Peleadora

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"Ich finde Ihr solltet Alagos haben!", sagte Angrim später beim Mittagessen. "Wieso das denn?", fragte Fire überrascht. "Zum einen habt Ihr ihn gezähmt und zum anderen haben mir die Jüngeren erzählt, dass Ihr ohne Pferd unterwegs ward, als sie Euch mitnahmen", erklärte der Mann. "Ich halte das für keine sonderlich gute Idee...", murmelte Fire wenig begeistert. "Oh, ich verstehe! Mit Eurem Talent mit Pferden umzugehen könntet Ihr natürlich jedes haben. Warum solltet Ihr dann ein X-beliebiges nehmen wollen!?", meinte Angrim verstehend. "Das ist es nicht... ich habe das Gefühl vom Pech verfolgt zu sein... meinen Ziehvater, einen guter Freund und mein erstes Pferd habe ich schon verloren. Es ist, als würde ich den Tod auf seltsame Art und Weise mit mir herumtragen. Ich möchte nicht, dass diesem unschuldigen Tier etwas zustößt. Versteht Ihr?", erklärte die Frau mit erstickter Stimme. "Kann ich ihn dann haben?!", fragte Lorgan begeistert, welcher, wie sich herausgestellt hatte, Angrims Enkel war. "Du darfst mir später erst mal helfen das gehackte Holz zu stapeln!", antwortete dieser streng. Eine Frau, die sich als Adeola vorgestellt hatte, saß ebenfalls am Tisch. Sie war Lorgans große Schwester und ergriff nun das Wort: "Stimmt es, dass Ihr eine Piratin seid?" Sie musterte Fire interessiert. "Zumindest bin ich auf einem Piratenschiff aufgewachsen. Ich war aber seit mindestens zwei Jahren nicht mehr auf einem Schiff... Ich habe in dieser Zeit im Gefängnis gesessen und in zwei Schlachten mitgekämpft. Da ich nichts besseres mit meinem Leben anzufangen wusste, habe ich beschlossen durch Mittelerde zu wandern. Fremde Länder zu besuchen und helfen wo Hilfe benötigt wird", erzählte diese, "Das mit dem Holz kann ich übrigens für Lorgan übernehmen. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie man Pferde einreitet. Das könnte er ja dann übernehmen." "Ich weiß ja nicht... obwohl... ihr seid recht kräftig für eine Frau", überlegte Angrim, "Also gut, dann machen wir es so!"

Nach dem Essen gingen Fire und Angrim hinter das Haus um das gehackte Holz aufzustapeln. Bevor die Frau den ersten Stapel hochnahm , krämpelte sie ihre langen Ärmel hoch, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Der Mann musste schmunzeln, als er die vielen Armbänder sah. "Entschuldigung, wenn ich neugierig bin, aber stehen diese Armbänder für etwas, oder tragt Ihr sie nur als Schmuck?", fragte er interessiert. "Nein, sie stehen wirklich für etwas. Nach jedem Kampf habe ich mir ein Lederband um das Handgelenk gebunden, damit ich zurückblicken und stolz auf mich sein kann! Seien es Angriffe von anderen Piraten, welche wir erfolgreich abgewehrt haben, oder Festnahmeversuche der Soldaten Gondors, welche wir vereitelten", erklärte sie stolz. "Ich hatte einen Sohn, der seine "Heldentaten" ebenfalls gerne in allem Möglichen festhielt. Armbänder, Ringe, alles stand für einen Erfolg in seinem Leben. Als seine erste Tochter ihren ersten Geburtstag feierte, funktionierte er einen Ring mithilfe von Lederbändern zu einem Armband um. Dieses schenkte er ihr zu ihrem ersten Geburtstag. Auch seiner zweiten Tochter und seinem ersten Sohn, schenkte er jeweils eines", erzählte Angrim, welcher ganz in dieser Erinnerung aufzugehen schien. "Entschuldigung, ich wollte Euch nicht mit alten Geschichten langweilen!", entschuldigte er sich schnell. "Ach das macht doch nichts! Ich höre solchen Erzählungen gerne zu!", winkte Fire ab "Darf ich raten? Die Kinder waren Adeola, Lorgan und... ähm.. die sind nur zu zweit... haben sie noch eine Schwester?", fragte die Frau etwas hilflos. Die Reaktion des Mannes war anders als erwartet. Statt zu schmunzeln oder zu lachen, nickte er traurig. Als er Fires überraschten Gesichtsausdruck sah, musste er dann doch ein Grinsen verbergen. "Ja, es gab noch eine Tochter!", begann er zu erzählen, "Es ist aber eine lange und traurige Geschichte", warnte er noch. "Das ist mir egal! Meine Neugier ist geweckt und nun will ich auch wissen wer die andere Tochter ist!", entgegnete Fire schulterzuckend. Angrim seufzte und deutete der Frau sich auf eine Bank zu setzen, welche an der Hauswand stand. Er selbst zog es vor sich einfach auf der Armlehne abzustützen und zu stehen. "Also gut. Es gab noch eine weitere Tochter. Ihr Name war Peleadora, Kämpferin. Sie wollte schon immer mit dem Kopf durch die Wand. Dieser kleine Wirbelwind hat nicht selten das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Sie war ihrem Vater so ähnlich...
Mein Sohn Aghan liebte seine Kinder über alles und hielt nicht viel vom Zähmen der Olifanten. Diese Tiere waren grausam in seinen Augen und er wollte sie lieber weit weg von seinen Kindern wissen. Er hatte kein Interesse an diesen Kriegsbestien, wie er sie nannte. Dafür beschäftigte er sich gerne mit Pferden. Er hatte wirklich ein Händchen für diese stolzen Wesen. Deshalb wurde er von den Haradrim verachtet. Er floh mit seiner Familie nach Süd-Gondor. Da einige seiner Gegner dachten, er würde Kriegsstrategien ausplaudern, reisten sie ihm nach. Sie ermordeten ihn und seine Frau. Die Kinder brachten sie hierher zurück. Peleadora die kleine Ausreißerin sah es aber nicht ein sich einfach mitnehmen zu lassen. Die Kleine schaffte es vor den Haradrim zu flüchten. Adeola erklärte mir später, sie hätte der Kleinen die Kette ihrer Mutter umgehängt, kurz bevor Peleadora abgehauen war. So hofften wir sie wieder zu finden. Sie blieb aber verschollen. Manche behaupteten, dass die Haradrim sie doch noch geschnappt und getötet hätten. Andere wiederum sagen, sie hätten sie an den Ufern des Poros herumirren sehen. Leute die sowas behaupten sind verrückt. Ein Kleinkind das alleine bis nach Süd-Gondor läuft, dass ich nicht lache! Manchmal hilft es mir, wenn ich mir vorstelle, wie sie wohl heute aussähe. Dann schaffe ich es für kurze Zeit die Trauer zu vergessen. Sie hätte bestimmt die langen, schwarzen, seidigen Haare ihrer Mutter und sie wäre vorlaut und stark wie Aghan... Wenn ich es recht bedenke könnte man ihr schon auch zutrauen bis zum Poros gelaufen zu sein." Seelig lächelnd schaute Angrim in die Ferne. "Das ist eine sehr traurige Geschichte...Aber irgendwie auch eine schöne Vorstellung, dass Peleadora überlebt haben könnte. Wie sie nun aussähe... was sie unternehmen würde...", sagte Fire leise.

An diesem Abend viel es Fire schwer einzuschlafen. Ihre Gedanken kreisten um die kleine Peleadora die vor so langer Zeit verschwunden war. So langsam hatte die Frau das Gefühl , dass sie das Schicksal des Mädchen besser kannte, als irgendjemand sonst. Hatte sie nicht auch ein Armband mit einem kleinen Ring? War sie selbst nicht vom alten Joe an den Ufern des Poros aufgesammelt worden? Hatte sie damals nicht eine Kette dabei gehabt, der sie ihren Namen verdankte? Es war ein silbernes Herz, das durch filigrane Verziehrungen zu verbrennen schien. Auch hatte sie ein Händchen für Pferde wie sie schon des öfteren festgestellt hatte.
Mit vielen wirren Gedanken und noch viel mehr Fragen im Kopf, fiel Fire schließlich ein einen unruhigen Schlaf.

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