Epilog

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Mein Glas hatte einen kreisrunden Wasserfleck auf der Holsmaserung des Tisches hinterlassen. Ich hatte schon wieder gegen Daniels neue Regel gefälligst einen Untersetzter zu benutzen, verstoßen. Seit er mit der Kellnerin aus der Abbey Tavern zusammen war, hatte er eine Art Bessenheit für Tischuntersetzter entwickelt.
Verstohlen versuchte ich das Wasser mit dem Ärmel meiner dünnen Sweatshirtjacke aufzuwischen.

"Eleo, manchmal weiß ich nicht, warum ich dich überhaupt nach Kroatien mitnehme".

Verdammt! Er hatte mich erwischt. Von der Theke aus, flog erst die Küchenrolle auf mich zu, die ich mit den Fingerspitzen gerade so zu fassen bekam. Der Glasuntersetzer mit dem schlüpfrigen Spruch (Trotz neuer Freundin, was Daniel sich immerhin treu geblieben) traf mich allerdings mitten im Gesicht. Sehr zur Belustigung der anderen Teammitglieder.

"Also worauf ich hinaus wollte, wenn wir-", Daniel deutete auf Charlotte, Samuel und mich.
"Nächste Woche weg sind, wird meine Dad euch trainieren also strengt euch an. Ich will nicht, dass er denkt ich hätte komplett versagt", er grinste böse und kam hinter dem Tresen hervor.

"Vielleicht fall ich ein paar mal zu viel absichtlich vom Board", sinnierte Martha und grinste mindestens genau so böse.
"Dann werd ich davon hören und du wischst die nächsten drei Monate den Schuppen", drohte Daniel und spielte mit der Kappe des Eddings, der vor ihm auf dem Tisch lag. 

"Gut, ich glaub das wars für heute", entließ er uns schließlich.
"Echt? Schon?", verblüfft sah Charlotte erst zu Daniel und dann zur Uhr, die über der Theke hing.
"Tu nicht so überrascht. Joana wartet in ihrer Wohnung auf mich und Abbys Verehrer steht auch draußen vor der Tür", gab er zurück.

Ein Hauch Röte schoss in meine Wangen.  "Tja, wenn das nicht ein triftiger Grund ist zu gehen", stimmte ich ihm zu und stand auf. 

Zusammen mit Martha und Charlotte verschwand ich in der Kabiene, um meine Tasche zu holen.
"Ist die von einer von euch?", fragte Charlotte und hielt eine einzelne rosa Socke hoch.
Ich schüttelte den Kopf: "Glaub mir fehlt keine Socke".
Martha zog unterdessen spöttisch die Augenbrauen hoch: "Ich besitze keine rosa Socken. Die ist bestimmt noch von Christina".

"Na dann", mit spitzen Fingern ließ Charlotte die Socke in den Mülleimer fallen.
Ihr Bild von Christina hatte sich schlagartig geändert als diese ohne Erklärung, ohne überhaupt etwas zu sagen, nicht mehr zum Training erschienen war. Sie wohnte zwar noch in Howth, doch sie hielt sich fern von mir und den Leuten, die mit mir zu tun hatten.

Mir war das nur Recht, denn im Grunde tat Christina nichts mehr, was ein durchschnittlicher Teenager nicht auch tun würde. Weder Benjamin, noch ich hatten das Verschwinden irgendwelcher Geister bemerkt.
Scott ging davon aus, dass Christina und ihre Geschwister Angst davor hatten, dass wir ihnen die Gabe weg nehmen würden, wenn sie die Füße nicht still hielten. Rebecca wiederum glaubte wie immer an das gute in den Menschen und hoffte, sie hätten eingesehen, wie falsch ihre Taten waren.

Ich glaubte da eher Scott, wusste aber, dass es keinen Sinn machte dies bezüglich mit Rebecca zu diskutieren.

"Das ist die richtige Einstellung, Charlie", lobte Martha Charlotte und hielt uns die Tür auf.

Charlotte verdrehte die Augen: "Vermutlich schon".
"Tschüs", rief ich Daniel zu, der dabei war die Gläser in die Spülmaschine zu räumen.
"Bis Samstag", verabschiedete er uns.

Samstagmorgen um halb sieben würde unser Flug von Dublin nach Pula, in Kroatien, gehen. Allein die Uhrzeit, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Aber was tat man nicht alles für eine Woche Sonne, Strand und Meer. Das der wohl anstrengendste Wettkampf meines Lebens auf mich zukommen würde, versuchte ich so gut wie möglich zu ignorieren.

Letzten November bei den den irischen Meisterschaften hatte ich es gerade so geschafft mich für Kroatien zu qualifizieren. Aber nun konnte alles so stattfinden wie wir es geplant hatten. Wir würden zusammen nach Kroatien fliegen und eine unvergessliche Zeit haben. Hoffentlich. Im Geiste sah ich schon, wie ich am ersten Tag in einen Seeigel trat und die restliche Woche vom Rand aus zusehen musste. Aber wie war das nochmal? Positiv bleiben.

Daniel hatte recht gehabt, Benjamin saß tatsächlich schon auf der Kaimauer.
"Hey", ich ließ mich neben ihm sinken und küsste ihn flüchtig.
"Wie wars Training?", fragte er und ließ die Beine von der Mauer baumeln, sodass seine Schuhspitzen das Wasser berühren könnten, würde er die Füße strecken.
"Gut, der Wellengang war super und der Wind hat auch gepasst", fasste ich vage zusammen. Ich wollte ihn nicht mit Berichten über die Windstärke und die Höhe der Wellen langweilen.
"Das klingt ja schon fast zuversichtlich", zog er mich auf.
Ich knuffte ihn in die Seite: "Ich bin verdammt zuversichtlich".

Er lachte, so laut, dass einige Möwen verschreckt aufflogen und vorwurfsvoll kreischten.

"Ohh ich weiß, du bist die Zuversicht in Person aber bevor du mich gleich ins Wasser schubst, wie wärs mit Pizza?".

Diesmal war es an mir zu lachen: "Clever, clever".

Er sprang auf und half mir hoch. 

"Komm, Scott und Rebecca warten bestimmt schon auf uns", damit schulterte er meine Sporttasche. Mittlerweile war er nicht mehr über ihr enormes Gewicht überrascht und selbst wenn, er versteckte es ziemlich gut.

Unsere Finger verschränkten sich miteinander, ohne das ich überhaupt bewusst darüber nachdacht. In den vergangenen knapp sechs Monaten war das ganz natürlich geworden.

Es war ein lauer Frühlingsabend. Die Dämmerung hatte sich noch nicht ganz über Howth gesenkt. Die Möwen schrien und in den Gassen hing der vertaute Geruch von Algen, Salz und Fisch. Alles war so wie es sein sollte. Irgendwie.

Und das war doch mal ein großer Fortschritt.



E N D E

Ghosts of EleoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt