Kapitel 18

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Es war keine Lüge gewesen, dass Alara und die anderen mich, bevor der Ball begann, noch einmal durchchecken wollten. Allerdings hatte ich den Saal ein wenig zu früh verlassen und Fürstin Calandra war noch nicht da, um mich abzuholen.

Obwohl ich nicht wusste wo ich hinkommen sollte, geschweige denn, dass ich den Weg gewusst hätte, bog ich völlig willkürlich nach links ab und eilte den Gang entlang. Nur weg von Veila und ihrem fiesen Enkel.

Außer ein paar Wachen, die gelegentlich an den Seiten standen, begegnete ich niemanden. Ich wusste nicht, ob ich dankbar dafür sein sollte oder nicht. Zurück zu gehen und auf Calandra warten und dabei vielleicht noch einmal Veila zu begegnen, kam auf keinen Fall infrage. Deswegen ging ich jetzt ein wenig langsamer weiter und schaute mich um.

Wie auch die Zimmer, waren die Korridore groß und lichtdurchflutet. Die Wände und Decken waren in einem sanften creme Ton gehalten und die Fußleisten, sowie die zarten Deckenfresken waren golden.

Besonders schön fand ich, dass teilweise die Wände mit zarten Kletterpflanzen bewachsen waren, die aus dem nichts zu wachsen schienen. Doch während ich weiterging, fühlte ich mich mehr und mehr beobachtet, je dichter die Pflanzen wuchsen. Unbehaglich schaute ich mich mehrmals um, doch da war nichts. Ich konnte lediglich ab und zu ein leises Summen wahrnehmen und manchmal raschelte es in den Blättern zu meinen Seiten, doch sobald ich zu den Wänden schaute verstummte das Summen und ich konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Naja, bis auf die Pflanzen, die einfach so aus den Wänden sprossen. Als ich an einem besonders überwucherten Stück vorbeikam und das Summen wieder lauter wurde, betrachtete ich es genauer. Zuerst entdeckte ich nichts, doch dann blitzte kurz etwas zwischen den Blätter hervor, wie ein Spiegel den man in die Sonne hielt. Ich schob

ein paar Blätter auf Seite und fand mich gegenüber von mehreren winzig kleinen Wesen wieder, die mich alle mit erschrocken anschauten.

Die kleinen zehn Zentimeter großen Männchen waren vor Schreck wie erstarrt.

Ihre Augen waren im Verhältnis zum Kopf unnatürlich groß und so rund, wie große schwarze Knöpfe. Statt Haare sprossen Pusteblumen, Gras und verschiedene Blüten aus ihren Köpfen.

Ihre Haut war so hell wie Elfenbein, doch im Gesicht, an den Armen und an den Beinen zierten bunte filigrane Muster die Haut. Ihre Klamotten bestanden aus alles, was man in der Natur so finden konnte. Die Weiblichen trugen hauptsächlich Kleider aus farbenfrohen Blumenblättern, während die Männlichen winzige geschneiderte Latzhosen aus grünen Blättern trugen.

Immer noch wie eingefroren saßen sie dort, auf den dickeren Ranken der Kletterpflanzen und sahen mich unsicher an.

>>Keine Angst, ich tue euch nichts.<<, sagte ich, um die Stille zu durchbrechen und hoffte, dass sie mich verstanden.

Von meiner Stimme aufgeweckt, blinzelten sie. Plötzlich entfalteten sie durchscheinende Flügel, die denen von Libellen sehr ähnlich sahen und schwirrten summend auf mich zu. Erschrocken zog ich schnell den Kopf aus dem Gewächs und die winzigen Kerlchen flogen zu Dutzenden aus dem Loch heraus. Lachend umkreisten sie mich und brabbelten unverständlich auf mich ein.

Als ein kleines Mädchen, deren Schilfhaare zu einem langen Zopf geflochten waren, taumelnd auf mich zuflog, streckte ich die Arm aus und sie legte ein paar dicke blaue Beeren mit roten Flecken auf meine Handfläche.

>>Oh, ähm...Danke.<<, sagte ich und lächelte das Mädchen an. Dieses hob vor Freude ab und summte lauter. Aufgeregt deutete es von den Beeren zu mir. Natürlich sollte ich sie essen, doch ich sah zweifelnd auf die Beeren hinab. Ich hatte solche Beeren noch nie gesehen und man sollte ja bekanntlich nichts essen, was man nicht kannte.

Als ich immer noch zögerte, brabbelte sie ungeduldig auf mich ein und schien empört.

Ich seufzte. Naja, was soll's. Die würden mich ja schon nicht vergiften wollen.

Achselzuckend warf ich mir die Beeren in den Mund und war überrascht wie gut sie schmeckten. Sehr süß, aber mit einem unerwartet würzigen Nachgeschmack.

>>Mmmh. Danke, die sind wirklich sehr lecker.<<, sagte ich und grinste das kleine Wesen an. Sich über das Lob freuend, färbten sich ihre blassen Wangen rot und sie flog fröhlich summend um mich herum.

>>Euer Hoheit, da seid Ihr ja!<<, rief Fürstin Calandra und kam auf mich zugeeilt. >>Ich habe Euch schon überall gesucht! Die Zeit drängt.<<

Rennen gehörte sich natürlich nicht für Adlige, weswegen wir „gehend" durch die Korridore eilten. Zwischendurch dachte ich, wir wurden von einem schwarzen Schatten verfolgt, doch ich hatte keine Zeit mich umzudrehen, denn die Fürstin zog mich unnachgiebig hinter ihr her.


Während Nairne meine Frisur mit Haarnadeln fixierte, obwohl sie immer noch genauso fest saß wie vor einer Stunde, las ich mir nervös die Karteikarten durch. Als ich mir gerade zum hundertsten mal den einleitenden Satz durchlas, tippte Alara mir auf die Finger. >>Entschuldigung Prinzessin, aber es gehört sich nicht – vor allem nicht für eine Prinzessin - auf den Fingernägeln zu kauen.<<

Ich lächelte verlegen und ließ die Hand sinken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich an den Fingernägeln gekaut hatte.

>>Nairne, das reicht.<<, wies Alara diese an und Nairne lies nur widerwillig von meinen Haaren ab. Dabei sahen diese schon mehr als perfekt aus.

>>Also Euer Hoheit, ich fürchte jetzt kann man es nicht mehr heraus zögern.<<, sagte sie und schaute mich mitleidig an. >>Euer Volk wartet auf Euch. Ihr müsst jetzt gehen.<<

>>Ich schätze, ich habe wohl keine andere Wahl.<<, seufzte ich und lächelte halbherzig.

>>Man hat immer eine Wahl, aber das Volk braucht euch jetzt...<<

Oh man. Prinzessin zu sein, war wohl nicht so einfach, wie man dachte.

>>Doch jetzt genießt erst einmal den Abend, Prinzessin.<<, sagte sie und ich nahm ihre Hand. >>Danke für das Kleid und alles andere.<<, sagte ich und wandte mich damit auch an meine anderen Zofen. Alara tätschelte meine Hand und winkte ab.

>>Ich glaube ich spreche da für alle, wenn ich sage, dass wir das sehr gerne gemacht haben.<<

Calista nickte heftig und grinste mich eifrig an, während die Zwillinge zurückhaltender nickten, aber dennoch aufrichtig wirkten.

Ich hörte, wie hinter der riesigen Tür, jemand mit dem Klopfen eines Stabes, mein Namen verkündete.

Die zwei Wachen, die zu den Seiten der doppelflügligen Tür standen, griffen zu den goldenen Türklinken und ich umklammerte nervös meine Kärtchen.

>>Noch ein letzter Tipp Euer Hoheit: Ihr seid die Prinzessin, lasst euch nicht vorschreiben, was Ihr tun sollt.<<, sagte Alara und deutete auf das, was ich in den Händen hielt.

Mit diesen Worten, öffneten die Palastwachen die Tür und ich atmete einmal tief ein und straffte die Schultern.


Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now