Kapitel 24 - Ein Bad voller Gedanken

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Zur Hölle nochmal, seine Stimmungschwankungen machten mich echt verrückt! Als wäre alles nicht schon schwierig genug, musste ich mich auch noch mit einem verdammt heißen Typ rumschlagen, von dem ich nicht wusste, ob er mich jetzt mochte oder nicht.

Meine Zofe sah mich vielsagend an und wollte offensichtlich etwas sagen, aber sie merkte, dass ich gerade nicht die Laune für Schwärmereien und Witze hatte. Ich ließ die Hand sinken, vergrub sie in dem weiten Rock meines Kleides und Alara machte sich mit einem verkniffenen Grinsen an die Schnürung des Mieders. Wortlos half sie mir das schwere Kleid über den Kopf zu ziehen und befreite mich als nächstes von dem Korsett. Als sie es endlich abnahm, fühlte ich mich gleich besser und ich streckte mich ersteinmal ordentlich. Trotzdem lastete das Geschehene noch stark auf meinen Schultern und damit meinte ich nicht nur den Angriff dieser Schattenmenschen, sondern alles, was seit dem Umzug passiert war. Alara verschwand kurz und brachte mir einen hellblauen Morgenmantel aus feinster Seide. Ich sagte ihr, dass ich ab hier den Rest selbst machen konnte und sie zog sich zurück, während ich den Unterrock auszog und den Morgenmantel überstreifte.

Alara führte mich nebenan ins Badezimmer. Es war riesig. So groß wie mein altes Zimmer.

Meine Zofe deutete mit einer kurzen Geste auf eine freistehende Badewanne. >>Ich habe dir schon Wasser eingelassen. Ich hoffe die Temperatur ist in Ordnung.<<, sagte sie und schob mich so vorsichtig zu der Badewanne, als könnte ich jederzeit zerbrechen. Vielleicht würde ich das ja auch, wenn es so weiter ging...

Ich trat an die weiße Wanne, mit den goldenen Löwenfüßen und fühlte mit zwei Fingern die Temperatur des Wassers.

>>Ja, sie ist perfekt. Danke.<<, sagte ich leise und war Alara wirklich dankbar. Genau das brauchte ich jetzt. Ja, eine heiße Badewanne wäre jetzt göttlich.

>>Als Badezusatz habe ich dir etwas Kamille in das Wasser getan. Das wird dich beruhigen.<<, sagte sie und zog sich langsam zurück. Ich dankte ihr nochmal und sie verschwand lächelnd durch eine der Türen.

Gedankenverloren streifte ich mir den himmelblauen Stoff von den Schultern und ließ den seidigen Morgenmantel zu meinen Füßen fallen. Danach zog ich meine Unterwäsche aus. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und stieg zögerlich in die Wanne. Seufzend sank ich in das warme Wasser und schloss müde die Augen. Der Wasserdampf kitzelte meine Nase und verteilte den unverwechselbaren Duft von Kamille. Das Wasser reichte mir bis zum Hals und hüllte mich in seine Wärme ein. Ich lehnte den Kopf zurück und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Doch sie wirbelten in meinen Kopf umher, wie ein Tornado auf einem Campingplatz. Immer wieder sah ich, wie das Maul des Barghest mein gesamtes Sichtfeld eingenommen hatte, wie mein Körper in der Erde verschwunden war, wie Veilas stahlgraue Augen mich auszulachen geschienen hatten und wie das Baby, in den Armen der wunderschönen Elfe, die Augen geöffnet hatte, sich als mich herausgestellt und mein Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hatte.

Jetzt war ich hier und alles war anders.

Ich öffnete die Augen und schaute an die Decke. Nach einer Weile begann ich mich mit einem nach Lavendel duftenden Stück Seife einzuschrubben. Obwohl ich bereits vor dem Ball schnell gebadet hatte, um den Dreck des Kampfes abzuwaschen, schrubbte ich mich so fest ab, als könnte ich damit auch die Erinnerungen weg waschen. Doch natürlich waren sie immer noch da und würden es auch immer bleiben. Trotzdem entspannte ich mich, als ich jeden noch so winzigen Partikel Dreck abgewaschen hatte.

