Prolog

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Tief verborgen im Wald, in einer alten windschiefen Hütte, die von einem kleinen Garten umgeben war, in dem allerlei Kräuter, Blumen und andere merkwürdige Gewächse wuchsen, wohnte eine alte Frau. Eine sehr alte und kluge Hexe. Ihre etwas rundlichere Figur verbarg sie unter einem rotem Kleid und vielen Tüchern, die sie um Schultern und Hüften gebunden hatte. Eine Tasse, die sie gerade gespült hatte, trocknete sie mit ihrer Schürze ab und stellte sie auf einen farblich völlig unpassenden Unterteller.

Als nächstes machte sie sich daran, in ihrer vollgestopften Küche einen Kräutertee zu kochen, als sie aus den Augenwinkeln etwas Dunkles das trübe Licht, das durch ihr Fenster schien, verdunkeln sah.

Im nächsten Moment war es auch schon wieder verschwunden. Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet oder es konnte auch nur ein wehender Ast sein. Doch ihre Jahrhunderte an Erfahrung und ihr Instinkt sagten ihr etwas Anderes. Sie zog den scharfen Dolch aus der Scheide an ihrer Hüfte und schaute aus dem Fenster. Der Regen prasselte in einem stetigen Rhythmus gegen das Fenster. Die Hexe wischte mit dem Ärmel ihres Kleides den Dunst von dem kleinen Fenster, um besser hinaus schauen zu können. Eine Kapuzengestalt öffnete das kleine Tor zu ihrem Vorgarten und ignorierte die Warnung >Vorsicht bissige Hexe<, die auf einem Schild stand. Das Gesicht der Gestalt konnte sie nicht erkennen, da es im Schatten der Kapuze vor ihr verborgen blieb. Auch der Rest der Person war nicht auszumachen, da sie in einen langen, dunklen Umhang gehüllt war. Allerdings trug sie ein Bündel in ihren Armen, mit welchem sie schnellen Schrittes auf die Hütte zugeeilt kam. Die Gestalt bewegte sich so anmutig und leicht, als würde sie über das regennasse Gras schweben.

Die Hexe stellte ihre Teetasse, die sie gerade in der Hand hielt, ab und eilte zur Tür. Den Dolch schob sie gelassen zurück in die Scheide. Die Tür öffnete sich knarrend und schon huschte die Kapuzengestalt ins Haus. Obwohl es draußen wie aus Kübeln regnete, war sie staubtrocken. Nachdem die Hexe die Tür wieder geschlossen hatte, schob die Gestalt ihre Kapuze zurück und hervor kam das Gesicht einer Frau. Sie hatte ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und blaue, ein wenig schräg stehende Augen. Doch das auffälligste waren die Ohren. Sie begannen am Ende der Wangenknochen und liefen schräg nach oben spitz zu. Die Frau hatte weiße Haare, welche in sanften Wellen in dem Kragen des Mantels verschwanden. Es war kein Weiß, welches ältere Leute bekamen, sondern ein so strahlendes und reines Weiß, als wäre es flüssig gewordenes Mondlicht.

>>Maje... << Setzte die alte Hexe an.

>>Schsch! Es ist zu riskant, wir könnten belauscht werden.<< Die Frau drückte das Bündel, welches sie noch immer in den Armen hielt, enger an sich, als wollte sie es beschützen.

>>Von wem denn? Von ein paar Eichhörnchen? Kaum einer traut sich in die Nähe dieses Hauses, solange ich meinen Dolch noch selber schwingen kann.<< , sagte die Hexe zähneknirschend.

Die Frau erwiderte nichts sondern schaute schnell aus einem der Fenster, um zu sehen ob ihr wer gefolgt war. Erleichtert trat sie vom Fenster zurück, fuhr jedoch kurz mit der Hand durch die Luft und murmelte ein paar Worte in einer uralten Sprache.

>>So jetzt können wir uns richtig begrüßen.<< Lächelnd nahm sie die Hexe in die Arme aber ohne das Bündel in ihren Armen zu zerdrücken. >>Hallo meine Liebe. << Als sie sich voneinander lösten, regte sich das Bündel und die Frau drehte es behutsam in ihren Armen. Das winzige Gesicht eines Mädchens erschien. Es hatte dieselben spitze Ohren wie ihre Mutter und war schon jetzt mit ihrer atemberaubenden Schönheit gesegnet.

Lächelnd schaute die Hexe auf das schlafende Mädchen. Dann legte sie eine Hand an die Wange der Frau und schaute ihr tief in die Augen.

>>Es freut mich dich wiederzusehen, meine Liebe Ar...<<


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