1.Kapitel

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How I ran into him and met a dead classmate at the toilet


Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, sich zum Handlesen anzustellen. Oder überhaupt zu dem Jahrmarkt zu gehen. Vielleicht wäre ich einfach zu Hause geblieben, im Nachhinein betrachtet wäre das wohl die klügste Entscheidung gewesen.

*

Die Luft war schwer parfümiert und schwebte uns schon entgegen, kaum hatten Rebecca und ich das purpurfarbene Zelt betreten. Es war nicht groß, dafür aber kreisrund und mit dicken Perserteppichen ausgelegt. Die Zeltstangen bogen sich unter dem Gewicht dutzender Traumfänger, Runensteinen, Amuletten und getrockneten Kräuterbündeln, denen allen ganz bestimmt irgendwelche magische Wirkungen zugeschrieben werden konnten.

(Abhilfe bei Fußpilz, Blähungen, Hühneraugen oder anderen Scheußlichkeiten - und natürlich wirkte das Zeug auch. Bestimmt sogar. Mit Magie. Oder so.)

"Was führt euch zu mir, junge Ladys?", erst jetzt fiel mir die Frau in der Mitte des Raumes auf, die an einem niedrigen Holztisch saß. Sie war so gekleidet, dass sie in Gewirr kaum auffiel. Sie trug ein weites violettes Gewandt, verziert mit unzähligen Schals und Perlenbändern, die bei jeder Bewegung klimperten. Auf ihrem Kopf trug sie ein weiteres Tuch, geknotet wie ein Turban und geschmückt mit weiteren Perlen, Glitzersteinchen und Federn.

"Ehm, wir würden uns gerne unsere... Zukunft vorhersagen lassen", Rebecca unterdrückte angestrengt einen Kicheranfall.

"Nun denn, setzt euch zu mir", mit einer faltigen Hand deutete Madame Antonella (Ja, das war definitiv des klischeehafteste Name aller Zeiten) auf zwei der Sitzkissen vor dem kleinem Holztisch.

Rebecca und ich wechselten einen skeptische Blick, setzten uns aber trotzdem auf die weichen Kissen. Ich hatte das Gefühl so tief einzusinken, dass ich vermutlich nie wieder aufstehen könnte.

"Wie sollen wir verfahren?", fragte die Wahrsagerin in salbungsvollem Tonfall.

Ich zuckte die Schultern. War ich hier die Kräuterhexe oder sie?

Rebecca übernahm das Gespräch: "Können sie aus Händen lesen?", fragte sie höflich und klang dabei ehrlich interessiert.

Vermutlich war das ihre größte Stärke. Rebecca schaffte es, dass Leute sich bei ihr wohl fühlten, oder sich wichtig vorkamen. Und was konnte ich...

Madame Antonella lachte rau und leise auf: "Aber natürlich. Wollen wir mit Ihnen beginnen?".

Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung. Und wenn Madame Antonella auch nur ein bisschen Ahnung von dem hatte was sie tat, dann fand sie mich unheimlich, oder spürte, dass an mir etwas nicht ganz so normal war wie an Rebecca.

Madame Antonella streckte ihren, mit klimpernden Armreifen besetzten, Arm vor und bat Rebecca ihr ihre Hand zu reichen.

Eingehend wurde die Hand meiner besten Freundin betrachtet, die sich nun doch auf die Lippe beißen musste, um nicht zu Lachen. Die Situation war so skurril.

Rebecca, die eigentlich an nichts Übernatürliches glauben würde, wäre sie nicht meine beste Freundin und diese Frau, die davon lebte Leuten Lügen und Halbwahrheiten über ihr Chi, ihre Herzlinie, Nachrichten aus der Geisterwelt und über ihre Chakren zu erzählen.

"Nun, junge Dame, oder darf ich Rebecca sagen?". Rebecca stutze, lächelte dann aber höflich und nickte.

Bravo, Madame Antonella konnte also lesen. Denn nicht etwa ihre "übernatürlichen" Kräfte hatten ihr Rebeccas Namen verraten, sondern das Armband in das ihr Name und ihr Geburtsdatum eingraviert waren.

Ghosts of EleoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt