25

443 30 0
                                    

Noch ein letztes Mal atmete ich tief durch. Es war Montag. Montag war ein guter Tag. Es war der Tag an dem ich mir dauernd versprach, dass sich nun alles ändern würde. Und das war gut so. Denn auch wenn ich mich selbst belog so hielt ich mich daran, für den Moment. Und daran hielt ich mich fest, für den Moment.
Ich betrat das kleine Büro und lächelte. Mein erster Arbeitstag. Am Ende letzter Woche schien jemand begeistert von mir gewesen zu sein. Den Job hatte ich direkt bekommen – ohne Umschweife. Es ging bergauf.
„Frau Seifert." Begrüßte mich sofort eine Dame. Sie war vielleicht dreißig und erinnerte mich an meine Mutter früher. Sie trug einen edlen Rock, der sich perfekt an ihre schlanken Kurven legte. Eine sanft rosafarbene Bluse ließ sie jung und wunderschön wirken. Warum waren alle Menschen um mich herum eigentlich immer schön?
Sie reichte mir die Hand. „Ich bin Margret Rothe." Stellte sie sich vor und schenkte mir ein sachtes Lächeln. „Sie kommen in mein Team." Schnellen Schrittes setzte Sie sich in Bewegung, hastig folgte ich ihr.
„Hier haben wir die Konferenzräume. Allerdings brauchen wir die nicht oft. Dort ist die Küche und dort hinten rechts sind die Toilette." Ich nickte, versuchte mir den Lageplan einzuprägen. Am liebsten hätte ich mitgeschrieben.
Der Verlag war um einiges kleiner als Mendel & Carter, doch dieser hier war ebenso bekannt und angemessen. Während sich Mendel & Carter auf Fachpresse und Sachbuchverlegung spezialisiert hatte und nur in wenigen Zweigen in die Unterhaltungsbranche reichte, bot IMP eine große Spalte direkt mit eben dieser Unterhaltungsbranche. Schon wie der Name International Magazin Publishing verriet, verlegte der Verlag Zeitschriften.
„Und das ist mein Büro." Riss mich Frau Rothe aus meinen Gedanken. „Und das ist mein Baby." Füge sie hinzu und wandte sich vor der Tür stehen um. Nun blickten wir auf ein Cover eines Magazins, das mir nur sehr unbekannt im Gedächtnis schlummerte.
„Lesen sie Illustrierte?" Wollte sie wissen und ich schluckte. Frau Rothe bemerkte meine Zurückhaltung sofort und lachte. „Keine Sorge, das war keine Fangfrage." Erklärte sie und tätschelte sachte meine Hand.
„Es ist immer gut jemanden zu haben, den man damit nur wenig interessiert. So kann man auf neue Arten von Menschen eingehen." Sie lächelte immer noch. Puh!
„Ich zeige ihnen ihren Arbeitsplatz." Erleichtert nickte ich und folgte ihr, als sie mit ihren halsbrecherisch hohen Schuhen davonstürmte. Sie wies mir eine Box zu, die nur unweit von ihrem Büro entfernt lag.
Erstaunlicherweise war ich erleichtert, als ich in dem knarrenden Stuhl saß und mich über meine erste Aufgabe beugte. Frau Rothe erklärte mir gerade die Telefonanlage, bevor sie lächelnd davonstürmte um sich einem wichtigen Telefonat zu widmen.
Im Großen und Ganzen war ich für das Lesen von Artikeln zuständig, die von freien Journalisten eingereicht wurden.
Ich war stolz über meinen Job, doch ein bitterer Beigeschmack blieb, als ich den Artikel über die schönsten Figuren des Jahres las. Dazu kam noch, dass ich eindeutig keine dieser schönen Figuren besaß. Es war nicht unbedingt mein Traumjob, doch ich würde hier ebenso viel lernen und das war mein primäres Ziel.
Zwar versuchte ich zu verdrängen, dass es hier niemanden gab, der irgendwie nicht perfekt war. Isabel hatte die perfekte Haut, Lena hatte die schönsten Haare, Anna hatte superschöne Beine. Und jeder der mich begrüßte und sich mit mir unterhielt schien mir zu sagen, wie wunderschön jeder hier war. Das war belastend.
Ich fühlte mich in meinen Jeans, meiner weißen Bluse und dem schwarzen Blazer mehr als deplatziert, dabei war ich mir heute Morgen noch so sicher gewesen. Ich hatte mich ganz hübsch gefunden.
Es war kurz vor zwölf als ich die Artikel komplett durch hatte und diese nach den Kriterien, die mir Frau Rothe genannt hatte, sortiert hatte.
Hastig erhob ich mich und griff nach beiden Stapeln. Ich legte schnell den Weg in ihr Büro zurück und lächelte ihrer Sekretärin zu. „Sie hat gerade ein Gespräch. Eine Sekunde." Sagte diese sofort, ohne dass ich überhaupt etwas hatte sagen müssen.
Für einen Moment überlegte ich, ob es ein Problem wäre, die beiden Ordner bei ihrer Sekretärin abzugeben. Allerdings wurde mir die Entscheidung abgenommen, als sich die Tür öffnete und ein gutaussehender, junger, mir bekannter Mann heraustrat. Ich erstarrte.
„Ich freue mich darauf." Sagte er gerade als er sich umwandte und vor mir stehen blieb. Auch er starrte mich an. Konnte das noch schlimmer werden?
Leider befürchtete ich, dass es das durchaus konnte. Meine Erfahrung sagte mir, dass es immer noch schlimmer werden konnte.
„Sie sind..." Begann er, brach allerdings ab. Da mir nichts Besseres einfiel lächelte ich dümmlich. Mein Blick fiel auf seine Hand. „Glückwunsch." Beeilte ich mich zu sagen. Er blickte ebenfalls auf seinen ringbehangenen Finger.
„Oh. Frau Seifert. Sind sie fertig geworden?" Fragte Frau Rothe plötzlich, die in der Tür erschienen war. „Ich...Ja." Stotterte ich und lächelte. „Ganz schön voll hier." Erklärte hinter mir plötzlich jemand und ich wandte mich um. Am liebsten wäre ich vor Scham versunken, doch ich lächelte nur, straffte die Schultern, reichte Frau Rothe die Unterlagen und sagte: „Ich habe die Artikel gelesen und sortiert. Ich mache mich jetzt an die E-Mails."
Mehr als ruckartig wandte ich mich um und versuchte Fluchtartig dieser Situation zu entkommen, doch dabei rempelte ich noch den dazugekommenen, ebenfalls gutaussehenden Mann an, der mich verschmitzt angrinste. Es schien als wüsste hier jeder Bescheid.
Erst als ich in meiner kleinen Box angekommen war, erlaubte ich es mir wieder zu atmen. Ich konnte es nicht fassen! Vor Scham legte ich mir die Hände aufs Gesicht und kämpfte ein hysterisches Kichern zurück in den Untergrund. Nein, nein, nein!
„Weiß David dass sie in Berlin sind?" Ich schreckte hoch. Vorwurfsvoll sah ich auf. „Ja. Er weiß es." Verzweifelt rätselte ich seinen Namen. Irgendwas mit A?
„Also haben sie miteinander gesprochen?" Für eine Sekunde war ich froh, dass ich diesen Job nicht David verdankte. „Ja. Wir haben alles geklärt. Er hat seinen Ring zurück. Er wird seine Anna heiraten können." Er nickte.
„Alexander!" Rief ich aus, bevor ich mich zurückhalten konnte. „Entschuldigung." Fügte ich noch schnell hinzu. „Hören Sie: Ich war betrunken genau wie David. Das war ein Fehler und rein juristisch ist absolut alles geklärt." Alexander nickte. Es war erstaunlich wie ähnlich sich die beiden waren. Zwar war Alexander etwas heller von den Haaren, doch man sah die Ähnlichkeit sofort.
„Es tut mir leid, dass ich sie, also sie alle, in eine solch peinliche Situation gebracht habe, aber können wir das bitte vergessen?" Ich klang flehentlich und auch die Verzweiflung lag hörbar in meiner Stimme.
„Das ist vermutlich das Beste. Gerade wenn wir uns hier öfter über den Weg laufen." Verwirrt sah ich ihn an. „Sie arbeiten hier?" Natürlich war es mehr als logisch, dass er hier arbeitete, doch mein Gehirn brauchte einige Zeit um das zu realisieren.
„Ich bin einer der Geschäftsführer." Erklärte ich, ich starrte ihn nur an. „Ist das ihr ernst?" Ich stöhnte. Natürlich war die Frage nur rhetorisch, doch Alexander schien ernsthaft verwirrt. „Tut mir leid. Es ist nur seltsam, dass sie und David sich so ähnlich sind und ich hatte gehofft das alles und ihn einfach zu vergessen."

Welcome to VegasWhere stories live. Discover now