19

159 13 0
                                    

***

„Bist du oft hier?" Ich grinste. „Eigentlich nicht." Er lehnte sich neben mich an die Bar. „Das ist sehr Schade." Flüsterte er. Wieder kam er mir nah.
„Weißt du, eigentlich bin ich ganz froh, dass wir vergessen wurden." Erklärte er und blickte von der Bar aus in den großen Raum.
„Als könnte man dich vergessen." Sagte ich lachend. Ernst sah er mich an. „Ich hoffe damit hast du Recht." Er lehnte sich zu mir herüber. Sachte, als hätte er Angst vor meiner Reaktion, hauchte er mir einen Kuss auf die Wange. Beinahe schüchtern. Beinahe keusch.
„Wir sollten aufhören zu trinken, sonst vergessen wir einander sehr schnell." Erklärte er und legte seine Hand in Meine. „Oder wir sollten uns etwas überlegen, damit diese Nacht unvergessen bleibt." Energisch nickte er. Das klang doch nach einer guten Idee. Eine sehr gute Idee.

***

„Krasse Karre!" Erklärte Vince als wir vor dem Monstrum von Porsche zum Stehen kamen. David hatte in zweiter Reihe in einer Seitenstraße geparkt. Auf meine Bedenken, dass er sicher abgeschleppt werden würde sagte er nichts.
Die Verriegelung klickte leise und David öffnete die Beifahrertür. Mit einem Lächeln signalisierte er mir, dass ich einsteigen sollte. Ich sah ihn an. Leise, damit Vince nicht verstehen konnte, was ich sagte, hauchte ich: „Danke, dass du das machst."
Für einen stillen Augenblick sahen wir uns nur an und wäre ich mutiger gewesen hätte ich ihn geküsst. Der Gedanke erschreckte mich zutiefst. Nur ein kleiner Kuss. Auf die Wange.
Als meine Gedanken allerdings zur wunderschönen Anna trieben, löste ich meinen Blick von ihm. Ich stieg ein und versuchte David nicht mehr anzusehen. Er hatte eine Verlobte.
Obwohl ich schon im Auto saß und angeschnallt war, schloss er die Tür erst einige Momente später. Als Vince sich dann auf die Rückbank schob und interessiert den Innenraum erkundete blickte ich nur stur geradeaus. Die Fahrt verging schweigsam. Unangenehm rutschte ich hin und her.
Wir hatten gerade die Hälfte des Weges hinter uns gebracht, da hörte ich das leise Schnarchen von Vincent. Er war einfach eingeschlafen. Wahrscheinlich würde er sich morgen an all das nicht mehr erinnern.
Als wäre dies der Auslöser begann David zu sprechen. „Was machen wir hier?" Fragte er und auch ich wagte es mich ihn endlich wieder anzusehen. Ich wollte ihn hassen. Doch eigentlich wollte ich ihn weiter ansehen. Ich seufzte.
„Du bringst mich und meinen kleinen Bruder nachhause." Sagte ich, wohlwissend, dass er das nicht gemeint hatte. Ich wusste genau was er gemeint hatte.
„Aber warum? Ich wollte dass du diese Zettel unterschreibst. Und..." Nickend sah ich ihn an. „Und was?" Hakte ich nach, wollte dass er sagte, was in mir vorging.
„Ich habe die Papiere liegen lassen. Ich habe nicht einmal einen Stift bei. Ich bin verlobt. Ich heirate in drei Monaten. Anna ist wunderschön. Sie ist gebildet, kommt aus gutem Hause." Seltsamerweise klang all das nach einer Ausrede, allerdings fragte ich mich krampfhaft aus was er sich herausreden wollte. Denn mir musste er sich nicht erklären.
„Was ist das hier?" Wiederholte er seine Frage. „Ein Freund der seinem Freund hilft vielleicht." Fragte ich vorsichtig. David lachte auf.
„Freunde?" Es verletzte mich, dass er verächtlich dabei klang. „Wir können keine Freunde sein." Wieder lachte er, weitaus verbitterter. Und ich blickte auf meine Finger. Nun das war mir klar, aber trotzdem verletzte es mich, das er es tatsächlich sagte.
„Gut dann keine Freunde." Sagte ich etwas beleidigt. „Du verwirrst mich. In Amerika war ich betrunken, doch ich glaube nicht, dass ich je die Kontrolle verloren habe." Begann er zu erzählen. "Ich hatte dich beinahe vergessen und dann standst du da. Wir können keine Freunde sein. Ich kann nicht dein Freund sein!" Erklärte er vehement. Er hatte sich völlig in Rage geredet. Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Ich schwieg. Die letzten Sätze fraßen sich durch meinen Kopf. Hingen schwer zwischen uns auf der restlichen Fahrt.
Wir hielten vor meinem Haus. Keiner von uns machte Anstalten auszusteigen. Doch irgendwann musste ich raus. Musste ich aus der kleinen Traumwelt zurück in meine Realität. Es nützte nichts sich selbst etwas vorzuspinnen.
Ich öffnete die Tür, schnallte mich ab und stieg aus. Ich wollte keinen Anhaltspunkt mehr haben um daran erinnert zu werden, dass ich verrückt genug war zu glauben, dass ich nicht nur ein nerviges Anhängsel war.
Vorsichtig weckte ich Vince auf der Rückbank und schaffte es ihn aus dem Auto zu bugsieren. Kurz bevor ich die Tür schloss, sagte ich noch: „Es tut mir leid, dass du wegen mir unglücklich bist. Aber wenn du einen Freund brauchst bin ich da." Ich wusste dass es unfair war, doch ich konnte mich nicht zurückhalten. Er schaffte es, dass ich das Gefühl hatte mich nicht zurückhalten zu müssen. Und verdammt, ich wollte sein Freund sein.

Welcome to VegasWhere stories live. Discover now