Kapitel 29 - Erste Hinweise

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Ich starrte ihn an.
Ich wartete darauf, dass er anfing zu lachen. Doch er tat es nicht. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich brachte kein Wort heraus. Mir schwirrten so viele Fragen durch den Kopf.
Wie sollte er mir helfen können?
Was wusste er, was die anderen nicht wussten?
Meinte er es ernst oder machte er doch nur seine Späße mit mir, um mich wieder zu ärgern?

>>Was?<<, hauchte ich mit erstickter Stimme. >>Wenn das wieder nur eine deiner Maschen ist, um mich zu ärgern, dann ist das ni-.<<
>>Ist es nicht.<<, unterbrach er mich. Unfähig etwas zu sagen, wartete ich darauf, dass er mir mitteilte, was er wusste. >>Ich bin mir noch nicht sicher. Es ist bisher nur eine bloße Vermutung, aber eventuell wüsste ich, wo die Hexen deine Eltern hin gebracht haben könnten.<<
>>Ach ja? Wohin?<<, fragte ich erwartungsvoll.
>>Ich glaube, dass die Urhexen sich in einer anderen Welt befinden und deine Eltern dort gefangen halten.<<, sagte er und meine Aufregung verflog.
>>Ja, das weiß ich schon. Meine Tante vermutet das auch. Aber als ich Veila darauf angesprochen habe und ich sie gefragt habe, ob es außer der Erde und Anderland noch andere Welten gibt, meinte sie, dass den Elfen keine andere Welt mehr bekannt ist. Abgesehen davon, traut sie - und viele andere Elfen - es den Urhexen nicht zu, eine eigene Welt zu erschaffen. So mächtig sind selbst die nicht. <<, sagte ich enttäuscht und ließ die Schultern hängen.
Für einen Moment hatte ich geglaubt, er könnte mir wirklich helfen meine Eltern wieder zu finden. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Meine anfängliche Aufregung verflog so schnell wieder, wie sie gekommen war.
>>Wer hat denn etwas davon gesagt, dass sie eine Welt erschaffen haben?<<, sagte er und ein wissendes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Ich horchte auf und sah ihn fragend an. Seine kurze Redeunterbrechung fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, so sehr fieberte ich dem entgegen, was er zu sagen hatte. An meinen Armen breitete sich Gänsehaut aus vor Aufregung.     >>Ich habe gestern, nachdem ich dich auf dein Zimmer gebracht hatte, bis in die späten Morgenstunden hinein noch in der Bibliothek recherchiert. Ich habe unzählige Bücher gewälzt. Ja, ich war sogar in dem Teil der Bibliothek, den fast keiner mehr kennt. Irgendwann bin ich auf etwas gestoßen, was meine Vermutung bestätigen könnte. Ich glaube auch nicht, dass die Hexen ihre eigene Welt erschaffen haben. Aber was ist, wenn sie eine alte, verfallene Welt so weit wieder hergestellt haben, dass man sie bewohnen kann? Was ist, wenn sie diese - vor Hunderttausenden von Jahren vergessene Welt -  als Zuflucht benutzen und dort deine Eltern gefangen halten?<<, berichtete er mir mit einem Funkeln in den Augen. Ich legte den Kopf schief und grübelte darüber nach, während er weiter erzählte, was er heraus gefunden hatte.                        
>>Zuerst suchte ich in Büchern über das menschliche Universum und über unsere Dimension nach Antworten auf meine Vermutung. Doch als ich dort nicht den kleinsten Hinweis auf eine weitere Welt fand, versuchte ich die ganze Sache von einem anderen Blickwinkel zu betrachten und mir wurde klar, dass ich die ganze Zeit über in den völlig falschen Büchern gesucht hatte. Warum sollte das Wissen über eine weitere Welt in solchen Büchern verfasst sein, wo doch niemand mehr von deren Existenz wusste? Also grub ich tiefer in der Geschichte unserer Welt. Tief unten, viele Ebenen unter der Bibliothek, stieß ich schließlich auf eine alte Schriftrolle über die Geschichte der heiligen Elementargeister und der Urhexen und über den Ursprung unserer Art.<<
>>Und was hast du herausgefunden?<<, fragte ich gespannt, versuchte mir aber gleichzeitig nicht zu viele Hoffnungen zu machen.
>>Ich halte es für besser, wenn du es selbst liest. Ich habe die Schriftrolle bereits auf deine Zimmer bringen lassen.<<, sagte er und ich nickte zustimmend.
>>Ja, vielleicht ist es besser so.<<, antwortete ich, doch in Wahrheit wollte ich nicht, dass unser Gespräch schon vorbei war.

>>In Ordnung. Thranon verlangt nach mir. Ich werde jetzt wohl besser gehen. Wenn ich wieder Zeit habe, suche ich dich auf und dann können wir darüber reden.<<
>>Ich bin wahrscheinlich auf meinem Zimmer. Heute habe ich keine Lust mehr, irgendetwas zu tun.<<
>>Ich werde es mir merken.<<, sagte er und zwinkerte mir zu. Ich wurde rot.
>>Was ist wenn ich diesen Hinweis nicht finde?<<, fügte ich noch hinzu. >>Ich bin mir sicher, dass du es schon erkennen wirst. Und falls es doch nicht der Fall sein sollte, bin ich ja noch da.<<, antwortete er zuversichtlich und bot mir seinen Arm an. Immer noch unsicher, was ich von der ganzen Sache halten sollte, nahm ich seinen Arm und zusammen gingen wir schweigend aus den Gemächern meiner Eltern. Als wir die langen Korridore entlang gingen und schließlich an einer Gabelung kamen, löste sich Kaden von mir und machte Andeutungen nach links zu gehen. >>Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich ungefragt nachgeforscht habe. Aber nach unserer kleinen Auseinandersetzung auf dem Ball, habe ich nochmal über deine ganze Situation nachgedacht und als Wiedergutmachung, habe ich beschlossen dir zu helfen, deine Eltern wieder zu finden...<<, flüsterte er beinahe und ich lächelte innerlich darüber, dass es ihm unangenehm zu sein schien, Reue zu zeigen und nett zu mir zu sein. Ich verstand nur nicht wieso. Warum fiel es ihm so schwer, einfach mal längere Zeit nett zu sein? Warum änderte sich seine Laune von einer Sekunde auf die andere? 
Vielleicht war er es einfach nicht gewohnt, dass man ihn mochte. Obwohl er ja eigentlich mit Alarion befreundet war. Oder er tat sich einfach schwer damit, neue Bekanntschaften zu schließen und sein Herz zu öffnen. Womöglich gründete dies auf seine Vergangenheit. Alarion hatte schließlich irgendetwas darüber erzählt, dass seine Eltern von den Urhexen umgebracht worden waren. Bestimmt hatte er Angst Leute zu verlieren, die ihm nahestanden, weshalb er sich nicht erst mit Anderen anfreundete...

Ich versichere ihm, dass ich es sogar sehr nett von ihm fand, dass er sich über das Verschwinden meiner Eltern Gedanken gemacht und erste Hinweise über ihren Aufenthaltsort gesammelt hatte. Danach trennten sich unsere Wege und er ging seinen Pflichten als Wächter des Waldes nach, während ich mich wieder in Richtung meiner Zimmer begab.

Gegen meinen Erwartungen, fand ich mich schnell in einem Gang wieder, der mir bekannt vorkam und mich zu meinen Gemächern führen würde. Ich ging zügig, denn ich wollte so schnell wie möglich herausfinden, was in der Schriftrolle stand, die Kaden mir auf meine Zimmer hatte bringen lassen. Doch natürlich wurde ich mal wieder an meinem Vorhaben gehindert. Als ich in den nächsten Korridor abbog kam mir eine hochgewachsene Elfe mit tiefschwarzen Haaren und ebenso dunklen Augen entgegen. Sie war ungewöhnlich freizügig und weniger damenhaft gekleidet, als ich es bisher von den anderen Elfenfrauen gewöhnt war. Eine schwarze Ledergarnitur, die aus einer engen, figurbetonten Hose, hohen Stiefeln und einem etwas zu kurzem Oberteil, welches gerade mal ihre Brust und den Großteil ihrer Rippen bedeckte, bestand. An dem rechten Träger glänzte das silberne Blatt, das sie zu einer Wächterin machte. An ihrer Hüfte hing ein fein geschwungener Dolch mit einem Schlangenkopf an dessen Griffende und um ihren kompletten rechten Unterarm trug sie ein seltsam dickes Lederband. 

Als sie nur noch zwei Meter von mir entfernt war, blieb sie abrupt stehen und vollführte einen eleganten Knicks, der einen Hauch von Hohn ausstrahlte. Als sie sich wieder aufrichtete, ließ sie blitzschnell ihren Blick von Kopf bis Fuß über mich wandern und sah mich danach mit einem hinterlistigen Blitzen in den Augen und einem abwertenden Lächeln auf den Lippen an.            >>Euer Hoheit, es freut mich wirklich sehr Euch nun persönlich zu begegnen.<<, höhnte sie und stemmte eine Hand in die Hüfte. Ich beneidete sie um ihre selbstbewusste und grazile Körperhaltung.  >>Die Freude ist ganz auf meiner Seite.<<, antwortete ich ausdruckslos. So beneidenswert ihr Auftreten auch war, sie war mir schon jetzt furchtbar unsympathisch.       >>Ich komme gerade von Euren Gemächern.<<, sagte sie und deutete anmutig in die Richtung, aus der sie gekommen war. 

>>Was führte Euch denn zu meinen Räumlichkeiten, wenn ich fragen darf?<<, fragte ich scharf und versuchte dabei so autoritär wie möglich zu klingen.

>>Ihr braucht mich nicht so förmlich anzusprechen. Ich bin nicht von hoher Geburt, so wie Ihr. Du oder Alya reicht völlig. <<, warf sie ein und grinste wie eine Raubkatze, die sich gleich auf ihre Beute schmeißen würde. >>Kaden hat mich persönlich darum gebeten Euch die Schriftrolle zu bringen, die er für Euch in der Bibliothek gefunden hat und die Euch helfen wird, Eure Eltern zu finden.<<, antwortete sie und schien besonders hervorheben zu wollen, dass Kaden sie dazu auserwählt hatte mir die Schriftrolle zu bringen. Ich zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch. >>Woher weißt du davon, dass Kaden mir helfen möchte, meine Eltern wieder zu finden?<<.  >>Nun, Kaden vertraut  mir, Euer Hoheit. Wir stehen uns sehr nahe, müsst Ihr wissen.<<              Mir stieg die Röte ins Gesicht vor Ärger. Dieses Mädchen war mir nicht nur unsympathisch. Nein, ich konnte sie schon jetzt bis aufs Blut nicht ausstehen. Und sie mich offensichtlich auch nicht. Doch wenn ich jetzt wütend wurde, würde ich genau das machen, was sie wollte. Diese Genugtuung wollte ich ihr nicht geben. >>Das ist ja...schön.<<, antwortete ich mit zusammen gebissenen Zähnen. >>Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Ich muss jetzt leider gehen, denn die Schriftrolle, die Kaden mir bringen lassen ließ, wartet auf mich. Außerdem wollte er mich nachher noch besuchen kommen, um mir zu helfen.<<  Ich sah ihr fest in die Augen, um ihre Reaktion zu beobachten, doch sie senkte nur den Kopf, wie zur Verbeugung und verabschiedete sich übertrieben höflich. Hoch erhobenen Hauptes stolzierte sie den Gang hinab und verschwand bald in der Abzweigung, aus der ich gekommen war. Sie war gut darin ihre Gefühle zu verbergen. Das musste ich ihr lassen.

Ich machte mich ebenfalls wieder auf den Weg.
Offensichtlich hatte ich mehr Feinde am Hof und in Ankaria, als ich bisher gedacht hatte.
Bereits in den ersten zwei Tagen, hatte ich eine Handvoll Leute kennengelernt, die keinen Hehl daraus machten, dass sie mich nicht leiden konnten und meinen Anspruch auf den königlichen Thron nicht begrüßten. 

Ich straffte den Rücken. Sollten sie nur weiter machen! Ich würde meine Eltern zurück holen und dann hatten sie die Herrscher, die sie wollten. Ich war sowieso nicht dazu geeignet, Königin zu sein. Doch bis meine Eltern nicht wieder da waren, würde ich nicht klein bei geben!

Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now