte ihr Herz klopfen hören und er war sich beinahe sicher, dass sie sogar leise weinte.
Und er wusste einfach nicht, was er tun sollte.
Und er wusste auch nicht, wie lange sie so da standen, bis sie sich von ihm löste und ihn in einer Mischung aus Lachen und Weinen ansah.
"Danke, Zissy. Danke, dass ich hier bleiben durfte. Ich wollte wirklich nicht, dass du Ärger bekommst."
Sie lachte leise, irgendwie bitter.
"Keine Sorge, so schlimm war das nicht. Du kannst jederzeit wiederkommen, egal was Vater sagt."
James lächelte nur und sah sich nervös auf dem Grunstück um, während er sich durch die Haare fuhr.
Wieder kicherte Zissy.
"Deine Haare sehen jetzt lustig aus, so zerzaust. Solltest du öfters machen"
James lächelte nur schräg, hob seinen Besen auf und ging über das Grundstück zu dem Eingangstor, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Und auf einmal war er sich sicher.
Er würde wieder nach Hause gehen.

"JAMES FLEAMONT POTTER !"
Euphemia hatte den Bruchteil einer Sekunde nachdem James an seine Haustür geklopft hatte, diese aufgerissen und beinahe sofort angefangen zu schreien.
Ihre Augen waren verweint, ihre Augenbrauen besorgt zusammengezogen, genauso wie James befürchtet hatte.
Und trotzdem lag in ihren Augen etwas wütendes, vorwurfsvolles, das James einen gewaltigen Respekt verschaffte. Er wagte nicht, mit der Wimper zu zucken und sein Kopf rutschte immer mehr zwischen seine Schultern.
"Wie kannst du nur - WIE - kannst du es wagen, einfach so abzuhauen?! Dein Vater und ich waren krank vor Sorge! Kein Zettel, das Bett leer, keine Spur von dir! Dir hätte weiß Merlin was passieren können! Gerade jetzt, gerade jetzt wo doch so eine Gefahr da draußen ist!"
Überschwinglich griff sie nach James rechtem Arm, drückte kräftiger als er es seiner Mutter zugetraut hätte, zu, und zog ihn in den Flur.
Noch bevor James sein Gleichgewicht wiederfand und sich umdrehen konnte, hörte er die Türe zuknallen.
"Mum..."
"NEIN! Du hast uns beiden eine solche Angst eingejag! Dein Vater wollte gerade eben eine Suchmeldung nach dir veröffentlichen! Wo warst du?!"
"Ich war bei Zissy- ich meine Narcissa und..."
"Du warst bei den Blacks?!"
Die Sorge war aus den Augen von James' Mutter verschwunden und hatte Platz für blanke Wut und Entsetzen gemacht.
"Ist dir denn zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, dass gerade diese Familie am gefährlichsten sein könnte?! Du- "
"ABER WARUM DENN? Warum ist das alles so gefährlich? Was ist da los? Wieso werden so viele Menschen ermordet? Warum darf ich nicht zu Narcissa?"
Euphemia starrte ihren Sohn mit offenem Mund an. Ihr schien nie der Gedanke gekommen zu sein, dass ihr kleiner Junge - er war doch erst 12 - sich Sorgen um diese Welt machen könnte. Und ihr wurde schmerzhaft bewusst, dass er vielleicht sogar das Recht dazu hatte, sich um seine Zukunft zu Sorgen.
"James... da draußen ist etwas. Ein Zauberer. Niemand weiß genau wer er ist, aber das wird sich wahrscheinlich schon bald ändern. Er tötet Muggelstämmige. Und... Blutsverräter. Und jetzt schau dir deine Großmutter an. Dorea war vielleicht eine Black, doch dein Vater hat sich dieser Familie abgewendet. Wir müssen vorsichtig sein. Noch gelten wir nicht als Blutsverräter, aber wenn du weiterhin bei den Blacks auftauchst, werden sie misstrauisch."
Und kurz bevor sie fertig war mit Reden, betrat Fleamont Potter den Flur, und Euphemia nutze die wenigen Sekunden, bevor auch ihr Ehemann anfing, James anzuschreien.
"Da zieht etwas auf, James. Und keiner weiß wie gefährlich es wird."

The Marauders - From the beginningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt