Kapitel 12

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Binnen einer Sekunde war ich auf der anderen Seite des Portals angekommen und machte sofort Platz für die Nächsten, die durch es hindurch kommen würden.

Mehrere Minuten vergingen, doch niemand kam durch das Tor.

Unruhig wandte ich mich auf meinen Sattel hin und her und auch Major schien es unbehaglich zu werden, denn er legte die Ohren an und tänzelte auf der Stelle. Eine Stille senkte sich über die Lichtung, wie als würde die Natur den Atem anhalten. Kein Vogel trällerte seine wunderschönen Lieder, kein Tier haschte durchs Unterholz und auch das Rascheln der Blätter war verstummt. Major und ich waren allein.

Was war nur los? Thranon hatte doch gesagt, dass er direkt hinter mir sein würde. Nervös spielte ich mit Majors Zügel und starrte auf das Portal.

Wenn in zwei Minuten niemand hier ist, gehe ich wieder zurück.

Eine Minute verging. Zwei Minuten. Zweiundhalb Minuten.

Bei der dritten Minute wellte sich plötzlich der goldene Schleier stärker. Endlich würde jemand hindurch kommen.

Ich senkte erleichtert die Schultern und tätschelte Majors Hals. Doch Major schien sich immer noch nicht beruhigen zu wollen. Hart fühlte ich seine angespannten Musklen unter meinen Fingern und er schüttelte aufgebracht den Kopf, sodass seine Mähne mir, wie ein schwarzer, unheilverkündender Schleier, die Sicht auf das Portal nahm.

Doch anstatt, dass ein vertrautes Gesicht auftauchte, schien sich der goldene Schleier aufzulösen.

Nervös biss ich mir auf die Lippe und überlegte fieberhaft, was ich jetzt machen sollte.

>>Jetzt sei nicht so ein Angsthase!<<, wies ich mich selbst zurecht und griff Majors Zügel fester. Wiederwillig warf er den Kopf zurück und blähte die Nüstern, wie als wüsste er, dass auf der anderen Seite nichts Gutes auf uns wartete und er mich vor dem schützen wollte.

Trotzdem gab ich ihn die Sporen und wir gallopierten auf das Portal zu, das inzwischen nur noch schwach schimmerte. Major sprang im allerletzten Moment hindurch und ich wusste, wären wir nur eine halbe Sekunde später gewesen, wären wir nicht mehr hindurch gekommen.

Wieder auf der Erde füllte ein ohrenbetäubender Lärm meinen Kopf. Das Geräusch von Metall, das auf Fleisch und Krallen traf, hallte über die Lichtung. Dazu mischten sich vereinzelt die Schreie der Elfen, die verwundet wurden und das tiefe Brüllen von solch grauenerregender Kreaturen, wie es sie nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen gab.

Schlitternd brachte ich Major zum Stehen, bevor wir eine der Kreaturen rammen konnten, die tot auf dem blutgetränkten Boden lag. Das Blut spritzte in alle Richtungen, als sich Majors Hufen in den glitschigen Boden rammten.

>>Was tut Ihr hier, Euer Hoheit! Ihr solltet auf der anderen Seite bleiben.<<, schrie mir ein Elf über den Lärm des Gemätzels zu. Er stand neben einem, der zwei zusammengewachsenen Eichen und hatte gemeinsam mit einem anderen Elf das Portal geschlossen. Ich ritt näher an ihn heran, um ihn besser zu verstehen. Außerdem flog gerade ein abgetrennter Kopf von einem dieser ekelhaften Viecher an mir vorbei und landete mit einem wiederlichen Klatscher auf dem Boden. Dort rollte er noch einige Zentimeter weiter und verschwand schließlich zwischen den dichten Blättern eines Strauchs, sodass ich nicht in seine toten Augen, geschweige denn seinen abgetrennten Hals, dessen Adern noch so verkrampft waren, dass noch kein Blut herausströmte, sehen musste. Ich hustete und versuchte meinen Mageninhalt bei mir zu behalten.

>>Warum habt Ihr das Portal geschlossen? Ihr hättet Euch doch alle in Sicherheit bringen können.<<, fragte ich und hielt mich schön abseits des Gemätzels. Aufmerksam beobachtete ich von Majors Rücken, ob mich auch keiner dieser riesigen, mutierten Wölfe ins Visier nahm. Die Elfen waren zwar in der Überzahl, doch diese Wölfe waren so riesig und wuchtig wie ein Grizzly. Wenn ich ihre riesigen Pranken betrachtete, wusste ich, dass sie damit bestimmt mühelos einen Menschen und wenn nicht sogar einen Elfen zerquetschen konnten.

Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Onde as histórias ganham vida. Descobre agora