My Little Angel #3

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Schwer atmend erreichte ich die Parkbank und setzte mich hin. Der Regen hatte nun zugenommen, aber dennoch saß ich einfach auf meinem Platz. Durch den Regen sah man zumindest meine Tränen nicht, die mit dem Chaos in meinem Kopf, meinen Körper übernahmen.
Mein Leben war nun zerstört. Alles war vorbei. Ich hatte alles zerstört. Was sollte ich jetzt tun?
Alles nur wegen dieser einen Nacht.

Flashback

Ich schloss die Haustür hinter mir zu. Endlich zu Hause.
"Mom?", rief ich und wartete gespannt auf eine Antwort, die ich aber nicht bekam. Meine Eltern waren also immer noch arbeiten. In die Küche befand sich nur Zettel auf der Küchentheke, sonst nichts.

'Wir kommen heute sehr spät nachts Heim. Dein Essen liegt im Kühlschrank. Wärme es dir auf.
Liebe dich.
Deine Mom.'

Ich lief in mein Zimmer und ließ mich erstmal auf mein Bett fallen. Der Tag war so anstrengend gewesen.
Ryan ging mir nicht aus dem Kopf. Ich wollte ihn kennenlernen. Ich hatte ihn noch nie zuvor in der Schule gesehen. Wahrscheinlich war er ein neuer Schüler.

In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich kramte es schnell aus der Tasche und sah schon von wem der Anruf kam.
"Hallo Lene?"
"Endlich, Schatz! Na, wie gehts dir so? Was hast du heute noch so vor?", fragte sie mich und ich wusste sofort, was sie indirekt erreichen wollte.
"Hm, ich werde heute noch die Welt retten gehen", antwortete ich ironisch.
"Helena! Man mit dir kann man auch nicht normal reden", seufzte Lene am anderen Ende empört und ich musste bei dem Gedanken daran, dass sie schon den ganzen Tag am Überzeugen scheiterte, kichern.
"Okay! Okay! Tut mir ja Leid", entschuldigte ich mich kichernd.
"Sag mal Helena? Hast du..äh..vielleicht deine Meinung geändert?", fragte sie mich stotternd.
"Nein, habe ich nicht."
"Ach, menno! Helena, du bist so stur manchmal. Da werden so viele Leute sein. Wir werden viel Spaß haben. Außerdem werden dort auch ein paar Jungs aus den Stufen über uns sein. Das kann doch nur toll werden", argumentierte sie hoffnungsvoll.

"Lene, ich habe mal eine Frage."
"Ja?", fragte sie verwundert.
"Ähm..kennst du einen Ryan aus unserer Schule?"
"Hm..Ryan..Ryan..", überlegte sie laut. "..Ah, der Ryan! Ja, natürlich. Er ist einer der heißesten Typen aus der ganzen Schule. Er ist eine Stufe über uns und ist, glaube ich, nur für eine Weile da oder so. Außerdem wird er auch auf der Party sein. Warum fragst du? Woher kennst du ihn?"

Er wird also auch auf der Party sein? Vielleicht sollte ich wirklich auf die Party gehen. Meine Eltern sind ja eh nicht da und wenn sie spät nachts Heim kommen, schauen sie eh nie nach mir. Das haben sie noch nie getan. Arbeit ist ihnen halt oft viel wichtiger.
Aber nein.
Das kann ich nicht. Ich liebe meine Eltern und kann ihr Vertrauen nicht einfach missbrauchen.

"Huhuu Helena?" Lenes Stimme riss mich aus meinem Selbstgespräch.
"Huh? Ja?"
"Was ist los? Woher kennst du diesen Ryan?", fragte sie mich neugierig.

Lene war schon immer so neugierig gewesen. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und sind unzertrennlich. Weder sie, noch ich habe Geschwister. Also sind wir zusammen aufgewachsen und haben jeden einzelnen Tag miteinander verbracht. Wir sind wie Schwestern.
Lene hat dennoch mehr Glück gehabt als ich. Ihre Eltern sind sehr gechillt und lieb. Lene hat sehr viel Freiraum und kann oft das tun, was sie will.
Ich dagegen darf nicht mal auf Geburtstage, weil meine Eltern, - warum auch immer -, ziemlich vorsichtig sind. Lenes Geburtstag ist eine Ausnahme, weil ich sie schon so lange kenne. Meine Eltern sind streng in solchen Dingen und lieben ihre Arbeit. Arbeit ist alles in ihrem Leben. Obwohl wir sehr wohlhabend sind und ich vieles bekommen habe, habe ich mich schon immer alleine und gefangen gefühlt. Ich war nie wirklich glücklich gewesen. Meine Eltern dachten nur an ihren Ruf, mehr nicht.

"Helena!", schrie Lene am Hörer und ich zuckte zusammen.
"Ja, ist ja gut. Ich erzähle dir alles", sagte ich lachend.

So telefonierte ich sehr lange mit Lene und erzählte ihr von meiner Begegnung mit Ryan. Sie war begeistert und fing sofort an zu schwärmen. So war Lene halt.
Nach einer Stunde legte ich auf und lief ins Wohnzimmer.
Dort bemerkte ich, dass das Telefon klingelte. Ich rannte sofort zum Hörer.

"Hallo?"
"Helena! Wo warst du?", fragte mich die Stimme meiner Mutter.
"In meinem Zimmer. Ich habe mit Lene telefoniert und das Telefon nicht gehört."
"Helena, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du immer in Reichweite des Telefons sein sollst? Es könnten jederzeit Geschäftsanrufe kommen und du würdest sie dann verpassen. Du weißt, wie wichtig das ganze ist", beschwerte sie sich.
Mich packte in dem Moment die Wut.
"Mama, ich bin nicht dazu da, um eure Sekretärin zu spielen."
"Wie bitte?! Junge Dame, pass auf wie du mit deiner Mutter sprichst! In Gottes Namen, nicht in dem Ton. Haben wir uns verstanden?", drohte sie mir wie immer, wenn sie wütend war.
Normalerweise hätte ich jetzt ja gesagt und mich entschuldigt, aber wie gesagt, mich hatte die Wut gepackt.

"Nein, haben wir nicht. Ihr versteht mich nicht, also werde ich euch auch nicht verstehen."
"Hausarrest, junge Dame und zwar so lange, bis du wieder Respekt lernst", und damit legte sie auf.

Die Enttäuschung breitete sich in mir aus.
Ich war immer ein braves Kind gewesen. Ich habe mich immer an ihre Regeln und Worte gehalten. Doch jedesmal haben sie sich dennoch beschwert. Sie waren immer unzufrieden. Die Arbeit war immer wichtiger. Ich war mein ganzes Leben lang gefangen. Doch jetzt reichte es mir endgültig.

Ich lief in mein Zimmer und wählte Lenes Nummer.

"Helena?", ertönte ihre Stimme am anderen Ende überrascht. Anscheinend hat sie nicht mit einem Anruf von mir gerechnet.

"Ich komme mit auf die Party. Hol mich später ab."

My little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt