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Es hatte eine Weile gedauert, bis James seinen Vater dazu gebracht hatte, seinen Sohn zusammen mit Remus ohne Erwachsenen in die Winkelgasse zu lassen.
Euphemia hatte von der ganzen Diskussion nichts mitbekommen und sollte nach Absprache in dem Glauben bleiben, Remus' Vater wäre dabei, um für die Sicherheit der beiden Jungen zu sorgen.
James und Remus waren in einen Laden in der Winkelgasse gefloht, es war ein widerliches Gefühl gewesen, ganz anders als auf einem Besen zu fliegen. Mit Flohpulver zu reisen drehte einem den Magen um und zur Stärkung brauchten die beiden Jungen erst einmal eine große Portion Eis.
Der Sommer war dieses Jahr besonders warm, die Hexen und Zauberer, die durch die Winkelgasse eilten und nach ihren Kindern riefen, hatten ihre Umhänge abgelegt und trugen Kleider und bequemere Hosen.
Alles war so anders als noch vor einem halben Jahr, als James mit Sirius durch die Winkelgasse gerannt war. Damals war es kälter gewesen, sie hatten mehrere Streiche gespielt und sich in die Nocturngasse verirrt, als hinge ihr ganzes Leben von Risiko ab.
Mit Remus lachte er einfach nur unglaublich viel, aber alles war sicherer, weniger gestresst. Vielleicht lag es auch einfach an Remus' müdem Gesicht, über das sich eine neue, feine Narbe zog, die ihn Rücksicht auf seinen Freund nehmen ließ.
Immer wieder wollte James fragen, was mit Remus passiert war. Die Frage, wer ihm das angetan hatte, lag ihm dauerhaft auf der Zunge und eine kaum zu bändigende Wut braute sich in seiner Magengegend zusammen.
Remus war viel zu gutmütig für so etwas. Auch wenn er in Hogwarts genauso wenig  nett zu anderen Schülern war, wie Sirius und Peter. Er hatte doch etwas Vernünftigeres an sich, etwas Erwachseneres. Als hätte er etwas erlebt, was ihm seine komplette Kindheit geraubt hätte. Manchmal wirkte er wie Sirius. Verloren und einsam, seine Freunde der einzige Lichtblick.

Während die Sonne am Himmel immer weiter wanderte und immer mehr Menschen sich auf den Nachhauseweg machten, genossen Remus und James immernoch den freien Nachmittag. Sie waren in fast allen Läden gewesen, James hatte Remus ganz viele Sachen für ihre Streiche gekauft, ohne auf die Proteste seines Freundes zu achten und am Ende hatten sie nochmal Eis gegessen.
Die Schokolade und der Spaß schienen Remus zu helfen, genauso wie der Himmel hellte sich auch sein Gesicht immer mehr auf, nur um gegen Abend wieder verschlossener zu werden.
"Remus, was ist los? Du siehst krank aus."
James konnte sich einfach nicht mehr zurück halten. Die Augenringe unter den Augen seines Freundes wurden immer dunkler und tiefer und seine Haut immer blasser.
Doch Remus schüttelte nur leicht den Kopf.
"Bin nur ein bisschen erkältet. Ich geh dann halt nachher direkt nach Hause, ich will dich und deine Familie nicht... anstecken", er hustete kurz, verlegen, wie um etwas zu überspielen und wandte traurig den Kopf ab.
"Aber meine Mutter kann sich prima um dich kümmern..."
"Nein, schon okay, Jamie. Erzähl mir lieber mal genau, was bei Narcissa war. Und was du geplant hast."
Thema wechseln kann er, dachte James unfreiwillig und obwohl er es eigentlich nicht wollte, fing er zögernd an, zu reden.
"Naja, Cygnus ist total ausgerastet, hat dann noch was von Verrat rumgebrüllt. Und Zissy hat mich... umarmt."
Es war merkwürdig, mit Remus darüber zu reden. Sie hatten noch nie über Mädchen gesprochen. Nur über Marlene und ihre auffälligen Haare.
Aus irgendeinem Grund war es James peinlich, mit seinem Freund über die Slytherin zu reden.
"Umarmt? Ist doch normal, ihr seid doch Freunde, oder?"
James nickte, natürlich waren sie das.
Doch während er mit Remus an den Läden und Menschen vorbei zurück zu dem Kamin lief, aus dem er gekommen war, überkam ihn das Gefühl, dass sie vielleicht bessere Freunde waren, als es ihm als Gryffindor erlaubt war.
Und er wusste nicht genau, was das sollte.
"Ja, jedenfalls", begann nun James, das Thema zu wechseln, "müssen wir mehr über diesen Grindelwald herausfinden, der bringt uns bestimmt weiter. Und den Tagespropheten lesen." Er seufzte erschöpft. Wieso musste er sich bitte über so etwas Gedanken machen? Er war zwölf. Das Einzige, was ihm im Kopf herumfliegen sollte, ist Quidditch. "Mehr können wir erst einmal nicht machen."
Remus nickte und seufzte ebenfalls, aber anders. Als würde er sich für einen Streit wappnen.
"Und wenn wir Dumbledores Angebot annehmen?"
"Bitte was?" James zuckte zusammen und blieb wie angewurzelt auf dem kalten, steinernen Boden stehen. "Unseren Schulleiter um Hilfe fragen? Bist du verrückt?"
"Aber du hast es doch selbst gehört. Er würde uns unterstützen. Und er sieht alt genug aus, um mehr über diesen Grindelwaldtypen zu wissen."
James schüttelte abwehrend den Kopf und lief weiter, diesmal schneller.
"Mal sehen, erstmal nicht. Wir finden so viel, wie wir können selbst heraus. Dumbledore sollte unser letzter Ausweg sein."
Nun blieb Remus stehen und es fiel James erst nach ein paar Schritten auf. Sein Freund stand mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern da und betrachtete aus dem Augenwinkel eine Ausgabe des Tagespropheten von vor drei Tagen, die an eine Wand neben einem Bücherladen geklebt wurde.
Mordversuch in Greenwich. Schwerverletzte Zauberer bei Massenanschlag.
"Was wenn wir den letzten Ausweg schon nötig haben? Was wenn wir" er starrte auf den Boden "was wenn es schon vorbei ist?"
Remus Lupin war immer ein fröhlicher Junge gewesen. Er hatte immer Süßigkeiten und ein Lächeln für jeden dabei. Beides in genauso  unbegrenztem Maße wie seine Geduld und sein Drang nach Wissen.
Auch wenn es ihm ab und zu nicht gut ging, war er stehts für ein paar Streiche zu haben und nahm Strafen gerne in Kauf. Er war sogar bei denjenigen beliebt, die ihm zum Opfer fielen.
Doch nun lächelte Remus Lupin nicht. Er sah traurig und hoffnungslos aus und er sollte diesen Ausdruck niemals wieder komplett loswerden.
Keiner von den beiden, auch nicht Sirius oder Peter, Marlene oder Dorcas, keiner sollte diese Sorge jemals wieder ganz von ihm nehmen können.
Über die Jahre würde der kränkliche Junge immer tiefer in ein Loch der Einsamkeit fallen. Und wann dies anfing, konnte man nicht genau sagen.
James wusste damals auch noch nicht, was auf sie zukommen würde und wie viele Opfer es geben würde. Doch diesem Moment wusste er eins: Er wollte keinen seiner Freunde in diesem Zustand sehen. Niemand sollte einfach so die Hoffnung ausgeben.
"Remus, sag das niemals wieder. Wir schaffen das. Egal was passiert. Wir werden die ersten sein, die vorbereitet sind. Und niemand wird und aufhalten können." Leise lachte er. "Ich meine, wie gut können diese Zauberer schon sein. Sie haben schließlich dieselbe Ausbildung, wie wir sie bekommen werden."
Und mit diesen Worten lächelte auch Remus wieder mit einem Funken Hoffnung in den Augen.

Als James nach Hause kam, war es schon spät, er hatte Remus noch zu dessen Eltern gebracht, sein Freund hatte sich kaum noch auf den Beinen halten können.
Der Vollmond hing groß und schwer am Himmel und erleuchtete James' Zimmer auf eine merkwürdig bedrohliche Art und Weise.
Und kurz nachdem er seinen Eltern Gute Nacht gesagt und auch bei Amelia vorbeigesehen hatte, schwebte auf einmal eine edle, braun gefiderte Eule vor seinem Fenster.
Ein kleiner Zettel hing an ihren Krallen und James erkannte die Handschrift seines besten Freundes schon von Weitem.
Aufgeregt las er die geschwungenen Worte, doch die Aufregung wich bald Entsetzen und Angst.
Bald würde er wieder nach Hogwarts fahren, doch würde es dieses Jahr das Selbe Hogwarts sein?
Ein Jahr ohne Sirius an seiner Seite konnte James Potter sich nicht vorstellen und er würde alles in seiner Macht stehende tun, um den Inhlt des Briefes zu verhindern.
Er würde der Menschheit schon zeigen, zu was es führte, wenn man ihm, James Potter, seine Freunde nahm.

The Marauders - From the beginningWhere stories live. Discover now