Kapitel 4: Die Schreie des Wahnsinns

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Oh mein Gott! 1000 Views! Wollt ihr mich ins Grab bringen? Ihr seid echt die besten! Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll! Fühlt euch alle geknuddelt!
Angst. Schmerz. Sehnsucht. Nur wenige Gefühle kenne ich noch. Snow kann mich und meine Gefühle leicht kontrollieren. Ich bin bloß seine Marionette. Ich tue, was er sagt, aus Angst vor Strafe. Mehr ist nicht in mir. Peeta lebt und ist in Sicherheit. Das müsste mich glücklich machen, doch alles, was ich spüre, ist die Sehnsucht nach ihm. Der Wunsch, bei ihm zu sein. Snow treibt alles aus mir raus, bis ich nur noch ein leerer Körper bin. Ich will den Schmerz loswerden, ich will endlich wieder in Freiheit sein. Ich will frische Luft einatmen, meine Schwester umarmen, in einem Bett liegen, saubere Kleidung zum wechseln haben, ich will glücklich sein. Ich will wieder wissen, was Freude ist. Ich will nicht mehr Snows Spielfigur sein. Ich will nicht mehr in seinen grausamen Händen sein. Wie soll ich all das jemals überleben? Wie soll ich in dieser dunklen Welt leben, in der es nur Schmerz für mich gibt?
Die Welt um mich herum wirkt so dunkel. Nichts Glückliches scheint vorhanden. Angst und Schmerz bestimmen mich.
Ich erinnere mich an etwas, das mein Vater mir Mal gesagt hat.
„Katniss, selbst im dunkelsten Moment im Leben ist ein kleiner Fleck mit Licht und selbst im hellsten Moment ist ein bisschen Schatten da. Licht kann nicht ohne Schatten existieren, genau wie Schatten nicht ohne Licht existiert. Denk immer daran, wenn du deinen Weg auf der Erde gehst. Schatten und Licht sind immer nah beieinander, denn die beiden gehören zusammen, sie sind eins. So funktioniert die Welt. Es gibt viele Dinge, die nur paarweise vorhanden sind. Licht und Schatten ist nur ein Beispiel."
Ich war damals noch ein kleines Mädchen, zu klein. Ich verstand noch nicht wirklich, was er damit meinte. Irgendwas fröhliches soll jetzt vorhanden sein, etwas worüber ich mich freuen sollte. Doch ich kann nichts sehen, die Dunkelheit hat mich umschlossen. Angst und Schmerz. Das sind die einzigen Dinge in meinem Leben.
Immer wieder schreie ich vor Schmerz, denn sie foltern mich weiterhin. Doch mein rauer Hals kann ohne Wasser die Belastung nicht mehr durchstehen. Seit zwei Tagen habe ich nichts mehr zu trinken bekommen. Seit ich Peeta gesehen habe. Das ist die Strafe für mein Verhalten beim Interview. Ich trockne langsam aus, schmerzhaft. Doch Snow lässt mich garantiert nicht sterben, dann würde ich ihm nichts mehr nützen. Er hält mich am Leben, versucht mich zu brechen. Ich werde leiden ohne Ende. Peeta kann mich nicht befreien. Niemand kann mich befreien, außer Snow. Er hat mich komplett unter Kontrolle.
Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht auf Hilfe warten, die niemals kommen wird. Egal, wie sehr sie es versuchen, es wird nicht funktionieren. Snow hat die Kontrolle und so wird es immer bleiben.
Die Folter hört für einen Moment auf und ich flehe: „Bitte! Ich kann nicht mehr! Hört auf, bitte!"
Sie lachen. Diese Grausamkeit gehört zu meinen Alltag. Mein Schmerz scheint für sie lustig zu sein.
„Bitte!", flehe ich weinend. Sie werden niemals aufhören. Sie lassen mich nicht sterben, sie hören niemals auf. Ich werde für alles bestraft, was nicht so lief oder laufen wird, wie sie es wollen. Wie lange bin ich schon hier? Zwei Monate? Länger? Nicht so lang?
Das Feuer wandert wieder meinen Körper entlang und ich schreie laut auf. Warum ich? Warum wird mir alles Schlechte angetan? Warum ist mein Vater gestorben? Warum musste ich zweimal in die Hungerspiele? Warum wurde ich der Spotttölpel? Warum werde ich jetzt gefoltert? Warum passiert mir das alles? Warum ich?
„Bringt sie in Raum 4906. Dort ist alles dafür vorbereitet.", höre ich die Stimme von Snow.
Kraftlos hänge ich da, während sie mich von der Wand nehmen. Eine Wunde platzt auf und ein rauer Schrei meinerseits folgt darauf. Es ist nur ein leichter Schmerz, verglichen mit dem, den ich eine Minute zuvor noch erlebt habe. Es ist quasi gar nichts.
Die Dunkelheit umschließt meine Augen, als sie mir die Augenbinde umlegen. Ich spüre nur noch meine Schmerzen am ganzen Körper. Jede noch so kleine Stelle gut weh, ohne dass ich etwas tun kann. Ich bekomme kaum mit, wie ich nach oben gebracht werde.
Ich spüre, wie ich auf eine Arte Tisch gelegt werde, das Kopfende höher als das Fußende. Ich spüre die Fesseln, die an meinen Armen, Beinen, Füßen, Brust und am Kopf angebracht werden, ketten aus schwerem, kalten Metall, did eng um meinen Körper liegen. Sie nehmen mir alle Möglichkeiten, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
Die Augenbinde und das Klebeband nehmen sie mir nicht ab, sondern sie beginnen direkt mit der Folter. Eine Folter, die ich schon kenne, aber nicht von hier, sondern aus einer Arena. Die schlimmste Folter, die ich je verspürt bekommen habe. Angst und Panik steigt auf eine enorme Höhe, und dass in einer Rekordzeit. Eine Folter, die mir keinen körperlichen Schaden zufügen kann, sondern nur in meinem Inneren Schaden zufügt. Ich versuche, bei Verstand zu bleiben, nicht hinzuhören, es nicht wahrzunehmen, doch es wirkt nicht. Das ist nicht echt! Das ist alles falsch!, sage ich mir, doch die Folter hat den gewünschten Effekt.
Die Schreie meiner Liebsten klingen mir in den Ohren. Qualvolle Schreie, schrill und langezogen. Peeta. Prim. Gale. Mom. Rory. Vick. Madge. Posy. Mrs Hawthorne. Haymitch. Alle, die ich liebe. Grauenhafte Schmerzen, die mein Herz, meine Seele, meinen Geist, lahmlegen. Keine Fluchtmöglichkeit. Ihre Schreie gehen in meinen Körper und füllen ihn aus, bis in die Fingerspitzen.
Ich höre sie, kann nichts dagegen tun, das es mir wehtut, obwohl es nicht echt sein kann. Sie sind in Sicherheit!, versuche ich mir zu sagen. Doch nichts wirkt. Kein Geräusch übertrumpft die Schreie, keine Bilder lassen mich glauben, dass sie in Sicherheit sind, kein Gedanke beruhigt mich. Ihre Schmerzen sind meine ganze Realität. Ihre Schmerzen sind meine Schmerzen.

Pausiert gefangener SpotttölpelWhere stories live. Discover now