17.Kapitel

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The Rebecca-Phenomenom

Als ich gefolgt von Danny die Kellertreppe hinauf trabte, empfing uns der Duft der Piccolinis. Mum hatte also wirklich "gekocht".

"Ist Isabel schon da?", rief ich in die Küche hinein.
"Noch nicht", antwortete Mum. Aus der Küche war ein leises Knistern zu hören. Vermutlich packte sie die leeren Piccolini Packungen in den Mülleimer.
"Sie kommt eh zu spät", lachte Danny leise hinter mir.
Ich grinste: "Vermutlich anderen falls, wäre irgendetwas falsch".
"Eben", am Treppenabsatz quetschte Danny sich an mir vorbei und trampelte die Treppe in den ersten Stock hoch.
"Aber zum Essen bist du unten", ermahnte Mum ihn. Sie lehnte gegen die Küchentür und blätterte in einem Modemagazin.
"Zählen zwei große Teller Piccolini auf einem Wohnzimmertisch serviert als richtiges Abendessen?", fragte ich und setzte mich im Schneidersitz auf einen der Küchenstühle. Auf dem Tisch vor mir lagen weitere Zeitschriften.
Ohne von ihrem Magazin aufzusehen sagte sie: "Deine Tante hat mit mir Sandkuchen gebacken und Regenwürmer gegessen, ich glaube nicht, dass sie das je gestört hat".
"Wenn du meinst", ich griff nach einer der Zeitschriften, um darin zu blättern. Erst als mein Blick auf das Inhaltverzeichnis fiel, rümpfte ich die Nase. Ich hatte mir eine Ausgabe der Bella geangelt: "Seit wann genau, kann ich dich nichtmehr meine Mutter nennen?", mit spitzen Fingern hob ich die Zeitschrift hoch. Mum sah auf und lachte: "Die haben sich bei Patty im Büro angesammelt, sie hatte sie alle wohl durch. Keine Angst, wir sind noch verwandt oder dachtest du ich würde mich dafür interessieren, dass man Kate und William bei Selfridges gesehen hat?".
Ich kicherte: "Für eine Sekunde vielleicht".
Mum verdrehte die Augen: "Du weißt doch, ich bleibe lieber bei Country Homes & Interiors und den Zeitschriften beim Zahnarzt".

Ich schob die Ausgabe der Bella auf die andere Seite des Tisches und fischte nach der nächsten Zeitschrift, ein Exemplar der Vogue in dem ich die Stories aus Cannes erfahren könnte - dummerweise interessierten mich die Stories aus Cannes mal so überhaupt nicht. Während Mum begann ihre Zeitschriften zusammen zu packen und auf der Fensterbank zu stapeln, blätterte ich durch eins ihrer Kunstmagazine. Selbst nach 17 Jahren im Haus einer Galeristin, fehlte mir manchmal dann doch das Verständnis für ihre Leidenschaft. Manche Werke fand ich ja auch ganz cool, allerdings konnte ich nicht nachvollziehen, warum Mum eine schwarze Leinwand mit drei weißen Punkten mit Rotstift eingekreist hatte. Kopfschüttelnd schob ich auch das Magazin von mir und schmiss es auf den Stapel.
Der Küchenwecker klingelte, Mum stellte den Ofen aus, ließ die Minipizzen aber drin, bis ihre Schwester auftauchen wollte. Sie hatte sich für vier angekündigt und da wir jetzt viertel vor fünf hatten, konnte es sich nur noch um Minuten handeln.

Trotzdem ging ich noch einmal hoch in mein Zimmer, ich konnte mir die Zeit auch vertreiben, indem ich wenigstens versuchte meine Gälisch Hausaufgaben zu machen bzw. es so aussehen zu lassen, als hätte ich es versucht.
Über mein Heft gebeugt brachte ich einige Sätze auf Papier. Aus Danny Zimmer drangen zarte Töne und untermalten meinen ansonsten drögen Ausführungen über Heimatlyrik. Gegen fünf Uhr klingelte es schließlich an der Tür. Entgegen unserer Erwartung war es nicht Isabel sondern die Rotzgöre unserer Nachbarn, Paige Lowe. Ihre schrille Stimme hallte durch den Flur, die Treppe hoch bis in mein Zimmer. Allein das genügte um sie vor mir zu sehen. Mit ihrem pinken Fahrradhelm, der Brille mit den Glitzersteinchen und ihrem Anorak mit Pferdeaufdruck, stand sie feist grinsend auf der Vortreppe und wollte angemalte Steine verkaufen oder gegen Schokolade tauschen. Sie wusste, dass sie bei Mum damit landen konnte. Nicht etwa, weil Mum einen Platz in ihrem Herzen für das Balg hatte, sondern weil Mum wusste, wenn sie sich Paige verweigerte, würde diese zu ihrem Dad rennen und ihm eins von der bösen Mrs.Eleo vorheulen. Das wäre ja halbwegs verständlich, wenn Paige nicht bereits neun Jahre alt wäre und damit langsam zu alt für solche Spielchen.
Blöderweise fürchtete Mum die Auseinandersetzung mit Mr Lowe, denn egal ob der Streit mit Paige anfing, er endete meistens mit viel älteren Themen, wie der Hecke, die Mr Lower einige Zentimeter zu weit in seinen Garten reichte, oder der Tatsache, dass Danny Sonntags bei geöffnetem Fenster Cello übte oder zu laut Musik hörte.

Ghosts of EleoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt