Kapitel 5

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Ich betrat eine Bibliothek, die meine Vorstellungskraft übertraf. Vor mir ragten zwei Kuppeln empor, die von mächtigen Säulen getragen wurden. Links und rechts führten zwei riesige Bögen in jeweils einen weiteren Teil der Bibliothek, die ebenfalls von jeweils einer kleineren Kuppel überdacht waren. Die weiß-goldenen Bücherregale, die jede Wand und jede Säule säumten, wurden von dem strahlenden Licht der Mittagssonne, welches durch die hohen Fenster, die am hinteren Ende und in den Seitenflügeln eingelassen waren, beleuchtet, sodass das Gold noch majestätischer und das Weiß noch strahlender wirkte.

Die Deckenfresken zeigten unterschiedliche Motive; von irgendwelchen Symbolen, bis hin zu ganzen Szenenbildern, in denen kräftige Hirsche anmutig durch den Wald sprangen und von Menschen auf Pferden verfolgt wurden oder wo eine wunderschöne Frau auf einem moosbedeckten Boden kniete und in ihrem Schoß, der Kopf eines weißen Einhorns lag. All dies und noch Vieles mehr entdeckte ich in der Kuppelbemalung.

Die riesigen Regale waren über und über mit den unterschiedlichsten Büchern befüllt. Es gab die verschiedensten Größen und Farben. Die Meisten hatten dicke, ledrige Einbände und waren teilweise mehrere Jahrhunderte alt. In einem kleinen Teil der Bibliothek gab es sogar neuere Bücher, darunter auch einige wenige Romane.

Mittig von der Bibliothek stand ein fein geschnitzter Bücherhalter aus dunklem Holz. Ein schweres, altes Buch lag aufgeschlagen darauf. Die Sprache verstand ich allerdings nicht, denn es war auf Latein geschrieben, vermutete ich jedenfalls. An den Seiten stand ein alter Globus, der mir bis zur Hüfte reichte und auf einem Holztisch lag ausgebreitet eine Weltkarte. Erschrocken entdeckte ich einen kleinen Dolch, der so tief wie mein Daumen, im Holz des Tisches steckte. Jemand hatte ihn kräftig, westlich von Irland, in den Tisch gehauen. Ich streckte schon die Hand aus um den Dolch heraus zu ziehen, ließ es dann jedoch bleiben, da ich nicht wusste, was ich dann mit ihm machen sollte.

In der Bibliothek standen noch diverse andere Geräte, darunter sogar ein Teleskop, dessen Objektiv, durch die linke Fensterseite, auf den Himmel gerichtet war. Alles in diesem Raum befand sich in einer perfekten Harmonie miteinander und ich wusste jetzt schon, dass ich hier oft hinkommen würde. Nachdem ich mich fürs erste genug umgesehen hatte, machte ich mich, in diesem Meer von Büchern, auf die Suche nach Antworten. Da ich nicht vermutete, dass ich diese unter den uralten Büchern - die hauptsächlich Geschichtsbücher waren und teilweise schon auseinander fielen - finden würde, ging ich zu den Regalen mit den neueren Büchern. Da sich die Bücher mit dem Buchstabe T, weiter oben außerhalb meiner Reichweite befanden, nahm ich mir eine Leiter und rollte sie an die richtige Stelle. Ich musste fast bis nach ganz oben klettern um an die Bücher heran zu kommen. Meine Suche nach dem richtigen Buch dauerte länger als erwartet. Endlich fand ich, was ich suchte. Ein Buch mit dem Titel „Traumdeutungen" von einem Autor den ich nicht kannte.

Im Endeffekt hatte ich mir allerdings nicht nur ein Buch ausgesucht, sondern gleich fünf. Zufrieden kletterte ich die Leiter wieder herunter und setzte mich auf einen gut gepolsterten Sessel in der Ecke und legte die Bücher auf den kleinen Beistelltisch ab. Ich zog den Fußhocker näher heran und legte meine Beine darauf. Nachdem ich es mir bequem gemacht hatte, nahm ich zuerst das Buch, welches ich als erstes entdeckt hatte und klappte es auf. Ich blätterte ein wenig durch die Seiten, doch ich fand nichts was mir wirklich half.

Ich klappte das Buch wieder zu und griff nach dem Nächsten. Bis in den späten Nachmittag las ich in den Büchern, doch in jedem Buch stand fast dasselbe. Seufzend stand ich auf und brachte die Bücher wieder an ihren Platz.

Vielleicht schadete es ja doch nicht, sich mal bei den älteren Büchern umzusehen. Diesmal fand ich relativ schnell ein Buch, welches die Antworten auf meine Fragen beinhalten könnte. Der Buchrücken war breit und ledrig und Buchstaben aus Blattgold zierten es, die allerdings bereits abblätterten, sodass ich den Titel „Mysterium Traum" gerade noch so lesen konnte. Der Name des Autors war bereits vollkommen abgeblättert, bis auf ein paar stecknadelkopfgroße Goldstückchen, die auf dem dunklen Leder funkelten, wie Sterne am Nachthimmel. Ich lächelte, denn irgendwie schien es zu passen. Sterne und Träume. Ich setzte mich wieder auf mein Platz und begann das Buch zu lesen. Vom ersten Moment an fesselte mich dieses Buch, obwohl ich Mühe hatte es zu lesen, da es sehr kompliziert ausgedrückt war.

Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now