My Little Angel #80

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Youtube: "Heaven's Lullaby (Beautiful Piano Song)" von: BigRicePiano

Empfehlung: Unbedingt mit dem Soundtrack lesen!😊🔝☝

Der graue Himmel über uns spiegelte die Stimmung gerade exakt wieder. Ein kalter Wind blies uns direkt ins Gesicht, doch die Kälte der Stimmung übertönte dies komplett. Man nahm den Wind gar nicht mehr wahr. Genau wie man seine Gefühle nicht mehr wahrnehmen konnte. Man wusste nicht, wie man gerade fühlen sollte.
Was man denken sollte.
Wie man handeln sollte.
Es schien selbst für mich einfach unwahr und falsch, obwohl ich ihn kaum gekannt habe.

Wir standen nun, nach der traditionellen Trauerfeier, zwischen den Gräbern für die endgültige Beerdigung. Trotz der großen Masse an Menschen, herrschte eine große Stille. Eine bedrückende Stille, die nur durch die leise Stimme vom Pfarrer unterbrochen wurde, der seine Abschiedsworte hielt, die die Angehörigen nicht mal wahrnehmen konnten, da die Gedanken und die Trauer viel größer und lauter waren.
Das Schluchzen von Ryans Mutter unterbrach ebenfalls die Stille. Ryan hatte sie in seine Arme genommen, um sie zu unterstützen und ein paar andere Frauen in schwarzen Klamotten versuchten ihr ebenfalls als Unterstützung zu dienen. Seiner Mutter ging es gar nicht gut. Sie trug ein schwarzes Kleid und ihre sonst so gestylten Haare waren nur zu einem unordentlichen Zopf zusammen gebunden. Unter ihren mittlerweile blutroten Augen waren große dunkle Augenringe und sie schien sich auch nur schwer auf den Beinen zu halten. Ohne Ryan wäre sie wahrscheinlich schon zusammengebrochen.
Ryans Augen dagegen waren starr auf den großen Sarg seines Vaters gerichtet, vor dem ein großes eingerahmtes Bild stand, auf dem sein Vater ein breites Lächeln auf den Lippen trug.
Seine Augen waren ebenfalls blutrot angelaufen, doch bis jetzt hatte er keine einzige Träne vergossen. Er wirkte auf dem ersten Blick ziemlich stark für den großen Verlust, den er gerade spüren musste. Aber wenn man ihn kannte, wusste man sofort, wie es ihm gerade ging. Ich konnte seine Gefühle wie ein offenes Buch lesen, da ich wusste, wer er wirklich ist. Er versuchte stark zu sein, um seine Mutter zu unterstützen. Er wollte vor all den Leuten keine Schwäche zeigen, obwohl er innerlich zerbrach. Der schwarze Anzug, den er trug, spiegelte die Leblosigkeit in seinem Inneren wieder. In ihm herrschen gerade große Stürme, doch dies würde er niemals vor all den Menschen hier zeigen, deren Trauer nur eine gespielte Fassade waren.

Zwischen der großen Menschenmasse, bei der man leicht den Überblick verlieren konnte, waren sehr viele bekannte Gesichter dabei. Viele Geschäftsleute, Freunde, aber auch Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen habe.
Eigentlich wollte ich nicht mitkommen, da ich Beerdigungen einfach nicht ertragen kann. Diese Leere, Trauer und Stille zerstört mich jedes mal aufs Neue. Meine emotionale Stärke, die in der Hinsicht nur leicht verstrickt wurde, erlaubt mir dies einfach nicht. Vielleicht liegt der Ursprung dafür am Verlust meines Bruders, was mich als kleines Kind doch stärker mitgenommen hat, als alle vermutet haben.
Ryan jedoch, der emotional total am Ende und nach dem Anruf nicht mehr viel gesprochen hatte, hat mich persönlich darum gebeten. Er benötige sehr viel Kraft für diesen Tag, welches er nur durch meine Anwesenheit kriegen könnte. Ich hätte ihn auch niemals alleine lassen können an so einem Tag. Das würde mir mein Herz niemals erlauben. Zum Glück war Lene so nett auf Jason aufzupassen, da auch meine Eltern heute hier sind.

Nach ein paar Minuten sollte der Sarg dann in das Grab gelassen werden. Ryan und ein paar andere Männer übernahmen diese Aufgabe. Seine Mutter wurde derweil von ein paar Frauen festgehalten. Ihre Blicke blieben an dem getragenen Sarg hängen.
"Nein!...Nein!...Hört auf! Jack lebt noch!", schrie sie schluchzend, riss sich aus den festen Griffen der Frauen und rannte zum Sarg.
"Nein! Lasst es!....Bitte...Jack lebt noch! Schauen wir nochmal nach! Er lebt noch..."
Bei dem Anblick lief mir dann auch eine Träne über die Wange. Sie hatte ihre große Liebe auf so eine schreckliche Weise verloren. Den Schmerz in ihrem Inneren kann man niemals nachvollziehen, wenn man es nicht am eigenen Leib erlebt hat.
Sie strich sanft mit einer Hand über den Sarg. "Jack....Jack, wach auf. Bitte Jack. Du....Du kannst nicht einfach so gehen. Das werde ich nicht erlauben. Jack, ich liebe dich....Lass uns nicht alleine. Wir brauchen dich doch...Wach auf..."
Ryan legte seine Arme um sie.
"Mom, komm..-"
"Nein, Ryan. Dein Vater darf uns nicht verlassen. Vielleicht ist er ja noch wach...-", gab sie schluchzend von sich und strich weiterhin mit einer Hand sanft über den Sarg.
"Mom...Bitte..Komm..." Ryan nahm ihre Hand und führte sie wieder zu den anderen Frauen.
"Er darf nicht gehen..", murmelte sie leise, während Ryan seine Arme um sie legte, um ihr Kraft zu geben.

My little AngelHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin