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Ich traute mich kaum meinen Laptop hochzufahren aus Angst eine Nachricht von David zu haben. Es war eigenartig. Ich wollte eigentlich nichts mit ihm zu tun haben und gleichzeitig wollte ich irgendwie doch, dass er sich meldete. 
Gerade hatte ich das Telefonat mit Selly beendet, indem ich ihr von der Verlobten erzählt hatte. Selly hatte gelacht und dann hatte sie getobt. Sie war heute früh mit einem Leihwagen nach Hause gefahren. Sie war schon um halb zwei Zuhause gewesen, doch hatte sich noch für eine schnelle Shoppingtour entschieden.
Fast anderthalb Stunden hatte Selly mir von dem süßen Kassierer an der Supermarktkasse vorgeschwärmt. Dann hatte sie mir von dem Geschenk für ihren Vater erzählt. Sie wollte ihm einen dreitägigen Segelturn schenken. Als er jünger war hatte er gerne gesegelt, doch seit einigen Jahren fehlte ihm die Zeit. Ihre Mutter war schon völlig aufgekratzt und das konnte ich mir kaum vorstellen. Denn sie war in der Familie die, die aus dem Raster fiel.
Der Laptop blinkte auf und fragte nach meinem Passwort, dass ich schnell eingab. Durch ein kurzes Geräusch ließ er mich wissen, dass er fertig war und ich ihn nun benutzen konnte.
Das Mailprogramm öffnete sich von alleine, da ich es nicht geschlossen hatte. Ein Fenster öffnete sich und kündigte zwei neue Mails an. Beide waren von David.
Sehr geehrte Frau Seifert, Maja." Sie war noch von gestern Abend. „Sie haben wohl gerne das letzte Wort. Ich arbeite noch, werde aber sobald ich fertig bin ins Bett gehen! Ich hoffe Sie auch. Ich erwarte Sie Morgen. Schlafen Sie gut. Jetzt! David Clark."
Ich schüttelte belustigt den Kopf. Ich wollte also immer das letzte Wort haben? Er schien mir da sehr ähnlich zu sein. Schnell öffnete ich die nächste Mail. Ich konnte es ja gleich hinter mich bringen. Warum sollte ich auch warten?
Sehr geehrte Frau Seifert, Maja." Ich lächelte über die Begrüßung, die sich nie änderte. Eine kleine, unbedeutende Konstante in dieser verwirrenden Situation.
Es tut mir sehr leid, dass wir so plötzlich aus unserem Gespräch gerissen wurden. Es wäre unfair, Sie noch einmal zu mir zu bitten! Ich werde zu ihnen kommen. Wie wäre es morgen Abend? Bitte sagen Sie mir Bescheid, ob es Ihnen passt. Ich will keinesfalls ihre so gut durchdachten Pläne durcheinanderbringen. Mit freundlichen Grüßen, David Clark."
Ich schnaubte. Seine Verlobte war eine Furie. Nun gut, sie war durchaus nett gewesen, jedenfalls oberflächlich, doch man benahm sich doch nicht so.
Morgen Abend war ich vermutlich nicht zuhause. Auch wenn ich schon nach einem guten Grund gesucht hatte um das Essen schnell zu verlassen, so erschien es mir als unhöflich direkt nach dem Dessert zu verschwinden. Außerdem hielt ich es für angemessen mich ein wenig mit Vince zu unterhalten. Und mit Vicky.
Auch wenn ich mich nicht direkt auf das Gespräch mit Mama und dem gleichgültigen Grunzen von meinem Vater einlassen wollte, so war ich es Tobi schuldig ab und zu mal nach Vince und Vicky zu schauen. Gerade weil ich jetzt wieder in Berlin wohnte.
Ich klickte auf Antworten. „Sehr geehrter Herr Clark, David." Hielt ich mich nicht lange auf. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es Morgen wohl unpassend ist. Ich werde bei einem Essen sein, das ich auf keinen Fall verpassen darf. Natürlich weiß ich nicht, was bei ihnen mit Abend gemeint ist, denn ich werde vor acht Uhr wohl nicht zuhause sein. Ich hoffe Sie hatten einen angenehmen Nachmittag mit ihrer Verlobten und hoffe ebenfalls dass ein Termin für die Schadensbegrenzung gefunden werden kann. Mit freundlichen Grüßen, Maja Seifert." Ich sendete.
Wie auf heißen Kohlen blickte ich auf das Display und wartete, dass er ebenso schnell antworten würde wie heute Nacht. Doch vergebens. Das kleine Signal blieb aus. Warum dachte ich auch, dass er nichts Besseres zu tun hatte? Er war vermutlich arbeiten oder bei seiner Verlobten. Wahrscheinlich hatte er tausende wichtigere Dinge zu tun. Nur weil mein Leben stinklangweilig war, hieß das ja nicht, dass seins auch öde war. Immerhin hatte er eine Verlobte.
Mürrisch stand ich auf. Versuchte das Gefühl zu verdrängen, dass sich irgendwie nach Eifersucht anfühlte. Wir hatten nichts gemeinsam! Wir hatten uns betrunken sympathisch gefunden. Mehr nicht. Außerdem passten wir auch nicht zueinander. Anna war groß, schlank, wunderschön. Ich war eher das Gegenteil. Ich war mittelgroß, proper und nur schön nach einer Stunde vor dem Spiegel. Die beiden passten perfekt zusammen. Ihre Kinder würden wirklich atemberaubend sein. Seine schönen Augen und ihre lockigen, braunen Haare. Ich seufzte.
Meine mittellangen blonden Strähnen, konnten da nicht ansatzweise mithalten. Ach was machte ich mir überhaupt für Gedanken. Ich sollte mir eher Gedanken um einen Telefonanschluss machen. Über einen Fernseher. Wollte ich eigentlich einen Fernseher? Ich sah nie fern. Schwachsinn. Ich war völlig durch den Wind.
Mit meinem, nun gekühlten, Tee beschloss ich mich auf meine neue, schöne Dachterrasse zu begeben und ein Buch zu lesen. Alle Kartons waren ausgepackt, alle Möbel waren ausgepackt. Zu Ikea konnte ich wohl erst fahren, wenn ich mir einen Wagen organisiert hatte und ansonsten blieb mir nicht mehr viel.
Ein wenig Ruhe konnte ich gut gebrauchen. Mir fiel auch nicht auf, wie spät es schon war. Erst als ich kaum noch die Buchstaben entziffern konnte ging ich hinein und sah auf die Uhr. Es war schon kurz vor halb zehn.
Das Buch, mein Lieblingsbuch, hatte ich beinahe ausgelesen, zum zwölften oder dreizehnten Mal. Und obwohl ich mich noch immer in die perfekte Welt sehnte, die mir die Seiten den Buches versprachen war ich viel zu erschlagen um mich jetzt noch ins Wohnzimmer zu setzen und weiterzulesen.
Stattdessen räumte ich mein Glas in die Spüle verzog mich ins Bad und schlüpfte in das große Shirt, dass ich aus Vegas mitgebracht hatte.
Doch bevor ich mich wirklich ins Bett legte, huschte ich noch einmal hoffend in die Küche und stöberte in meinem Postfach. Es freute mich, als ich eine weitere Mail von David hatte. Dabei sollte es sich nicht so anfühlen. Verdammt. Ich musste mich echt besser unter Kontrolle haben.
Kurz fragte ich mich noch, was wir hier machten. Ich hätte den Wisch unterzeichnen sollen und gut wäre es gewesen, doch stattdessen schrieben wir Mails. Und obwohl wir beide durchaus höflich waren, so kribbelte es in meinen Fingerspitzen jedes Mal. Es fühlte sich seltsam vertraut an mit ihm zu schreiben. Dabei kannte ich ihn nicht. Wir duzten uns in den Mails ja nicht mal.
Ich werde um acht da sein!" Lange starrte ich die Mail an. Er wird um acht da sein? Hier? Ich blickte mich um, wollte ihn nicht ins Chaos lassen, doch ich besaß nicht genügend Dinge um ein Chaos anzurichten.
Der Flur war groß, doch nur ein kleiner antiquierter Beistelltisch stand neben der Tür. Eine Garderobe hatte ich nicht, nur den alten Nagel der aus der Wand ragte. Im Wohnzimmer standen ein Sofa und ein Regal voll mit Platten, einigen DVDs und meinem Plattenspieler.
Ein Zimmer war völlig leer und die Küche war unaufgeräumt. Das musste ich definitiv noch aufräumen. Aber warum wollte er herkommen? Das er meine Adresse kannte, war mir klar. Immerhin hatte ich sie ihm selber geschickt, anbei meine Bewerbung.
„Ich werde um acht da sein?" Murmelte ich leise. Warum das Ausrufezeichen? Wollte er so dringend das ich diese Erklärung unterzeichne? Oder wollte er meine Wohnung oder gar mich sehen?
Schnell schloss ich den Laptop. Es war nicht gesund so oft den gleichen Satz zu lesen. Und erst recht nicht darüber nachzudenken. Immer wieder ermahnte ich mich.
Du hast einen Plan. Den hatte ich. Und David Clark kam darin nicht vor. Job. Geld. Karriere. Das war mein Plan. Ich wollte mir frühestens in zehn Jahren Gedanken über Männer machen. Oder gar nicht. Je nachdem.
Außerdem würde der Mann heiraten. Eine schöne Frau. Sie werden ihre 2,4 Durchschnitts- Kinder haben, die überdurchschnittlich schön waren. Und ich war nur Teil einer Schadensbegrenzung. Ich war der Teil, der zum Schweigen gebracht werden musste. Ich musste versteckt und entsorgt werden.
Das war typisch für mich. Männer die nicht zu erreichen waren, hatten es mir schon immer angetan. Für einen kurzen Moment verfluchte ich meinen bequemen Körper und die mehr oder weniger großen Speckröllchen um meine Hüfte. Doch schon mit sechzehn hatte ich mir etwas geschworen.
Gemeinsam mit Selly schworen wir uns, dass wir uns nie für einen Jungen verändern würden. Auch wenn ich heute glaubte, dass dies kaum möglich war und akzeptierte, dass das Leben aus Veränderungen bestand hielt ich daran fest. Denn das Leben war zu kurz um sich zu verbiegen. Doch es war auch viel zu lang, um immer die gleiche Person zu bleiben.
Mit diesem Gedanken ließ ich mich in meine pinkfarbene Bettwäsche fallen und schlummerte selig weg. Wer war schon David Clark?


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