18. Kapitel

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Acting like seven year old Christina.

Meine Füße wirbelten hinter mir Sand auf als ich eilig zu Charlotte aufschloss, die bereits die Treppe zum Hafen erreicht hatte. Atemlos preschte ich ihr hinter her. Sie war um einiges schneller: "Charlotte warte doch!", rief ich und überwand die letzten Meter zur Treppe, das Ziehen in meiner Seite ignorierend. Auf der Hälfte der Treppe wirbelte Charlotte herum, ihr Gesicht war Tomatenrot und während sie auf mich wartete, rang sie nach Luft.

"Ich hab gedacht, du wärst direkt hinter mir", japste sie als ich sie endlich erreicht hatte.
"Nein, Christina wollte irgendwas. Hab sie stehen lassen", erwiderte ich genau so kurzatmig. Wir setzten uns wieder in Bewegung. Als wir erst die Treppe hinter uns gelassen hatten, war das Laufen weniger anstrengend, das Kopfsteinpflaster am Hafen bot schließlich mehr Widerstand als der feuchte Sand unten in der Bucht.
Trotzdem erreichten wir das Vereinsheim keuchend und mit schmerzenden Lungen. Charlotte warf die Tür eine Spur zu heftig auf, sodass die innere Klinke gegen die Wand schepperte, doch niemand störte sich daran.
Man hatte den Tisch an die Seite geschoben, um in dem schmalen Raum mehr Platz zu schaffen. Zwischen den Türen der Jungen und Mädchen Umkleiden kauerte Daniel, auf einer geflickten Decke mit grässlichem Paisleymuster lag Jim auf der Seite.
"Sollten wir nicht eigentlich sowas wie einen erste Hilfekasten haben?", Martha, immer noch in ihrem tropfenden Neoprenanzug, steckte den Kopf aus der Tür zur Abstellkammer.
Verdrießlich sah Daniel zu ihr auf: "Sollten wir ich glaub-"
"Hab ihn!", rief Tyler McCad, der sich bis jetzt hinter der Theke verborgen hatte. "Der ist zwar schon 2007 abgelaufen aber im Grunde ist ein Pflaster trotzdem ein Pflaster".
"Wundschutzschnellverband", korrigierte Martha ihn mit süffisantem Lächeln und trat aus der Abstellkammer.
Daniel gab einen Grunzlaut von sich: "Hört auf zu streiten. Tyler, gib mir den Kasten und ihr anderen, zieht euch trockene Sachen an. Es dauert noch was bis der Krankenwagen kommt".

Ich schluckte schwer. Erst vor ein paar Tagen hatte ich mit Rebecca und Scott darüber gewitzelt, dass Howth der ideale Ort zum verrecken an kleinen Wehwechen sei. In der durchschnittlichen Stadt brauchte der Krankenwagen nach Absetzten des Notrufes nicht mehr als zehn Minuten, um am Unfallort anzukommen. In Howth lag die durchschnittliche Wartezeit auf einen Krankenwagen bei etwa 20 Minuten, wenn man Glück hatte. Das nächste Krankenhaus lag in Portmarnock und besaß sage und schreibe zwei Krankenwagen, auf die ganze fünf der umliegenden Orte Anspruch erhoben.

Hastig zogen wir uns um, wobei auch Christina zu uns stieß. Ich beachtete sie nicht und verschwand kaum hatte ich meine Sweatshirtjacke übergezogen.
Daniel hatte inzwischen die Platzwund an Jims Stirn abgedeckt und saß einfach nur neben ihm und sah zu wie sich dessen Brustkorb regelmäßig hob und senkte.
"Vorschlag, ich bleib hier und du ziehst dir was trockenes an", bot ich an und setzte mich auf die Decke neben Jim.
Daniel sah an sich herunter, offensichtlich hatte er vollkommen verdrängt, dass Martha nicht die einzige war, die eine Wasserspur hinterließ.
"Gut aber wenn was passiert, dann schrei". Ich schenkte ihm ein schmales Lächeln:" Wird gemacht".

Kaum war Daniel verschwunden, trat Samuel wieder in den Hauptraum.
"Hast du eigentlich gesehen was passiert ist?", fragte ich ohne den Blick von Jims sich regelmäßig hebenden und senkenden Brustkorb zu nehmen.
"Nein, erst als es passiert war aber ist ja ziemlich eindeutig was passiert ist", murmelte er und holte einen Eimer und einen Mopp aus der Abstellkammer. Erst jetzt realisierte ich, dass eine hauchdünne Wasserschicht die grauen Fliesen überzog.
"Warum hat Daniel nicht Doktor Freen angerufen?".
Samuel lachte: "Erst einmal ist Doktor Freen ein Tierarzt und zweitens hat er Doktor Freen bei ihrer letzten Begegnung, als er sich mein blaues Auge an sehen sollte, ordentlich eins auf die Nase gegeben".
Bei der Erinnerung kicherte ich: "Warum noch mal?".
Samuel wrang den Mopp aus und zuckte mit den Schultern: "Weiß ich nicht mehr aber ich bin mir sicher, seine Nase war danach gebrochen".
Die Tür zur Mädchenumkleide öffnete sich und Christina rauschte heraus: "Tschüss", sagte sie knapp und fixierte mich dann mit ihren eisigen Augen: "Und wir unterhalten uns noch". Mir wurde kalt und Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Dann schlug die Eingangstür hinter ihr zu und die Kälte war so rasch vergangen wie sie gekommen war.
"Wir unterhalten uns noch?", hakte Samuel nach und wischte den Boden hinter der Theke trocken.
"Egal was alle sagen, ich find sie nicht sympathisch", setzte er mehr zu sich selbst hinter her.
"Ich auch nicht", versicherte ich ihm "Und ich hab absolut keine Ahnung worüber sie reden will", log ich.
"Ich glaub sie nimmt sich selbst ein wenig zu wichtig". Mit dem vollen Eimer in der Hand schob Samuel sich an mir vorbei. Am Fenster hielt er einige Sekunden Inne, bevor er durch die Tür hinaus trat und das Wasser auf die Straße goss.

Ghosts of EleoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt