Prolog

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Ende August, 1899 - Godrics Hollow

Es war eine dunkle Spätsommernacht, am Horizont braute sich ein Gewitter zusammen. Der Mondschein tauchte die sonst so gemütliche Kleinstadt in ein bedrohliches Licht, die langen Schatten boten Verstecke für das Böse. In keinem der Reihenhäuser brannten noch Lichter, nur die nachts gut besuchten Pubs strahlten noch eine gewisse Sicherheit aus, die Sicherheit, die man fühlte, wenn man umgeben von potentiellen Zeugen war.
Eines der Reihenhäuser gehörte der nicht überall akzeptierten Familie Dumbledore. Sie bestand einmal aus einer Mutter mit drei Kindern, jedoch gab es einiges an Gerüchten zu erzählen in Godrics Hollow. Die übrigen Bewohner hatten vor ihrem ebenso mysteriösen Tod sogut wie nichts von der mysteriösen Kendra Dumbledore mitbekommen. Sie wirkte stets verschlossen, ja manchmal sogar ein wenig hochnäsig. Ihre beiden Söhne, der eine 18, Albus, den Abschluss schon hinter sich, der andere 16, Aberforth, waren die einzigen, die man manchmal zu Gesicht bekam. Es gab ein paar Nachbarn, so anscheinend auch Bathilda Bagshot, die eine etwa vierzehnjährige Tochter gesichtet haben wollen, die von Kendra als zu schwächlich für das Soziale Leben beschrieben worden sei. Allerlei Märchen wurden seitdem von anderen Bewohnern weitererzählt, jegliche Krankheit wurde der kleinen Ariana zugeschrieben, jeglicher schlechter Einfluss von ihren Brüdern wurde vorhergesagt. Jene schienen das alles an sich abprallen zu lassen. Vor allem Albus Dumbledore ließ sich nichts anmerken, er klagte weder über die Gerüchte, noch über die Gefangennahme seines Vaters, nachdem dieser drei Muggeljungen attackiert hatte, die Ariana schwer verletzt hatten. Zu dieser Zeit, im Hochsommer des letzten Jahres des 19. Jahrhunderts, hatte er sich mit dem zeitweise zu Besuch erschienenem Gellert Grindelwald, einem Osteuropäer in Albus' Alter, angefreundet und traf sich nahezu jeden Tag mit ihm. Der blonde Ausländer, so sagt man, sei von seiner alten Schule, dem Durmstrang-Institut, verbannt worden, da er stark dunkle Magie verbreitet haben soll. Doch hier schien er neu anzufangen.
Im Garten der liebevollen, allseits bekannten Bathilda Bagshot, die den vor zwei Monaten in Grodrics Hollow angekommenen Gellert bei sich aufgenommen hatte, standen heute Nacht zwei Jungen im Teenageralter. Der eine war, unverkennbar mit seinen blonden, schulterlangen Locken, jener Gellert Grindelwald. Er stand aufrecht da, den Kopf hoch erhoben. Ihm gegenüber erkannte man seinen Freund, Albus. Sie begrüßten sich wie jahrelange Bekannte und liefen dann hinaus auf die Straße, auf dem Weg in den nächsten Garten, den der Familie Dumbledore.
"Wir müssen leise sein", murmelte der brünette Albus warnend, "Aberforth ist bereits zu Bett gegangen und Ariana möchte ich schon garnicht wecken. Sie ist in letzter Zeit sehr gestresst. Ihre Schmerzen werden schlimmer."
Gellert sah ihn mitfühlend an. "Das arme Mädchen... eure Mutter hatte sie aber tatsächlich beinahe gefangen gehalten. Glaube mir, in unserer neuen Welt, da muss sie sich nicht mehr verstecken. Da wird sie frei sein dürfen, wie ein Vogel im Himmel."
Auch Albus grinste nun und seine Hand huschte zu dem Anhänger an seiner silbernen Halskette. Er hatte eine merkwürdige Form, sah aus wie ein Auge, allerdings schienen die Lider keine Mandel zu formen, sondern ein Dreieck.
"Bald wird sie frei sein. Für das größere Wohl"
"Die dreckigen Muggel werden es nicht noch einmal wagen, eine der Unseren, eine solch ihnen übergestellte Verkörperung purer Macht, anzugreifen. Sie werden nicht einmal daran denken. Zur Not werde ich sie mit harter Gewalt dazu zwingen, sich uns zu unterdrücken."
Nun schien Albus doch ein wenig überrascht von dem ungewohnt harten Ton und der ebenfalls ungewohnt forschen Ausdruckweise.
Er ist doch sonst nicht so machtgierig, und auch nicht so gewaltsam.
Schweigend liefen die beiden Jungen den Rest des kurzen Weges entlang und betraten dann Seite an Seite das Grundstück der Dumbledores.

"ALBUS!"
Dieser zuckte zusammen. Wie hatte Aberforth sie hören können? Wieso war er um diese Uhrzeit noch wach?
Auch Gellert schaute mit einer Mischung aus Überraschung und Genervtheit nach oben, an das Fenster, welches offen an das Zimmer von Albus' kleinem Bruder grenzte.
Dort hing Aberforth mit dem Kopf hinaus, drehte sich jedoch dann um und rannte hinaus in den Garten, dorthin, wo sein Bruder und der ihm so unangenehme Nachbarsjunge standen.
"Was macht ihr so spät hier unten? Ich werde das Mutter berichten, Al!"
Er vergaß so oft, dass sie vor kurzem gestorben war. Ariana hatte sie bei einem ihrer Magieausbrüche erwischt, es war hoffnungslos gewesen.
"Nun beruhige dich doch, Aberforth. Du weckst nur Ariana. Du weißt genau, wie dünn unsere Wände sind"
"Dann antworte mir!" Aberforth ließ keine Ruhe. Auch Gellert schien zu merken, dass er nicht nachgeben würde.
"Albus, mein Lieber, er hat in den letzten Wochen sowieso schon zu viel mitbekommen. Er wird es erfahren. Doch dann lieber durch uns, als durch falsche Gerüchte."
"Aber Gellert, er wird versuchen, uns zu sabotieren."
Doch Gellert schüttelte nur mit dem Kopf und fing an zu erklären.
"Dein Bruder und ich haben einen Plan ausgeschmiedet. Dir sind doch die Geheimhaltungsregeln des Ministeriums bekannt, nicht wahr?"
"Zauberer dürfen keinem Muggel ihre Magie präsentieren und müssen stehst im Verborgenen zaubern."
Alle drei Jungen zuckten zusammen, als sie die piepsige, schwache und kindliche Stimme Arianas hörten. Sie war anscheinend durch die lauten Schritte ihres Bruders auf der Treppe wach geworden. Nun stand sie im weißen Nachthemd vor der Tür im Garten. Ihr knochiger Körper zeichnete sich unter dem dünnen Stoff ab. Sie wirkte in der Tat sehr kränklich.
"Ariana, bitte, geh wieder auf dein Zimmer."
"Ich bin kein kleines Kind mehr, Bruder. Du kannst mir nicht mehr alles befehlen. Ich bleibe. Und ich werde zuhören. Denn deine Sicherheit ist mir ebenso wichtig, wie Abeforth."
"Nun gut, ich kann dich ja doch nicht umstimmen!"
"... also, ich fahre fort. Ariana, du hattest natürlich eben vollkommen recht. Unsere Fähigkeiten dürfen nicht an die Außenwelt getragen werden. Doch wieso? Wieso, obwohl wir ihnen doch so offensichtlich tausendmal überlegen sind, müssen wir uns, wir, die starke Rasse, vor den Schwachen verstecken. Es gibt keine logische Erklärung. Muggelphilosphen fanden heraus, dass es in der Menschheit zwei Gruppen gäbe: die eine, die dazu bestimmt sei, zu herrschen, und die andere, die sich gerne beherrschen lassen würde. Wieso sollen wir also nicht die Muggel zu ihrem eigenen Wohl unter uns stellen, unsere Identitäten preisgeben?
Eine erneute Frage: Aberforth, Ariana, euch ist das Märchen der drei Brüder bekannt? Mit den drei Heiligtümern des Todes?"
Beide nickten und Gellert deutete auf seinen Hals, an dem die gleiche Kette hing, wie Albus sie trug.
"Es gibt sie wirklich. Den Unsichtbarkeitsumhang, den unbesiegbaren Zauberstab den Stein der Auferstehung. Und ich bin bereits im Besitz des Elderstabs. Wenn wir es schaffen, alle Heiligtümer in unseren Besitz zu bringen, können wir stark genug sein, unser neues Weltbild durchzusetzen. Wir werden alle frei sein, Ariana, du müsstest dich nicht mehr verstecken. Es ist nur zum Wohle aller beiden Rassen, uns, sowie den schwachen Muggeln. Für das größere Wohl."
Nach Gellerts enthusiastischer Rede herrschte erst einmal Stille. Aberforth und Ariana wirkten geschockt und auch Albus war bis jetzt der Meinung, dass der Plan weniger nach Unterdrückung und Machtgier wirken sollte, sondern eher eine edle Handlungsweise aufweisen würde.
"Bei allem Respekt, mein lieber Freund, ich dachte, wir würden niemanden unterdrücken? Steigt dir die Macht des Elderstabes langsam zu Kopf, Gellert?"
Dieser drehte sich hastig um.
"Stellst du dich gegen mich?"
"Wie bitte? Natürlich nicht!"
"Doch, du tust es. Du halfst mir mit dem Plan, doch jetzt, wo wir fast am Ziel sind, jetzt, wo es ernst wird, stellst du dich mir in den Weg. Du warst mein Freund, Albus. Wieso tust du das?"
"Nun übertreibe doch nicht so! Natürlich bin ich auch weiterhin dein Freund. Wieso veränderst du dich so plötzlich?"
Gellert lachte. Sein Lachen wirkte verstörend, geisteskrank.
"Ich war nie anders, mein Lieber. Dachtest du, wir machen das alles ganz friedlich?!"
"Oh ja, so dachte ich das!"
"Nun, dann tut es mir leid dich enttäuschen zu müssen"
Zwischen den beiden sonst so guten Freunden entwickelte sich ein Streit. Er wuch und kam näher, so wie das Sommergewitter mit seinen großen, dunklen und schweren Wolken.
Doch bevor sie aufeinander losgehen konnten, meldete sich Aberforth zu Wort. Ariana schwieg weiterhin und beobachtete gespannt und vorsichtig die Szene, die sich ihr bot.
"Warte einen Moment, Bruder. Heißt das, du hast unsere Schwester in dieser schweren Zeit vernachlässigt, um solch einen Plan zu schmieden? Um so nicht nur deine Zeit zu verschwenden, sondern auch ihre? Ich wusste ja, dass dein geliebter Gellert diesen Verrat nicht Wert war, aber dann auch noch für so ein gemeines, machtgieriges Vorhaben? Was geht nur in dir vor, Albus?"
Er schien ebenfalls wütender zu werden, seine Stimme war immer lauter geworden.
"Genau Albus, wo wir schon einmal bei Verrat sind. Ich sollte dich bestrafen, wenn nicht sogar töten, dafür dass du mich nun im Stich lässt"
"Aber nein, Gellert, ich lasse dich doch nicht in Stich. Das würde ich nie, das könnte ich nie!"
"Es ist zu spät Albus... ich danke dir für die Ausfeilung des Planes. Ich bin dir aufrichtig dankbar, dafür, dass du mir geholfen hast, Informationen zu finden. Dein Wissen war äußerst hilfreich, doch dein Wissen ist nun zu groß. Wenn ich einfach so verschwinde, könntest du zum Ministerium gehen und ihnen von meinem Vorhaben erzählen, damit sie mich aufhalten. Nun muss ich dich zuerst aufhalten. Ich bedauere diesen Abschied sehr, mein Freund..."
"Gellert, bitte..."
"...Avada Kedavra"
"NEIN!"
Albus sah das grüne Licht aus der Spitze des Elderstabes leuchten, doch er hörte nicht auf zu Atmen. Es dauerte eine knappe Minute, bis er durch Aberforths klagende Schreie und das laute Knallen des disapparierenen Gellert wieder in die Realität zurückgeholt wurde und sah, wer sich dort mit einem letzten, verneinendem Ausruf vor ihn geworfen hatte. Vor Albus' Füßen, in dem dreckigen Graß, lag Ariana, ihre Haut noch bleicher, als sonst, sie hatte nun die gleiche Farbe wie ihr Nachthemd, und sie bewegte sich nicht mehr. Aberforth saß weinend und schreiend neben ihr, beschuldigte Gellert, beschuldigte die Welt, aber verfluchte vor allem Albus für seine Naivität und Blindheit. Doch Albus hörte nicht mehr zu. Er fühlte sich leer, zerstört, zutiefst traurig, als würde er in ein dunkles Loch fallen, und weit oben, an der Oberfläche, schrie sein kleiner Bruder, Ariana solle doch wieder aufwachen.
Während auch Albus nun leer zu Boden sank, tropften die ersten Regentropfen auf den Boden um Ariana herum, und bald blitzte und donnerte und schüttete es aus allen Wolken heraus. Der Sturm war da. Und er war gewaltig.

The Marauders - From the beginningWhere stories live. Discover now