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Überfordert starrte ich die Erklärung an, die ich unterschreiben sollte. Ich hatte versucht sie zu lesen, doch ich verstand kein Wort. Verzweifelt wünschte ich mir, dass Selly hier war, doch das war sie nicht. Sie war gerade völlig in den Vorbereitungen für den Geburtstag vertieft.
Und ich musste sie anrufen, um zu sagen, dass ich nicht zum Geburtstag ihren Vaters kommen konnte. Ich hoffte nur Thomas war nicht wütend, weil ich absagte.
Dabei wäre es doch die perfekte Gelegenheit gewesen ihm den Vertrag zu zeigen. Thomas war ebenfalls Jurist. Er arbeitete nicht mehr als Anwalt, war mittlerweile Richter im Bezirksgericht. Und auch wenn ich David vertraute, was total absurd war, wollte ich doch das jemand mal drüber guckte. Und ich wäre froh, wenn das nicht Selly wäre.
Es mir einfach lieber gewesen, mit ihm darüber zu sprechen, als mit Selly. Selly würde an die Decke gehen und mich für verrückt erklären, sie wäre vermutlich wütend. Sie würde David verteufeln und aus einer Mücke einen Elefanten machen.
Thomas hingegen würde mich nur fragen ob alles in Ordnung sei und mir dann sagen, dass ich unterschreiben sollte, wenn ich mir sicher war. Oder eben auch nicht.
Die Angst dass ich nicht verstand was in diesem Wisch geschrieben wurde und somit noch einmal in Davids Büro musste kroch mir die Knochen hoch. Ich hatte vor das zu unterschreiben und an der Rezeption anzugeben. Ich blätterte wieder die Seiten durch, öffnete den Klapphefter und starrte auf die Seiten die noch darin lagen. Darüber stand: ARBEITSVERTRAG. Ich erstarrte. Ich hatte geglaubt er wollte nur seine Verlobte damit beruhigen, nicht das er mir tatsächlich den Job geben würde. Ich verstand auch nicht genau, warum er ihn mir gab.
Geräuschvoll trampelte Vince in den Flur. Er stieß gegen die kleine Kommode und kam in die Küche. Suchend blickte er durch die Tür und erstarrte.
Erleichtert kam er auf mich zu. „Oh Mann. Ich hatte schon Angst." Erklärte er und breitete die Arme aus. „Hey." Sagte er, beinahe schüchtern. Ich erhob mich und umarmte ihn ebenfalls. „Tut mir Leid wegen gestern." Flüsterte er leise. Es schien ihm wirklich leid zu tun.
„Du solltest dich nicht bei mir entschuldigen sondern bei Mama und Papa." Beschwerte ich mich direkt. „Aber ich bin froh dass es dir gut geht." Fügte ich noch hinzu. „Willst du was essen?" Angewidert schüttelte er den Kopf. „Trinken?" Fragte ich wieder. Doch er löste sich schon von mir und griff nach meiner Tasse in der Heiße Liebe dampfte.
„Wo ist...?" Begann er doch ich unterbrach ihn. „Er ist nicht mein Freund!" Rief ich nur und hoffte er würde nicht weiter darauf herumreiten. Denn ich wollte einfach nicht über David reden.  Schnell legte ich den Vertrag und die Erklärung in die Mappe zurück. Er hatte ihn mir heute am Morgen mit einem Kurier zukommen lassen. Ich musste mir merken dass ich die Erklärung unterschrieb und sie dann David ins Büro schickte. Den Arbeitsvertrag würde ich einfach blanko beilegen. Ich glaubte nicht dass es eine gute Idee war bei David zu arbeiten.
„Du wohnst jetzt also wieder hier? Ganz alleine? Ist die Wohnung nicht etwas groß?" Ich sah ihn an, dankbar über den Themenwechsel.
„Ich muss mir einen Mitbewohner suchen." Erklärte ich und stand auf. Ich griff in den Kühlschrank und holte die Kanne Tee raus, die ich darin verstaut hatte. Mit einer Tasse zusammen stellte ich sie vor Vini ab. „Aha." Er grinste breit. Natürlich wusste ich sofort worauf er hinaus wollte. „Du weißt das geht nicht. Mama würde das nicht zulassen. Außerdem brauche ich genügend Geld um die Miete zu zahlen!" Sagte ich. Er war Sechzehn und Kohle wahrscheinlich gar keine.
„Ach komm schon. Ich suche mir nen Job." Bettelte er. Vehement schüttelte ich den Kopf. „Du gehst zur Schule!" Beleidigt verzog er das Gesicht. Manchmal benahm er sich wie ein kleines Kind. Er schmollte und sah mich mit diesem Dackelblick an. Dieses Gesicht dem ich schon früher nichts hatte abschlagen können. Ich seufzte tief.
„Ich rede mit Mama aber es wird Regeln geben. Eine davon ist die Schule. Aber noch verspreche ich nichts." Erklärte ich. Er nickte energisch und lachte triumphierend. "Ich verspreche nichts." Wiederholte ich und erhob mich, um ins Bad zu gehen.
Schnell putze ich mir die Zähne und beschloss dass es mir heute egal war, wie ich aussah. Trotz allem konnte ich es mir nicht verkneifen etwas Make-Up aufzulegen. Genervt von meiner eigenen Inkonsequenz schnaubte ich und betrachtete mich im Spiegel. „Er ist verlobt, verdammt." Erinnerte ich mich selbst. Verliebt, verlobt, verheiratet.
In meinem bisherigen Leben hatten meine Beziehungen nicht gerade viel Erfolg. Zwar war ich immer noch der festen Überzeugung dass es falsch war in Vegas zu heiraten und doch konnte ich mich mit der Vorstellung anfreunden. Verstimmt stellte ich fest, dass ich einfach Angst hatte das mich keiner heiraten wollte und dies meine letzte Chance gewesen sein konnte. Immerhin hatte ich in ein paar Jahren eine lustige Geschichte zu erzählen.
Miesgelaunt marschierte ich, Vince im Schlepptau, in das große Gebäude. Ich sträubte mich innerlich. Im Schnellschritt trat ich an den Tresen und blickte abwartend die Truller dahinter an. Freundlich beendete sie ihr Telefonat und lächelte gezwungen. „Gehen Sie doch einfach hoch. Sie kennen den Weg?" Mehr rhetorisch hakte sie nach. Sie erkannte mich.
„Ich will nur etwas abgeben." Versuchte ich es gleich, doch sie wiegelte mich ab. „Viktoria wird das sehr gerne entgegennehmen." Sagte sie schlicht und wandte sich ab. Dieser Tag konnte nur schlimmer werden. Ich wollte ihn wirklich nicht sehen.
Meine Nacht war lang und voller Überlegungen ohne Erkenntnis gewesen, mein Morgen war von Verwirrung und Aufreibender Unverständnis geprägt, die Erkenntnis, die jedes Mal kam, wenn ich dieses Gebäude betrat, dass ich nicht war, wer ich gerne wäre, machte es nicht besser.
„Lächeln." Ermahnte ich mich und zog Vince hinter mir zum Aufzug, der ewig zu brauchen schien. Als er endlich aufging erblickte ich zwei Männer in Anzügen. Einer davon war Herr Mendel. Er sah gut aus. Gepflegt und Arrogant wie immer.
Als er mich erblickte hob er missbilligend die Augenbrauen. Vielleicht lag das auch einfach an meinem Aufzug. Die einfache Jeans und die einfache Bluse schienen ihm nicht zuzusagen. Meine Turnschuhe und meine Handtasche bildeten da auch keine Verbesserung.
Ich hatte mich hübsch machen sollen, doch mein Stolz hatte laut geschrien und es mir verboten. Immerhin war ich nicht hier um Männer aufzureißen. Ich wollte einfach nur diese 'Situation' bereinigen. Wie David es genannt hatte. Schadensbegrenzung? Fehlerbehebung? Was auch immer.
Er verabschiedete sich von dem zweiten Mann, der etwa im gleichen Alter war und ebenso höflich seinen Gruß erwiderte. Doch ich stieg einfach ein und ignorierte ihn zunächst.
Vince lehnte sich an die Rückbank und blickte sich um, als gäbe es viel zu sehen. Herr Mendel stieg ein, blieb neben mir, sagte kein Ton. Arschloch.
 „Herr Mendel." Begrüßte ich ihn dann doch. Mein schelmischer Unterton war ihm sicher nicht entgangen, seine Miene verdüsterte sich.
Vince dem nicht entging, dass Herr Mendel durchaus feindselig reagierte blickte ihn an. „Hey." Sagte er freundlich. Am liebsten hätte ich losgelacht. Natürlich wollte Vincent ihn damit provozieren. Er war immer gut darin Leute zu provozieren. 

Welcome to VegasWhere stories live. Discover now