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„Was..." Begann er, brach aber ab. Er holte tief Luft, sagte nichts mehr. Sah mich einfach nur an. In seinem Gesicht ein trauriger Ausdruck. Er wusste, warum ich hier war. Er hatte die Blumen in meinen Fingern gesehen. Er wirkte beschämt. Als wäre es ihm peinlich, dass er sie geschickt hatte. 
Doch meine Wut war verraucht. Obwohl mir im Hinterkopf umherschwebte, was ich sagen wollte, blieb auch ich stumm. Starrte auch ihn einfach nur an.
Irgendwann hielt ich das Schweigen nicht mehr aus. „Die sind doch von dir?" Fragte ich leise, auch wenn ich niemanden anderen kannte, von dem sie sonst hätten geschickt worden sein können. David nickte. Ich schloss die Augen.
„Warum?" Hakte ich nach. Für einen Moment sah ich ihn an, hoffte er würde etwas sagen, dass alles erklären würde, doch das tat er nicht. Denn ich war dabei mich in die Idee mit einem gemeinsamen Leben zu verlieben. Es waren die Fantasien eines kleinen, romantischen Mädchens. Das war absolut nicht richtig.  Und ich hasste mich dafür dass ich so schwach war, dass ich mich in diese Fantasie verliebte. Mich darin verlor.
Ich konnte Tobi förmlich sehen, wie er mich anlächelte und mir sagte, dass alles gut werden würde. Dass es im Leben gute und eben auch schlechte Tage gab. Aber diese Story hatte kein Happy End.
Leider hatte ich das Gefühl, dass ich seit ich in Berlin wohnte nur noch schlechte Tage hatte. Ich vermisste Selly, war unfähig mit meiner Familie einen Tag zu verbringen und fühlte mich einsamer, als je zuvor. Und jedes Mal wenn ich David sah, wurde dieses Gefühl nur noch stärker. Er fuhr sich durch die Haare und begann mit seinen Fingern einen, für mich unhörbaren, Takt zu spielen. Eine Geste die er oft machte, wie mir auffiel. Auch in Vegas hatte er das gemacht.
„Ok. Wir müssen aufhören mit dem, was auch immer wir hier machen. Verdammt!" Erklärte ich ihm und er nickte. "Du musst aufhören. Verstanden?" Fügte ich geladen hinzu, doch das war kein Vergleich zu der Wut, die ich eben noch verspürt hatte.
 „Ich wollte dir nur zu deinem ersten Arbeitstag gratulieren." Bevor er das gesagt hatte, hatte er seine Schultern gerafft und eine geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck gemacht. „Wir wissen beide, dass das eine Ausrede ist. Was auch immer das hier ist..." Ich brach ab.
„Lass uns Freunde bleiben." Erklärte er überschnell. Vermutlich wollte er sich nicht noch mal anhören, dass wir uns nicht mehr sehen konnten. Er reichte mir die Hand, als wäre das ein Ritual. Als müsste ich nur einschlagen und alles wäre Friede, Freude, Eierkuchen. 
Aber das war es nicht. Kein Friede. Keine Freude und höchstens aus Frust, Eierkuchen.
Doch seltsamerweise schlug ich ein. Ich griff nach seiner Hand und schüttelte sie. Mein Körper verriet mich. Ich war alleine. Nur meine Gedanken und Emotionen. Mehr war nicht übrig. „Warum eigentlich Narzissen?" Fragte ich plötzlich und blickte auf den Karton. Zwar versteifte er sich kurz, doch dann zuckte er so lässig die Schultern, dass ich glaubte mir nur eingebildet zu haben, dass er je darauf reagiert hatte.
„Und woher wusstest du eigentlich von meinem Arbeitsplatz?" David lachte leise auf. Noch immer hielt er meine Hand fest in seinem Griff. „Ich habe einen Anruf von meinem Bruder bekommen." Flüsterte er und ich nickte. Wie dumm von mir. Klar hatte er das. Was für ein... Ich atmete tief ein und wieder aus.
Dann entriss ich David meine Hand und trat einen Schritt zurück. Mein Handy begann in meiner Jackentasche laut und schrill zu klingeln. „Entschuldige." Stammelte ich und griff danach.
Mit einer Handbewegung nahm ich das Gespräch an. „Bienchen?" Hörte ich Selly rufen. Es war laut dort wo sie war. „Wo bist du gerade?" Fragte Selly, bevor ich sie fragen konnte.
„Ich... äh..." Ich hielt inne, wandte mich von David ab und ging etwas von ihm weg. „Ich bin noch unterwegs. Mache mich gleich auf den Weg nachhause." Erklärte ich ihr. Ich wusste nicht warum ich es ihr nicht sagte, doch ich glaubte ich würde es ihr lieber sagen, wenn sie mir tatsächlich gegenüber saß.
„Dann beweg deinen Hintern. Ich werde nicht ewig hier vor deiner Wohnung warten." Rief sie und ich erstarrte. „Moment? Du bist hier?" Mir entfloh ein Kreischen. Meine Lippen bildeten ein breites Grinsen und langsam drehte ich mich zu David um, der mich still musterte. Auch auf seinem Gesicht lag nun ein Lächeln. Still sah er mich an. Fuhr mit seinem Blick meinen Körper entlang und schaffte es mein Herz zum Schlagen zu bringen, wie niemand zuvor.
Mein Atem wurde schneller, meine Lippen trocken. Verdammt, reiß dich zusammen, ermahnte ich mich selber. Selly war noch in der Leitung. „Ich mache mich auf den Weg. Sofort." Erklärte ich und legte auf. Wollte nicht, dass sie mitbekam, dass ich völlig durch den Wind war. Ich war ihm eben viel näher gewesen, doch sein Blick jetzt brachte meine Knie in ernsthafte Schwierigkeiten.
„Ich muss los. Selly ist in Berlin." Meine Stimme war ein Flüstern. „Soll ich dich fahren?" Fragte er, ich verurteilte ihn dafür, dass er sich unter Kontrolle hatte. Ich wollte etwas erwidern und holte Luft, als er mich unterbrach.
„Da wir ja jetzt Freunde sind. Ist es nicht das, was Freunde tun?" Verwirrt über seine Worte blickte ich ihn nur an. „Ich weiß nicht. Selly ist meine einzige Freundin." Gab ich zu. David lächelte. „Ich hoffe nicht, dass Selly eine solche Freundin ist, wie ich es bin." Erklärte er und wieder runzelte ich die Stirn. Was sollte das denn bedeuten?
Doch während meine Gedanken noch rätselten, was genau er meinte, wusste mein Körper schon bescheid. Der war nämlich damit beschäftigt mich aufzuheizen, meine Lippen zu trocknen, mein Herz zum Rasen zu bringen und mich beinahe unkontrolliert stöhnen zu lassen. Nur davon ihn anzusehen.
„Ich muss gehen." Sagte ich leise und meinte damit nicht nur jetzt, hier. Ich meinte generell. Wir konnten keine Freunde sein. Das würde nicht funktionieren. Wir hatten nichts gemeinsam. Außer die Nach in Vegas. 
"Warum?" Fragte er mich und ich konnte sehen, das er verstand was ich hatte sagen wollen. "Wenn ich bleibe, in deiner Nähe, dann laufe ich Gefahr mich in dich zu verlieben. Nicht nur in die Idee von uns." Erklärte ich ihm und senkte verlegen den Blick.  "Und wenn das passiert, werde ich aus der Sache nicht heil rauskommen, während du glücklich bis an dein Lebensende bist." Flüsterte ich so leise, dass ich mich kaum selbst verstand.
„Warum nur denkst du immer, dass dir jeder das Herz bricht?" Ich lachte verbittert auf. „Weil es bis jetzt schon so oft passiert ist und du drauf und dran bist es wieder zu tun." Erklärte ich. Konnte er denn nicht verstehen, dass ich nicht die Kraft hatte mich umzudrehen und abzuhauen? Ich verfluchte Anna dafür, dass sie diesen Mann hatte. Aber ich verfluchte auch mich, weil ich ihn nicht hatte.
Und ich wünschte mir ich hätte ihn früher getroffen, doch er hätte mich nicht mal bemerkt und ich hätte nicht davon geträumt, dass er mir nur einen Blick schenkt. Wir hatten keine Gemeinsamkeiten. Wir kamen nicht aus gleichen Kreisen. Er sah um einiges besser aus, als das er sich mit jemandem wie mir treffen wollte. Ich gehörte zum Fußvolk. Er zur Königsfamilie.
„Wir passen nicht zusammen." Flüsterte ich und ich konnte selbst nicht fassen, dass ich zulassen konnte, dass ich mir selbst das Herz brach immer und immer wieder. Jedes Mal wenn ich zuließ einen Traum in meinen Gedanken entstehen zu lassen, wurde er von der Realität zerdrückt.
„Du bist unfair." Erklärte ich, nun etwas fester. Die Wut glomm erneut auf. Es war der einzige Weg mich von ihm fernzuhalten. „Ich habe dich immer gut behandelt. Wann habe ich dir gezeigt, dass ich kein guter Mann bin?" Fragte er. Verbittert schnaubte ich. „Du tust es indem du hier stehst, während zuhause deine Verlobte sitzt. Du liebst nicht mich. Du liebst sie. Du wirst sie nicht verlassen, dein Leben nicht wegschmeißen. Und doch bringst du mich um den Verstand. Versteh doch, dass ich nur davon träumen kann je einen Mann zu finden, der so ist wie du. Du musst dir keine Sorgen um Geld machen. Du bist attraktiv, hast Humor, bist intelligent..." Ich brach ab. Ich verliebte mich gerade in ihn. Während ich versuchte das zu beenden, verliebt ich mich. Ich war dumm. Töricht. Bescheuert. Dämlich. Und leider auch in ihn verliebt. 



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