Peetas Sicht Kapitel 5: Das letzte Versprechen

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Nachdem ich ihm das gesagt habe, hat er sich einfach umgedreht und ist zu den Ärzten gegangen. Das ist jetzt zehn Minuten her. Sie sprechen immer noch miteinander und ich warte hier auf ihn, ruhig und leise, warte, dass irgendwas passiert. Ich weiß nicht genau, worauf ich warte. Ich warte einfach.
Haymitch geht mit zufriedenem Gesicht weg und ich beobachte ihn. Wohin geht er? Warum hat er mit ihnen...mit ihnen gestritten? Was war da los?
Eine der Ärzte dreht sich zu mir um und geht auf mich zu.
„Hallo, Mr. Mellark...", sagt sie zu mir, kaum das sie die Tür geöffnet hat.
„Nennen Sie mich Peeta.", antworte ich. Mr. Mellark. Soldat Mellark. Ich bin doch immer noch ein Junge! Ich habe mich in den Hungerspielen verändert, doch bin ich immer noch ein siebzehnjähriger Junge. Nicht einmal volljährig. Ich bin kein Soldat. Die ganzen Vierzehnjährigen und Älteren sind doch alles keine Soldaten, egal ob sie so genannt werden, oder nicht. Sie werden alle - respektvoll gemeint - Soldaten genannt, doch sind das alles nur Kinder. Dieses ganze Getue erinnert mich nur an Snow, der Kinder in die Hungerspiele schickt, um sie kämpfen zu sehen. Ich sehe da keinen großen Unterschied. Ob sie in den Hungerspielen kämpfen und töten, oder im Krieg, bei beiden kommt es auf das selbe hinaus: geringe Überlebenschancen, Blut an ihren Händen, zum Schluss sind sie nicht mehr dieselben. Die zwei Jahre Unterschied der Jüngsten machen auch keine deutlichen Unterschiede. Es sind immer noch Kinder. Und das werden sie immer bleiben.
„Gut, Peeta. Ich habe mit Haymitch Abernathy gesprochen. Er findet, du sollst in die Kommandozentrale kommen. Wir würden dich zur Beobachtung lieber hier behalten. Doch, wenn du möchtest, kannst mit Begleitung dorthin. Was meinst du?", erzählt die mir mit freundlicher Stimme, so als ob ich ein Kleinkind wäre. Ich bin nicht erwachsen, doch ein Baby bin ich schon lange nicht mehr!
„Ich glaube nicht, dass dieses nötig sein wird. Ich bin durchaus in der Lage, alleine hin zu gehen.", antworte ich einfach, von ihrer Art langsam genervt.
„Nein, nein, Peeta! Du brauchst jemanden, der bei dir bleibt. Das ist besser so.", antwortet sie, als würde sie einem Kind erklären, warum es kein Eis zum Frühstück haben kann.
„Na schön!", stimme ich zum Schluss vom Tag genervt ein.
Jetzt geht es recht schnell. Ich darf nichtmal selber gehen, sondern werde mit einem Rollstuhl rumkutschiert. Die selbe Ärztin schiebt mich bis zu der Kommandozentrale und schiebt mich hinein. Alle achten die ersten Sekunden nicht auf mich, sondern betrachten eine Art Karte, dann wirken sie zunächst einmal erschrocken und schließlich lachen manche los oder kichern leise.
„Hallo, Peeta!", lacht Gale, obwohl in seinem Gesicht noch immer Spuren der Ernsthaftigkeit stecken. Im Vergleich zu ihm wirkt Coin recht gelassen, wie immer eigentlich.
„Entschuldigen Sie, dashier ist streng vertraulich. Bitte gehen Sie.", sagt diese schlicht, obwohl das für Ihre Verhältnisse an eine lange Rede grenzt.
„Ich bin hier, um auf Soldat Mellark zu achten, Präsidentin."
„Und ich sage, sie sollen gehen. Wir sind hier genug, um auf ihn aufzupassen.", fügt Coin prompt ihrer Rede hinzu. Ohne ein weiteres Wort verlässt die Ärztin dem Raum und lässt mich erleichtert zurück. Ich stehe vom Rollstuhl auf und stelle mich neben Gale, um besser auf die Karte gucken zu können. Rote Pfeile und kleine, unleserliche Buchstaben bedecken diese.
„Nun, habt ihr verstanden?", fragt Beetee.
„Ja. Sechs Teams. Jeweils zu zweit. Jedes Team ein Stockwerk.", fast Gale noch einmal zusammen.
„Nein, nein, nein! Dafür gibt es zu viele Stockwerke! Jedes Team zwei Stockwerke und den letzten gemeinsam!", erklärt Beetee. „Damit werdet ihr nur die Kerker durchsuchen können. Für mehr gibt es keine Zeit. Ihr habt zehn Minuten, bevor ihr wieder im Hovercraft sein müsst, für mehr können wir nicht garantieren. Gale, Boggs, ihr übernehmt die unteren, also die Tausender und Zweitausender. Da befinden sich vorallem Zellen für die Gefangenen. Leeg, ihr übernehmt die Dreitausender und Viertausender. Laut unseren Informant liegen dort die Räume für die einfache Folter...", erklärt Beetee den Plan in einem neutralen Ton.
Ich höre ihm sehr wohl zu, doch sie jagen mir Schauer über den Rücken. Zweitausend Räume, nur für die einfache Folter? Weitere tausend Räume für die spezielle physische Folter und weitere tausend Räume für die spezielle psychische Folter? Und noch der Stockwerk für die Folter- Aufnahmen, diese Räume, in denen wir ihr dabei zusehen konnten, wie ihr wegetan wurde, mit ihr sprechen konnten wir manchmal auch. So viele Räume, nur dazu da, ihr Schmerzen zu bereiten. Was hat Katniss schon alles erleiden müssen? Welche Qualen muss sie gehabt haben?
Doch ist dies wahrscheinlich nicht das Ende der Qualen. Nichts davon klingt für die Rettungsaktion wirklich relevant. Der Plan klingt einfach nicht durchdacht. So, wie ich Beetee kenne, muss er noch irgendwas im Hinterkopf haben. Der Plan, um die Karrieros zu töten, der Plan, möglichst viele zu retten, das waren deutlich besser durchdachte Pläne, die selbst wir mit Erklärung kaum verstanden haben. Dieser Plan hingegen... nunja, er scheint den Begriff „Plan" nicht wert. Nur eine Raumeinteilung und solche Sachen. Doch was rede ich, ich habe doch den ganzen Anfang nicht mitbekommen, da ich zu spät war! Bestimmt hat Beetee noch viel mehr geplant!
„... Was in den Zwölftausendern liegt, wissen wir allerdings wieder. Die Interviews wurden dort vielleicht geführt. Darum und um die Elftausender kümmern sich die letzten,... Was ist denn jetzt los?"
Ein rotes Lämpchen geht an und auf dem Bildschirm erscheint ein kleines Kästchen, indem eine Nachricht geschrieben steht. Interessiert sieht Beetee es sich an und langsam öffnet sich sein Mund zu einem überraschten O.
Dann erhellt sich der Bildschirm und ich sehe ... sie. Ihre Augen sind wild vor Angst und auch Sorge und Panik steht darin. Ihre Kleidung ist so getränkt vor Blut wie je zuvor. Ihr Körper hat mehr Wunden als je gesehen. Katniss.
Der Raum um sie herum ist strahlend weiß und sauber und leuchtet in meine Augen. Ich sehe sie und viele Friedenswächter - bewaffnete Friedenswächter - um Katniss herum, die bewegungsunfähig auf einer Liege gekettet liegt. Ihre Augen blicken in die meine. Sie weint... vor Freude? ... als sie mich und Gale sieht. Doch dann verwischt es, dieses Glück in ihren Augen und weicht Angst und Verwirrung. Verzweiflung erfüllt mich bei dem Anblick und ein Ruf wird erst in mir laut, dann bricht es aus mit heraus.
„Katniss! Lasst sie gehen!"
Es ist, als wäre mein Rufen, mein Flehen, mein Bitten, ein Signal auf das sie gewartet haben. Als wäre es meine Schuld. Ein Friedenswächter drückt einen Knopf und Katniss beginnt sich unkontrolliert zu verkrampfen und zu winden und ihr Gesicht ist vor Schmerzen erfüllen. Es ist, als wäre ihr Schmerz meiner, so ist es als würde ein Feuer meinen Körper entflammen, meinen Kopf entzwei bersten lassen, Messer über meinem Körper gleiten lassen.
„Hört auf!", brüllt Gale, auch ihm kann ich diese Schmerzen ansehen.
„Lasst sie in Ruhe! Lasst sie gehen!", flehen wir gemeinsam, unsere Worte hallen durch den Raum.
Erneut drückt ein Friedenswächter auf einen Knopf hinter Katniss und sie windet sich schwächer in ihren Fesseln. Diese Zeit nutzt Snow um etwas zu sagen.
„Gebt die Rebellion auf und ich tue ihr dann nichts mehr. Es ist eure Entscheidung.", sagt er.
Coin geht gelassen wie immer in den Bereich der Kamera, während sich die Worte Snows in meinem Kopf einmeiseln.
„Niemals!", ruft sie laut, aber ruhig.
„Ah, Präsidentin Coin! Schön sie wieder zu sehen!", antwortet Snow im gleichen Ton darauf.
„Snow.", kommt die Reaktion Coins.
Snow drückt auf einem Knopf und Katniss verkrampft sich und windet sich dann wie unter Todes Qualen. Es ist eine Farse, dieser Tonfall, indem Snow weiter spricht.
„Gebt auf!", sagt Snow kalt.
„Niemals! Und wenn sie darin stirbt!", flüstert Coin.
Das Versprechen, das ich ihr immer wieder gebe, ob sie es weiß oder nicht, kommt aus meinem Mund und gibt ihr hoffentlich das, was sie in dieser Situation braucht: einen einzigen, winzigen Hoffnungsschimmer.
„Wir kommen dich holen, Katniss!"
Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich verstanden, oder mir auch nur zugehört hat, so wie sie sich vor Schmerzen krümmt.

Pausiert gefangener SpotttölpelWhere stories live. Discover now