Kapitel 3 - Ankunft

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Ich wachte auf, als mein Kopf gegen die Wand des Flugzeugs knallte. Ich hatte mit dem Kopf gegen die Wand des Flugzeugs geschlafen. Das Flugzeug ruckelte leicht und ich setzte mich schnell aufrecht hin, damit ich mich nicht noch einmal stieß. Zu Glück war es nicht besonders schmerzhaft gewesen. Ich konnte viel Schlimmeres aushalten und war nicht so empfindlich wie andere Mädchen. Generell verletzte ich mich seltener, obwohl ich manchmal etwas tollpatschig war.

Als das Flugzeug erneut ein wenig ruckelte, bekam ich leicht Panik. Klar wusste ich, dass selbst starke Turbulenzen dem Flugzeug nichts anhaben konnten und dass meistens technische Fehler für den Absturz eines Flugzeugs verantwortlich waren, doch meine Fantasie ging da mit mir durch und malte sich jetzt schon die schlimmsten Szenarien aus.

Blöderweise musste ich jetzt auch noch ganz dringend auf Toilette, obwohl ich mich am liebsten angeschnallt hätte und wie eine Statue auf meinem Platz sitzen geblieben wäre. Doch jetzt wo ich noch weiter darüber, konnte ich nicht mehr sitzen bleiben. Ängstlich erhob ich mich von meinem Platz. Ich schaute zu Kadens Platz herüber. Er war weg. Vielleicht war er ja auch auf die Toilette gegangen.

Ich zuckte gedanklich die Achseln. Was kümmerte es mich, wo er hin war. Vorsichtig schob ich mich Stück für Stück den Gang entlang. Dabei hielt ich mich an den Rückenlehnen der nicht besetzten Plätze fest. Hinter meinem Sitz schlief Emily friedlich mit ihrem Hasi im Arm. Daneben las Sophie eine Klatschzeitschrift. Als ich an ihr vorbei kam, lächelte sie mich über den Rand der Zeitung hinweg an. Ich lächelte zurück und arbeitete mich weiter nach hinten. Dan schnarchte leise in seinem Sitz, die Brille lag komplett schief auf seiner Nase und ich lachte in mich hinein. Den Weg zur Toilette überwand ich ohne Zwischenfälle.

Nachdem ich mich erleichtert hatte, ging ich wieder zu meinem Platz zurück. Das Ruckeln hatte inzwischen nachgelassen und ich schritt ganz normal den Gang entlang. Gerade als ich mich hinsetzten wollte, ging mit einem leisen Pling das Anschnallzeichen an, das Flugzeug ruckelte ein wenig stärker zur Seite als vorher und ich konnte mich nicht mehr festhalten. Meine Hände griffen in die Luft und ich fiel nach hinten.

Ein starker Arm schlang sich von vorne um meine Taille und der andere hielt mich unter den Schulterblättern. Zitternd schaute ich nach oben und blickte in Kadens wunderschöne, grüne Augen. Sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. Meine Welt beschränkte sich auf sein Gesicht und wir starrten uns einen Moment lang in die Augen, der mir vorkam, wie eine halbe Ewigkeit. In meinem Bauch kribbelte es und mein Herz schlug Purzelbäume.

Ich konnte jedes kleinste Detail in seinem Gesicht sehen, wie zum Beispiel das kleine Muttermal in seinem rechten Auge oder die winzige Narbe, die von seiner Oberlippe zu seiner Unterlippe überging und ihm einen leicht grimmigen Zug verlieh.                                                                                                            

Seine Hände spürte ich überdeutlich an meinem Körper. Nur eine dünne Schicht Kleidung trennten meine Haut von seinen stützenden Händen. Dort wo sie mich berührten fühlte sich meine Haut heiß an und ich spürte Etwas, was sich wie kleine Stromstöße anfühlten, die über meine Haut tanzten und mir die winzigen Härchen auf der Haut aufstellten. Dann zog er seinen rechten Mundwinkel hoch und schenkte mir sein schiefes Lächeln. Würde er mich nicht in seinen Armen halten, wäre ich vermutlich bereits dahingeschmolzen und läge wie ein dahin schmachtendes Häufchen auf dem Boden.

Aus den Augenwinkeln sah ich eine leichte Bewegung, Kadens Blick huschte dorthin und ehe ich es mich versah, stand ich wieder aufrecht und Kadens Hände ließen von mir ab. Sein Blick versteinerte sich und er setzte eine ausdruckslose Maske auf. Er nickte in meine Richtung, was fast schon wie eine Verbeugung aussah und setzte sich wieder hin und ließ mich verwundert im Gang stehen. Kaden schaute noch einmal schnell schräg hinter sich und ich folgte seinem Blick. Meine Tante schüttelte gerade ein wenig missbilligend den Kopf in Kadens Richtung. Es wirkte irgendwie,... als kannten sich die beiden und Sophie würde ihn mit ihren Blicken tadeln. Als meine Tante sah, dass ich sie anschaute, lächelte sie mich an und tat so, als wäre nichts gewesen. Aber vielleicht war auch nichts gewesen, und ich bildete mir das auch nur ein.                            
Ein weiteres Ruckeln ließ mich schnell wieder auf meinem Platz sitzen. Zur Vorsicht legte ich mir noch den Anschnallgurt an.

