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„Du solltest zu deiner Verlobten, in dein altes Leben und dir keine Sorgen um mich machen oder jemand anderen aus dem gemeinen Fußvolk. Du solltest dich um Anna sorgen." Erklärte ich schlicht. Doch sein Blick lag auf mir, als würde er nicht gehen wollen. Sein Ausdruck wurde weicher. Als schaffte er es nicht länger sich selbst zu überzeugen.
Etwas veränderte sich. „Wer sorgt sich um dich, wenn ich gehe?" Seine Stimme war leise. Es hatte sich etwas verändert, ich wusste nur nicht was. Und es machte mir eine Heidenangst.
„Ich kann auf mich selbst aufpassen, dass habe ich schon eine Weile gemacht." David schüttelte den Kopf. Er sträubte sich dagegen. Warum sträubte er sich so dagegen mich alleine zu lassen?
Gerade wollte er etwas sagen, doch schloss dann den Mund. „Das solltest du nicht müssen." Wieder lachte ich auf. „Und du solltest nicht hier sein, scheint als wüssten wir beide nicht was gut für uns ist."
Ich goss mir das halbe Glas ein und leerte es mit einem Zug. David beobachtete mich dabei, ließ mich nicht aus den Augen. Musterte mich durchgängig. Als befürchtete er ich würde mich in Luft auflösen.
Genervt seufzte ich. „Was willst du hier, David?" Fragte ich und knallte das Glas auf die Arbeitsplatte. Überrascht blickte er mich an, fuhr sich durch die Haare. Ich wollte das hier nicht in die Länge ziehen. Ich wusste er war verlobt, ich wusste das hier würde nie etwas werden. Ich wusste das. Und doch mit jeder Minute die er blieb, brachte er dieses Wissen gefährlich ins Wanken.
Lange schien er zu überlegen, was er sagen sollte. Suchte die richtige Antwort, dabei interessierte mich die wahre Antwort mehr. Ich wollte eine ehrliche Antwort oder keine Antwort. Ich wollte das er ging und mich zu meinem langweiligen Leben zurückkehren ließ.
Seine Atmung wurde schwerer. Er schluckte. Sein Blick ruhte einfach auf mir. Verzweifelt wünschte ich mir, er könnte der Mann sein, der mich retten würde. Doch David war nicht mein Prinz, nein er war Annas. Das hatten wir schon oft genug geklärt. Ich lebte nicht in einem Märchen, ich war nicht die Hauptdarstellerin in meinem Leben, ich war nur eine Nebendarstellerin in dem Leben anderer. Ich war keine Romantikerin, dazu war ich nicht naiv genug und doch erwischte ich mich bei der Hoffnung es doch zu sein. Vielleicht doch die Hauptdarstellerin zu sein. Vielleicht doch wichtig zu sein. Wenigstens irgendjemandem.
„David." Sagte ich, wollte dass er etwas sagte. Wollte das er etwa tat. Irgendwas. „Wir sollten uns voneinander fernhalten. Alles ist erledigt, du hast deine Unterlagen. Also was willst du hier?" Fragte ich verzweifelt. Ich konnte nicht mehr. Und ganz ehrlich ich wollte auch nicht mehr. 
„Entschuldigen." Erklärte er schnell. „Das hast du schon. Und trotzdem bist du noch hier." Erklärte ich ihm ernst, wollte das er einsah, dass er Gründe hatte die er verschwieg. Hatte er sie nicht, sollte er gehen und vergessen, dass es mich je gegeben hatte. „Also, was ist der Grund warum du nicht gehst? Sag es mir. Oder geh einfach."

***

Selly umarmte mich und grinste. Sie schien sich sicher. „Bist du dir sicher?" Fragte ich an David gewandt. Er nickte. „Heiraten ist ganz leicht." Flüsterte er sachte. Ja. Gerade musste ich ihm beipflichten. Es war erschreckend leicht. 

Doch ein kleiner Zweifel blieb. Ich rief nach ihm, doch David griff nach meiner Hand und drückte sie zart, strich mit seinem Daumen über meine Fingerknöchel und brachte jede kleine Stimme in meinem Hinterkopf zum Verstummen. Nur mein Herz war zu hören.
„Ich bin bereit." Hauchte er und lächelte. Das Lächeln ließ seine Augen so funkeln. Er war wunderschön. Perfekt. „Dann bin ich auch bereit."

***

„Selly." Flüsterte ich in den Hörer. Meine Stimme brach. „Bienchen." Sie klang ebenso besorgt, wie David es war. „Was ist los? Ist was passiert? Geht es dir nicht gut?" Sie klang schockiert ängstlich. Sie war bei mir gewesen an dem schlimmsten Tag meines Lebens und ich liebte sie dafür. Trotz allem konnte ich nicht ehrlich sein, konnte ihr nicht alles erzählen. Aber das musste ich. Ich brauchte ihre Meinung. Brauchte ihren Rat.
„Rede schon." Rief sie aufgebracht. „Soll ich kommen?" Fügte sie hinzu. Sie wurde jetzt beinahe hysterisch. „Nein. Um Gottes Willen." Brachte ich raus.
„Ich war zuhause. Du weißt doch gestern war der zehnte." Ich hörte sie förmlich schlucken. „Das habe ich vergessen." Gab sie geschlagen zu. „Es ist nicht so gut gelaufen?" Ich nickte. Das konnte man wohl so sagen.
„Vincent ist seit einer Woche nicht zuhause gewesen. Ich habe ihn heute Nacht im Traffic gefunden. Er hat hier seinen Kater ausgeschlafen und ich habe ihn nachhause gebracht. Dann haben Mama und ich gestritten." Ich war so im Redefluss, dass es sich gut anfühlte weiterzusprechen. Selly lauschte gespannt.
„Sie hat mir gesagt, dass ich nur Unfrieden stifte, dass ich besser wieder nach Frankfurt ziehen solle. Und Vicky hat es auch noch gehört." Selly seufzte. „Das tut mir leid." Erklärte sie. „Aber sie hat es sicherlich nicht so gemeint." Sagte Selly im Versuch mich aufzuheitern. Ich nickte. Ja vielleicht hatte sie das nicht. Doch das änderte nichts daran, dass es wehtat. Eigentlich machte es die Tatsache, dass sie es nicht gemeint hatte nur noch schlimmer, dass sie es dann gesagt hatte.
„Deswegen kannst du nicht herkommen." Flüsterte Selly, sie klang nicht vorwurfsvoll. „Ich überlege noch, ob ich es machen soll. Morgen einfach in den ersten Zug. Ich vermisse dich und auch deine Eltern." Sie kicherte.
„Mein Vater meinte schon, dass er seinen Geburtstag nur feiern kann, wenn alle seine Kinder da sind." Sie lachte. „Richte ihm schöne Grüße aus. Sag ihm dass es mir leidtut." Ich atmete geräuschvoll aus. „Ach es wäre so toll wenn du kommen würdest."
Ich nickte. „Es wäre toll wenn du kommen könntest. Ich habe noch immer keinen Mitbewohner gefunden." Sagte ich scherzhaft. Selly lachte. „Das wäre richtig toll." Im Hinterkopf hatte ich noch immer Vince, doch es sah nicht so aus, als würde er bald hier einziehen können.
Selly lachte. Ich hielt meine Tränen zurück die plötzlich wieder in meinem Hals einen Kloß bildeten.
Mein Herzschlag beschleunigte sich. „Du Selly..." Ich musste sie loswerden. Ich wollte sie nicht beunruhigen. „...Ich muss auflegen. Ich melde mich bald wieder. Versprochen!" Versicherte ich, wartete ihre Antwort nicht mal mehr ab und legte auf. Unruhig zupfte ich an dem Pulli herum, den ich noch immer trug.
Ich hatte David beinahe rausgeschmissen und wollte danach unbedingt eine vertraute Stimme hören. Also hatte ich Selly angerufen. Doch dieses Gefühl war schlimmer geworden. Dieses Gefühl das mich im Schraubstockartigen Griff hielt und nicht losließ. Dieser Griff der mir zeigte wie wehrlos ich war. Wie alleine und einsam ich war.
Das Gefühl weswegen ich gegangen war. Und jetzt schien es schlimmer als je zuvor. Denn obwohl ich einsam gewesen war, damals. Hatte ich es mir nur eingeredet. Tobi war immer da. Heute, war ich einsam. Mehr als das ich war verloren. Und auch wenn das Leben aus Lichtblicken bestand und ich nicht sagen konnte das alles schlecht war, so fühlte ich mich so leer und verloren, dass ich nicht wusste was ich sagen oder tun sollte um mich wieder zu komplettieren. Es fühlte sich an, als hätte ich die Kontrolle in Vegas für immer abgegeben und schaffte es jetzt nicht wieder meine Mauern hochzuziehen und mich abzuschotten, mich zu schützen. Und ich hasste es mich wehrlos zu fühlen. In dieser Schwebe aus Unwissenheit und Angst zu schweben. Etwas woraus mich Tobi hatte befreien können und es tat weh, dass er es nun nicht mehr tat. Nicht mehr tun konnte.
Wie konnte ich erwarten, dass ich jemanden hatte der mir daraus helfen würde? Ich ließ niemanden an mich heran. Nicht so nah, dass jemand erkennen könnte, dass für mich nicht alles einfach war. Das für mich nicht alles normal war. Die alltäglichen Dinge waren nicht leicht, sie waren nicht einfach und schon gar nicht normal. Nicht für mich.

Welcome to VegasWhere stories live. Discover now