Durch eine offene Balkontür links von mir schien das kühle Licht des Mondes und ließ meine Haut silbern schimmern. Die sanfte Brise ließ die dünnen, weißen Gardinen kaum merklich wehen. Die Sterne glitzerten am wolkenlosen Himmel und ich konnte die dunklen Wipfel der riesigen Bäume in der Ferne sehen, denn meine Gemächer lagen weit oben, in einem der Türmchen des Palastes. Die Nacht wirkte wieder so friedlich und unschuldig, als wäre nichts geschehen. Doch ich wusste es besser. Ich hätte schon zum zweiten Mal, an einem Tag, beinahe mein Leben verloren! Das eine Mal, hatte ich mich selbst mit Hilfe von Magie, was mir immer noch völlig suspekt vorkam, aus den Klauen eines Barghest befreit und das andere Mal hatte mich Kaden vor den Schatten mit den Totenkopfmasken gerettet. Was war nur los in dieser Welt? Wie sollte ich das alles durchstehen? Das nächste Mal hatte ich vielleicht nicht so viel Glück und Niemand war da, um mich zu retten oder ich konnte meine Magie nicht anzapfen und mal eben ein Monster fünf Meter weit weg katalputieren.

Zwei Angriffe an einem Tag. Bitte war das alles nur ein langer, schrecklicher Albtraum und ich würde gleich in meinem vollgestopften, aber gemütlichen Zimmer in New Orleans aufwachen. Ich kniff mir in den Arm und biss mir auf die Zunge, doch ich fand mich weder in meinem Bett in New Orleans, noch in München wieder. Ich sank mental erschöpft bis zum Kinn ins Wasser und stieß resignierend den Atem aus. Kleine Wölkchen aus Schaum flogen davon und ich betrachtete, wie sie langsam wieder auf die Oberfläche zurück sanken. Ich atmete tief ein und tauchte mit dem Kopf unter Wasser.


Nachdem ich mit einer kleinen Glocke geklingelt hatte, war Alara schweigend hereingekommen und hatte mir ein Handtuch, neue Unterwäsche aus meinem Koffer und ein dünnes Nachthemd, sauber gefalten auf ein Tischchen neben der Wanne gelegt. Danach hatte sie meine alte Wäsche aufgehoben und hatte genauso still den Raum wieder verlassen.

Ich erhob mich aus der mittlerweile nur noch lauwarmen Wanne und trocknete mich halbherzig ab. Meine Haare klebten nass an meinen Rücken. Da ich keine Lust hatte sie zu föhnen – mal abgesehen davon, dass ich nicht wusste, ob es hier überhaupt Strom und einen Fön gab – rubbelte ich sie kurz mit dem Handtuch ab und band sie mit einem Haargummi zu einem nassen Knoten zusammen. Ich schlüpfte in meine Unterwäsche, ließ aber den BH weg, da ich es unglaublich unbequem fand, damit zu schlafen und zog das Nachthemd an. Es war ein feines Spitzennachthemd aus eisblauer Seide und reichte mir gerade mal über den Po. Ich musste dringend mal mit Alara über die Länge meiner Nachthemden reden. Doch das konnte warten bis morgen – oder auch übermorgen. Ich wollte jetzt einfach nur noch schlafen und nicht mehr über das nachdenken, was alles passiert war.

Ich schleppte mich durch die Tür, durch die Alara gegangen war und fand sie wartend im Salon. Sie setzte sich sofort in Bewegung und brachte mich durch eine weitere Tür in mein Schlafzimmer. Das etwas kleinere, aber dafür umso gemütlicheres Zimmer wurde von mehreren Kerzen in Wandhalterungen erleuchtet. Zu müde, um es noch weiter zu betrachten, ließ ich mich bäuchlings auf das breite Himmelbett fallen, welches sehr dem in dem neuen Haus in München ähnelte. Alara ging zu der Fensterseite und zog die schweren, purpurnen Vorhänge zu und bließ nach und nach die Kerzen aus, bis nur noch auf meinem Nachttisch eine einzelne Flamme brannte. Ich schlüpfte unter die weiche Decke und rollte mich seuftzend zusammen. Ich war schon fast eingeschlafen, als Alara auch die Kerze auf meinem Nachtschränkchen auspustete und mir eine gute Nacht wünschte. Ich murmelte ein Dankeschön und wünschte ihr ebenfalls eine gute Nacht. Als sie die Tür schloss, versiegte auch die letzte Lichtquelle und es wurde stockdunkel. Halb am schlafen, rückte ich mir die Kissen unter meinem Kopf zurecht und schlang die Arme um meine angewinkelten Beine. Und so driftete ich weg und betrat das Reich der Träume.


Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now