Lebe wohl

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Einige Tage später hatte Fire immernoch Angst, sie könnte Éomer über den Weg laufen. So benutzte sie ganz neue Wege um beispielsweise in den Speisesaal zu gelangen. Als sie an diesem Abend wieder über einen neuen Umweg zu ihrem Zimmer gehen wollte, zog ein offen stehender Raum ihre Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig lugte die Frau hinein und stellte glücklich fest, dass niemand darin war. Neugierig trat sie ein. In Regalen stapelten sich verstaubte Bücher bis unter die Decke und in der Mitte stand ein großer, runder Holztisch um den gepolsterte Stühle standen. Es war recht dunkel, und doch erkannte man, dass sich lange niemand mehr um diesen Raum gekümmert hatte. Fire nahm wahllos ein Buch mit rotem Einband von einem Regalbrett. Es stand kein Titel darauf. Das Papier war vergilbt und die Schrift wirkte, durch die kunstvollen Großbuchstaben an den Anfängen der Texte, sehr alt.

Der alte Joe hatte ihr etwas Lesen beigebracht, als sie noch ein Kind war. Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal ein richtiges Buch in den Händen gehalten hatte? Sie blätterte die Seiten durch. Es waren alte Geschichten über alte Völker. Sie hörte plötzlich auf zu blättern, als sie die Zeichnung eines Olifanten entdeckte. Diese riesigen, elefantenartigen Tiere waren Fire schon in der Schlacht um Minas Tirith aufgefallen. Sie haben die Frau, trotz der Gefahr die von ihnen ausging, zutiefst beeindruckt und auf eine seltsame Weise fasziniert.

"FIRE!! FIRE!!! SCHNELL KOMM!!!" Erschrocken sah sie auf. Sie legte das Buch schnell auf dem Tisch ab und eilte in den Flur. Kurz vor der goldenen Halle traf sie auf den völlig geschockt aussehenden Pippin. "FIRE SCHNELL!!!", rief er ihr entgegen. "Was ist los?!", fragte sie verwirrt. "KOMM MIT!!!" Der Hobbit zog die Frau am Ärmel mit sich nach draußen. "Wo willst du hin?!" Sie wusste immernoch nicht, was Pip von ihr wollte. Ihr graute Schlimmes, als er sie zum Stall zog. Drinnen standen Éomer, Faramir und ein paar Leute Rohans vor Shadows Box. "Aus dem Weg! Was ist los?!", fragte Fire aufgeregt. Der Rappe war mit den Vorderbeinen eingeknickt. Sein Fell glänzte vom Schweiß und sein Maul schäumte. Die Frau stürzte zu ihm und blickte die Männer verwirrt an. "Was hat er?!", fragte sie verzweifelt. "Sieht nach einer schweren Kolik aus", stellte Éomer fachmännisch fest. Die Anderen nickten zustimmend. "Warum tut ihr denn nichts?!!" Hilfesuchend blickte sie in die Runde. "SO TUT DOCH WAS, UM HIMMELS WILLEN!!!" Nervös fuhr sie dem zitternden Hengst durch die Mähne. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm helfen sollte. Tränen traten in ihre Augen. "Könnt ihr denn gar nichts tun?", fragte Fire etwas leiser. Ihre Stimme zitterte. Shadow lag nun auf dem Boden und wieherte verzweifelt, als schreie er um Hilfe. "Der einzige Mann dieses Landes, der in der Lage ist eine solch heftige Kolik zu behandeln, ist zur Zeit in Ithilien um sein Wissen dort weiterzugeben", erklärte der Mann, der Fire am nächsten stand.

Wenige Minuten später waren die Männer schon wieder ihren anderen Aufgaben nachgegangen. Fire kniete neben ihrem Rappen. Shadow hatte inzwischen aufgehört zu schreien. Sein großer Kopf lag im Schoß seiner Reiterin und die Frau strich ihm mit zitternden Fingern durch Fell und Mähne. Er Atmete sehr flach. Seine Nüstern bebten bei jedem Atemzug. Tränen rannen über Fires Wangen. Zuletzt hatte sie so geweint, als Jukka gestorben war. Shadow war ein guter Ersatz für ihren Bruder gewesen. Er erinnerte sie auch an ein Pferd, das sie einst auf einem Pferdemarkt gesehen hatte. Die Piraten hatten angelegt um Verpflegung zu besorgen. Fire war damals gerade zwölf Jahre alt gewesen. Sie durfte ein wenig umher streifen. Eines der Pferde gefiel ihr besonders. Es war wie Shadow schwarz wie die Nacht und sein weiches Fell glänzte in der Sonne. Es war Fire aufgefallen, weil er einer der wenigen Rappen war die überhaupt auf dem Marktplatz standen. Der Großteil der anderen Tiere war weiß, braun oder fuchsfarben. Das Pferd hatte sie genauso angesehen wie Shadow es immer tat. Durch große, dunkle Augen hatte es sie angesehen und ihr mit der weichen Nase gegen die Schulter gestupst. Logischerweise konnte sie das Pferd nicht mitnehmen. Dafür hatte sie jetzt ja Shadow. Dieser lag neben ihr im Stroh und schien nicht mehr lange am Leben zu bleiben.

Die Nacht brach herein und Fire rappelte sich müde vom Stallboden auf. Der Hengst regte sich nicht mehr. Sie stand einfach neben ihm und konnte sich nicht überwinden zu gehen. Sie fühlte sich wie vom Pech verfolgt. Erst Joe, dann Jukka und jetzt auch noch Shadow. Die Frau hatte Angst. Welcher ihrer Freunde war wohl als Nächster an der Reihe? Pippin? Faramir? Vielleicht sogar Gandalf? Fire trottete aus dem Stall. Draußen liefen ein paar Wachen umher. "Entschuldigung?", sprach sie einen der Männer an. "Mylady, was kann ich für euch tun?", fragte dieser höflich. "Eben ist mein Pferd gestorben. Es liegt in der Box..." Die Frau wusste nicht was sie tun sollte. Wie gingen die Menschen aus Edoras mit einer solchen Situation um? Wie würden sie Shadow aus der Box transportieren? "Mein Beileid, Mylady. Wir werden uns augenblicklich darum kümmern. Ruht euch aus! Ihr seht sehr erschöpft aus", sagte der Wachmann, als konnte er Gedanken lesen. Fire nickte kaum merklich und schlurfte zu ihrem Zimmer. Da sie nach dem Erlebten nicht schlafen konnte, schlich sie in die Bibliothek um sich eines der Bücher zu holen. Das rote Buch lag noch immer aufgeschlagen auf dem runden Holztisch. Sie nahm es an sich und lief zurück in ihre Gemächer. Dort entzündete sie eine Kerze und ließ sich mit dem Werk auf ihrem Bett nieder. Sie begann zu lesen und hörte erst auf, als sie vor Erschöpfung doch noch einschlief.

KämpferherzWhere stories live. Discover now