Sinneswandel

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Als Fire am nächsten Morgen erwachte, klebten noch immer die letzten Tränen vom Vorabend auf ihren Wangen. Schlaftrunken setzte sie sich auf und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand schon hoch und Faramir war bestimmt längst nach Ithilien aufgebrochen. Also sah die Frau keinen Grund sich zu hetzen und stand ganz gemächlich auf. Sie musste ihn ja schließlich nicht mehr verabschieden. Sie wusch sich schnell die getrockneten Tränen aus dem Gesicht und lief dann zu ihrem Kleiderschrank hinüber. Tatsächlich hingen darin inzwischen auch ein paar Kleider. Sie nahm sich ein Bordeauxrotes heraus und stellte sich, das Kleid prüfend vor sich haltend, vor den Spiegel. Es hatte um die Taille einen silbern bestickten, weißen Miedergürtel gebunden und Kragen und Ärmel waren ebenfalls mit silbernen Borten verziert. Es war bodenlang, hatte einen großen Ausschnitt und die Ärmel wurden ab den Ellbogen recht weit.

Entgegen ihrer eigentlichen Einstellung zu Kleidern, beschloss Fire das Kleid anzuziehen. Das erwies sich trotz des Miedergürtels auch als nicht sonderlich schwierig. Ihre zottelige Mähne bürstete die Frau so lange, bis auch der letzte Knoten herausgekämmt war und ihr pechschwarzes Haar seidig glänzend über ihre Schultern fiel. Etwas ungläubig über diesen ungewohnten Anblick und auch mit etwas Stolz betrachtete sie ihr Spiegelbild. Lange stand sie dort und fuhr sich mit den Händen über das Kleid welches ihre Figur perfekt zu betonen schien. Sie hatte sich selten so hübsch gefühlt. Das Kleid an Éomers Krönung war ihr schlichtweg zu übertrieben gewesen.

Nachdem Fire ihren Blick von ihrem Spiegelbild gelöst hatte, beschloss sie sich irgendwo etwas Essbares zu beschaffen. Das Kleid behielt sie dabei an. Sie fühlte sich einfach zu wohl darin.

Zu ihrem Glück war es schon Mittag und Zeit für das Mittagessen, als die Frau die Goldene Halle betrat. Eowyn saß mit Lorgan bereits am Tisch. Fire ignorierte die Beiden gekonnt und setzte sich schweigend an ihren Platz. Ihr Bruder schien sie in diesem ungewohnten Aufzug kaum zu erkennen oder aber er war unnatürlich gut darin seine Verwunderung zu verbergen.

Bald darauf betrat auch Éomer, dicht gefolgt von Adeola, den Saal. Angrim tauchte kurz nach ihnen auf. Nur er wagte es Fire auf ihr Aussehen anzusprechen. „Liebes, du siehst wundervoll aus! Wären meine Augen nur noch ein klein Wenig schlechter, hätte ich dich für Penelopé gehalten!", sprach er ein ehrlich gemeintes Kompliment aus. Nun lenkte auch Adeola ihre Aufmerksamkeit von Éomer auf ihre kleine Schwester. „Er hat Recht, Schwesterchen, doch wie kommt es, dass du ein Kleid trägst?", fragte sie verwundert. Fire meinte daraufhin nur kühl: „Es hing im Schrank. Warum sollte ich es also nicht tragen?" „Es spricht ja nichts dagegen, dass du es trägst. Es ist nur...irgendwie ungewohnt...", versuchte ihre große Schwester zu erklären. Fire antwortete nicht darauf, sondern konzentrierte sich lieber auf das Essen, welches gerade serviert wurde.

Sie waren alle schon fast mit dem Mittagessen fertig, als plötzlich Faramir in der Goldenen Halle auftauchte und sich schnell an einen freien Platz setzte. Fire bemerkte ihn nicht. Sie war noch immer mit ihren Gedanken ganz beim Essen und auch er war nicht darauf konzentriert, wer sich am Tisch befand.

Erst als Fire sich erhob um zurück auf ihr Zimmer zu gehen, realisierte der junge Fürst, wer da die ganze Zeit mit am Tisch gesessen hatte. Ungläubig starrte er zu der jungen Frau auf, welche ihn anscheinend immer noch nicht bemerkt hatte, da sie ohne sich groß umzusehen einfach in Richtung ihres Zimmers ging. Noch immer völlig perplex blickte der Mann Fire hinterher, ehe er sich wieder fasste und ihr hinterher eilte.

Kurz vor ihrem Zimmer holte er sie dann ein. „Fire! Du trägst ein Kleid?", fragte er verwundert. „Gibt es etwas daran auszusetzen?", fragte die Angesprochene kühl. Etwas verwirrt über diese ernste Antwort meinte der Mann: „Äh..nein. Natürlich nicht! Es ist nur ein recht ungewohnter Anblick. Gibt es einen Grund warum du heute ein Kleid trägst?" Die Frau schüttelte nur den Kopf und öffnete ihre Zimmertüre. Faramir schaute ihr irritiert hinterher und als Fire gerade die Türe schließen wollte, hielt er die Türklinke fest und meinte: „Was ist los? Du bist doch sonst nicht so." Durch ausdruckslose Augen schaute die Frau zu ihm auf, ehe sie die Türe vollends zu schob. Verwirrt blieb der Mann davor stehen, ehe er sich zurück in Richtung der Goldenen Halle aufmachte.

Er fand es seltsam, dass Fire keinerlei Verwunderung gezeigt hatte, als sie festgestellt hatte, dass er noch da war. Auch fragte er sich, warum sie urplötzlich ihren Hass zu Kleidern abgelegt und heute eines getragen hatte. Was ihm aber am meisten zu Denken gab war, dass sie sich während diesem doch recht kurzen Gespräch so seltsam verhalten hatte. Sie hatte keinerlei Emotionen gezeigt sondern einfach ausdruckslos in die Leere gestarrt und mit ruhiger, monotoner Stimme gesprochen. Irgendwas war da doch faul! Das sah selbst ein Blinder!

Faramir war nun sehr erleichtert darüber, seine Abreise verschoben zu haben. Er hatte nicht aufbrechen wollen, ehe er nicht wusste, was mit seiner Freundin los war. Er machte sich wirklich sorgen um sie und das scheinbar zu Recht! Irgendetwas stimmte mit Fire ganz und gar nicht und er wollte herausfinden, was ihr so zu schaffen machte!

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