Den Rest des Fluges verbrachte ich damit mich mit allem abzulenken -hauptsache ich müsste nicht an den 'Unfall', seine Blicke, seine Hände, die auf meiner Haut lagen oder sonst irgendetwas, was mit Kaden zu tun hatte nachdenken. Denn blöderweise ging er mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war praktisch so, als hätte er mich gebrandmarkt. Ab und zu schaute ich verstohlen zu ihm herüber, doch er mied es auch nur in meine Richtung zu schauen.

Nach circa 14 Stunden Flug, mit einem Zwischenstopp in Atlanta, waren wir endlich in München angekommen. Da wir um 10:35 Uhr Morgens in New Orleans gestartet sind und wir eine Zeitverschiebung von New Orleans nach München von ungefähr sieben Stunden hatten, waren es bei der Landung 07:35 Uhr am nächsten Morgen. In New Orleans wären es 00:35 Uhr nachts. 

Nach der Landung war ungefähr eine dreiviertel Stunde vergangen, als wir den Flughafen verließen. Die kalte Morgenluft Münchens schlug mir entgegen.                                                                                               Wir standen kaum fünf Minuten draußen, als auch schon ein schwarzer SUV vorfuhr und leise zum stehen kam. Die Fahrertür ging auf und ein älterer Mann in einem Anzug stieg aus. Er trug eine Fliege, anstatt einer Krawatte und hatte schon weiße Haare auf dem Kopf. Er trug einen ebenfalls weißen Schnauzer, der freudig nach oben hüpfte, als er uns erblickte und lächelte. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, doch er wirkte sehr freundlich. Meine Tante ging lächelnd auf ihm zu und schüttelte ihm fröhlich die Hand.

>>Hallo Johann! Es freut mich Sie wiederzusehen. << Begrüßte sie ihn.

Er machte eine dankende Kopfbewegung, die schon leicht eine Verbeugung ähnelte.

>>Es freut mich ebenfalls, dich wieder in München begrüßen zu dürfen. << Sagte er und wandte sich dann an uns.

>>Sie sind dann wohl Dan, der Mann von Sophie. Freut mich, sie endlich mal kennenzulernen. << Sagte er und schüttelte Dan ebenfalls die Hand. Dieser grüßte ihn zurück und Johann begrüßte als nächstes Emily, welche ihn anscheinend direkt mochte und ihn eifrig mit Fragen durchlöcherte, bis Sophie ihr sagte, dass es fürs erste genug Fragen gewesen waren. Doch dieser Johann hatte ihr alle Fragen geduldig beantwortet, und schien sich nicht daran zu stören. Damit verdiente er sich schon ein bisschen Respekt von mir, denn es war manchmal nicht so leicht mit Emily geduldig umzugehen.

Als er dann zu mir kam, machte er wieder, diese verneigende Kopfbewegung, nur diesmal etwas tiefer. Fragend hob ich eine Augenbraue.

>>Meine Güte bist du groß geworden! Als ich dich das letzte mal gesehen habe, da warst du noch ganz winzig. Daran kannst du dich wahrscheinlich nicht mehr erinnern, immerhin warst du da gerade erst ein bisschen älter als zwei Jahre, deswegen stelle ich mich dir noch mal vor. Ich bin Johann und arbeite schon seit langem für deine Familie und habe all die Jahre geholfen euer Haus hier in München in Stand zu halten und nun seid ihr endlich wiedergekommen! Ach, das lässt mein altes Leben nochmal in Schwung kommen. << Sagte er und grinste mich dabei strahlend an. Es sah irgendwie süß aus, und ich wusste, dass ich ihn sehr gern haben würde.

Während Johann und Dan unser Gepäck im riesigen Kofferraum verstauten, schaute ich mich nochmal um und hielt nach einem gewissen Jungen mit grünen Augen Ausschau. Seit der Gepäckrückgabe hatte ich ihn nicht mehr gesehen und er schien mich auch zu meiden, obwohl ich nicht wusste, wieso. Er hatte mir nicht einmal auf Wiedersehen gesagt, was mich irgendwie verletzte. Ich ließ meinen Blick weiter umherschweifen und entdeckte seine schlanke und anmutige, aber gleichzeitig von Kraft strotzende Figur von hinten. Er hob gerade mit Leichtigkeit seinen riesigen Koffer in den offenen Kofferraum eines Taxis. Mit einem leisen Knall schloss er den Kofferraum, ging um das Taxi herum und öffnete die Beifahrertür. Plötzlich hielt er inne, drehte den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Ohne die Miene zu verziehen starrte er mich an. Doch dann lächelte er endlich. Auf meinem Gesicht breitete sich ebenfalls ein schüchternes Lächeln aus und ich winkte zaghaft zum Abschied. Er winkte zurück und stieg in das Taxi.                                                          

Als ich beobachtete, wie es sich langsam entfernte, fragte ich mich, ob dies unsere letzte Begegnung gewesen war.

Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now