Der Morgen danach

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Als ich am nächsten Morgen erwachte, war das Erste, was mir auffiel, dass ich nichts anhatte. Ruckartig setzte ich mich auf. Was war letzte Nacht geschehen ? Verdammt ! ich hatte mit dem Phantom der Oper geschlafen !

Das merkte ich auch, weil ich schmerzen hatte. Was hatte ich mir dabei gedacht ?

Die Antwort war simpel : Gar nichts. Ich hatte rein gar nichts gedacht.

Ich hatte nur gefühlt.

Ich schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Da mein Kleid zerrissen war, zog ich mir nur das Unterkleid über den Kopf. Mit der Hand an der Türklinke hielt ich inne. Mein Kopf war wie leergefegt. Wie sollte ich ihm gegenübertreten?

Da hörte ich die Musik. Sie war kraftvoll und zart zugleich. Sie wusch meine zweifel fort und umhüllte mich sanft. Und dann hörte ich ihn singen. Seine wundeschöne Stimme traf mich direkt ins Herz. >Wenn Erik singt, nimmt er einem alle Traurigkeit vom Herzen und macht daraus Musik.<, schoss mir durch den Kopf. Ich atmete tief ein. Dann drückte ich die Türklinke herunter und trat hinaus.

Wieder saß er mit dem Rücken zu mir an seiner Orgel und spielte. Ich fühlte mich schlagartig an die andere Situation erinnert, als ich hier gestanden hatte. Auch damals war ich ohne einen klaren Gedanken und voller Zweifel aus dem Zimmer gekommen. Auch damals hatte er Orgel gespielt, nur mit einem offenen weißen Hemd und einer schwarzen Hose bekleidet, so wie jetzt. War das alles wirklich nur vier Tage her ?

Mir fielen spontan zwei Unterschiede auf : Dieses Mal trug er seine Maske nicht und er tat so, als hätte er mich nicht bemerkt. Dass er mich bemerkt hatte, stand außer frage, doch er ignorierte mich.

Diese Tatsache trieb mir die Tränen in die Augen. Warum tat er das ?

Und warum machte es mir so viel aus ?

>Weil ich mich in ihn verliebt habe.<, dachte ich.

Und endlich gestand ich es mir ein : Ich hatte mich verliebt. In diesen unberechenbaren, seltsamen, launischen..... faszinierenden Mann, den ich kaum kannte.

Das war mal wieder so richtig typisch für mich. Ich meine, beinahe hätte er mich umgebracht ! Er hatte mich in einem Labyrinth alleine gelassen, in dem es nur so wimmelte von Fallen, er hatte mich in eine Folterkammer gesperrt, er hatte mir hinterher geschnüffelt und mich dazu gebracht, meine ausgedachte Geschichte zu erzählen! Apropos dazu muss ich ihm wohl noch die ganze wahre Geschichte erzählen! Und was tat ich? Ich verliebte mich in ihn. Na toll.

Auf einmal hörte er auf zu spielen. "Jetzt sag es schon, Lucy.", sagte er ohne sich umzudrehen. Mein Herz wurde schwer, als ich seinen kalten Tonfall hörte. Ich räusperte mich. "Was meinst du?", fragte ich. "Was soll ich sagen?"

Er drehte sich um. Seine Augen funkelten wütend.

"Was soll das, Lucy? Du weißt genau was ich meine : Das die letzte Nacht ein Fehler war. Und dass wir die ganze Sache am Besten vergessen."

Ich kämpfte gegen meine aufsteigenden Tränen an.

"So denkst du also darüber.", sagte ich mit belegter Stimme. Natürlich. War ja klar.

Da verliebte ich mich einmal, und dann bereute er es, mit mir so etwas....... so etwas....... Überwältigendes geteilt zu haben.

Er blinzelte überrascht. "Nein, das ist es doch, was DU denkst !", stieß er hervor.

"Das stimmt doch überhaupt nicht ! Warum sagst du so etwas ?", rief ich.

Er sprang auf, schoss auf mich zu, packte meine Handgelenke und drängte mich gegen die Wand.

"Du machst mich wahnsinnig, Lucy !", keuchte er.

"Du bist ein einziges Rätsel für mich, und ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn ich etwas nicht verstehe."

"Was kann ich denn dafür ?", rief ich aus, und versuchte mich loszuwinden, doch aus seinem eisernen Griff ab es kein Entkommen.

Er ignorierte meinen Einwurf.

"Lucy, ich verstehe dich nicht. Erst landest du auf einmal in meinen Geheimgängen. Es ist schon ein Wunder für sich, dass du überhaupt überlebt hast ! Ich meine, du bist sechs Meter in die Tiefe gefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen ! Und jetzt ? Jetzt stehst du hier und hast nur eine leichte Gehirnerschütterung !

Dann zeigst du gar keine Angst vor mir, selbst jetzt nicht, wo du mein Gesicht kennst ! Wie, ich frage dich, : Wie ist das möglich ?

Dann hast du nicht nur keine Angst vor mir, sondern noch oberdrein den Mut, mich zu provozieren ! Aber gut, dass könnte auch an deinem aufbrausenden Naturell liegen.

Aber dann : Du findest ganz alleine aus meinem Labyrinth heraus und hast es sogar geschafft, ganz alleine zurück in die Wohnung zu gelangen !

Spätestens nach dem Labyrinth wäre jeder normale Mensch zusammengeklappt, aber nicht so du ! Nein, du bringst es sogar fertig, in aller Ruhe zu schlafen ! Und wäre das nicht schon genug, so schaffst du es sogar in der Folterkammer einen klaren Kopf zu bewahren, was du nicht geschafft hast, als ich dich geküsst habe, denn wärst du da noch bei Verstand gewesen, dann hättest du es niemals so weit kommen lassen !

Lucy, Lucy, was bist du nur für ein Mensch ? Du ist ein einziges Rätsel für mich. Ich verstehe das nicht, ich verstehe DICH nicht, ich verstehe micht einmal mehr mich selbst !

Denn ,obwohl die Logik es verlangt, dass ich dich hassen müsste, so liebe ich dich."

Er keuchte und verstummte.

ich sah ihn mit großen, weit aufgerissenen Augen an.

"Hast du gerade gesagt, du liebst mich ?", flüsterte ich atemlos.

"Oh mein Gott.", hauchte er.

Er ließ mich los und wankte von mir weg. Dann sank er auf die Knie.

Ohne zu zögern folgte ich ihm.

Ich kniete mich vor ihn, genau wie gestern Abend.

Ich streckte meine Hand aus und legte sie auf seine entblößte Brust.

"Ja, das tust du.", flüsterte ich.

"Ich kann es fühlen : Dein Herz schlägt genauso schnell wie meines."

Das Glück exlodierte so heftig in meinem Inneren, dass ich beinahe das Gefühl hatte, es würde mich zerreißen. Ich lächelte.

"Oh Erik.", sagte ich. "Ich liebe dich auch."

Er hob den Kopf und sah mir in die Augen.

Seine strahlenden, smaragdgrünen Augen in mein seltsames Bernstein-Grün-Gemisch.

Sein Blick wechselte von einem misstrauischen Willst-du-mich-verarschen-Blick, über Verwirrung, bis hin zu reiner Freude. Er legte seine Hand über meine, die noch immer an seiner Brust lag, und presste sie an sein Herz.

Das war das erste Mal, dass ich ihn lächeln sah.

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Kapitel fertig! :D ich hoffe es ist gut geworden! :] bei Vorschlägen oder Fehlern bitte melden! :* LG und danke fürs lesen XD

Liebe durch die Zeit? (In Überarbeitung)जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें