,,Möchtest du nicht im Wohnzimmer essen?"

Verwundert sah ich ihn an und verzog das Gesicht. Schließlich zuckte ich mit den Schultern und ging ins Wohnzimmer.

Mein Vater war noch in der Küche und kam anschließend nach mit zwei Tellern in den Händen. Überraschenderweise durfte ich mich aufs Sofa setzten und dort essen. Wenn ich das bei meiner Mutter getan hätte, hätte sie mir den Kopf abgerissen. Als ich sah, was mein Vater uns gemacht hat, musste ich kurz auf lachen.

„Wow! Du hast uns Pizza gemacht!", lachte ich und biss hinein.

Mein Vater musste auch lachen und zu seiner Verteidigung sagte er:„Selbst gemachte Pizza."

Zu meiner Überraschung schmeckte die Pizza sogar echt gut. Als ich meine Pizza weiter aß, spürte ich von der Seite den Blick meines Vaters auf mir. Ruckartig drehte ich mich zur Seite und schaute meinem Vater ins Gesicht. Er sah mich immer noch an, aber diesmal etwas anders. Auf einmal wirkte er trauriger.

„Grace", fing er an, stellte sein Teller mit seiner Halb aufgegessenen Pizza auf den Wohnzimmertisch und sah mich wieder an.

Ich atmete tief ein und wieder aus und sah ich fragend an.

„Es tut mir leid", war das einzige was er von sich gab.

Fünf Minuten lang sagte keiner mehr was. Ich wusste außerdem nicht was ich nach seiner Aussage sagen sollte. Es waren wirklich ganze fünf Minuten, in der wir nicht miteinander sprachen. Weiterhin nagte ich an meiner Pizza und starrte ab und zu zu meinem Vater rüber, der nur still da saß und auf den Boden schaute.

Dann unterbrach mein Vater wieder die Stille und sprach zögernd weiter:„Ich weiß nicht, wie ich es wieder gut machen kann, weil alles schon zu spät ist, aber ich will nicht, dass du von mir denkst, dass ich ein Egoist bin und du mir völlig egal wärest. Das bist du nämlich nicht!"

Nun lag wirklich Trauer in seiner Stimme. Am ganzen Körper fing ich an zu zittern und in meinem Hals bildete sich ein Kloß. Mir kam es so vor, als würde mein Vater jeden Moment anfangen zu weinen. So viel Fertigkeit und Trauer steckte in seiner Stimme.

Was sollte ich tun? Auch wenn mein Vater für mich fünf Jahre lang nicht da war, welche nicht seine Schuld war, sondern die von meiner Mutter, hab ich ihn nicht richtig behandelt. Ich trug auch Schuld bei und mir fiel das erst jetzt auf. Aus irgendeinem Grund traute ich mir nicht die Wörter zu sagen, aber dann schaffte ich es doch noch.

„Mir tut's leid", murmelte ich und senkte mein Kopf, doch ich sah noch, wie mein Vater aufschaute und mich verwundert anschaute.

Es war zu spät. Ich konnte es mir nicht verkneifen. Bei mir war der Bach zusammen gebrochen und es floss nur so Tränen über meine Wangen. Ich hielt mir beide Hände vors Gesicht und heulte weiter. Im nächsten Moment spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern, die mich zu sich zogen. Ich versteckte mein Gesicht immer noch in meinen Händen und erwiderte die Umarmung meines Vaters. Ich vergrub mein Gesicht in ihn und schluchzte weiter. Mein Vater versuchte mich zu beruhigen. Erfolglos.

„Kannst du mir verzeihen?", hörte ich seine Stimme ganz nah an meinem Ohr.

Ohne ihn zu Antworten, nickte ich und musste nur noch mehr weinen. Fester umarmte ich meinen Vater. Mir war klar, dass ich ihn mehr vermisst habe, als ich zuerst dachte und zugeben wollte.

Langsam löste ich mich von ihm und wischte mir die Tränen mit meinem Oberteil weg. Als ich mich allmählich beruhigt hatte, sah ich zitternd zu meinem Vater, der mich teilweise immer noch in den Armen hielt, an.

„Ich hab dich vermisst, Dad", schniefte ich und musste noch weitere mal schlucken.

Mein Vater streichelte mir über den Kopf und gab mir anschließend ein Kuss darauf.

„Ich dich auch, Grace."

Zum ersten mal spürte ich wieder die Liebe, die mir meine Mom nie geben konnte, aber mein Dad schon.

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Am nächsten Tag in der Schule verbrachte ich wieder einmal die Pause mit Marc. Diesmal waren wir nicht in der Mensa, sondern auf dem Schulhof und saßen auf einer Mauer. Wir unterhielten uns, was wir gestern noch so gemacht haben und lachten zugleich.

Marc erzählte mir, dass er gestern noch draußen spazieren war und plötzlich ein Schuh auf seinem Kopf gelandet ist. Zu gerne hätte ich sein Gesicht in diesem Moment gesehen!

Dann fragte er mich, was ich nach der Schule noch so getan habe.

„Ich war gestern in der Innenstadt shoppen", erzählte ich ihm nur.

Den Teil mit Jake wollte ich weg lassen, aber Marc ließ es nicht auf sich Ruhen.

„Und noch was?"

„Ehm...", fing ich an und überlegte, was ich sagen sollte. „Ah! Ich habe mein Vater verziehen und wir versuchen ein besseres Verhältnis aufzubauen."

Marc fing an zu Lächeln und meinte:„Das freut mich."

Auf einmal hörte ich die Schulklingel und das hieß, dass die Pause zu Ende war. Leider musste ich mich von Marc verabschieden, weil ich ohne ihn Erdkunde hatte. Trotzdem begleitete er mich dorthin, weil ich selber nicht wusste, wo der Erdkunderaum war.

Ich sah wie Schüler den Raum betraten. Marc und ich blieben kurz stehen und umarmten uns, bevor ich dann los lief, um es noch pünktlich zu schaffen.

Als ich den Erdkunderaum betrat, waren alle Plätze vorne besetzt. Ich saß nicht gerne weiter hinten, weil ich mich gar nicht konzentrieren konnte und abgelenkt werde, aber ich musste weiter nach hinten. Die ersten drei Reihen waren alle schon belegt. Deshalb saß ich ganz weit hinten, was mir die Laune verdarb. Beim nächsten mal musste ich schneller sein, aber wieso saßen überhaupt alle vorne? Auf meiner alten Schule war es so, dass alle hinten sitzen wollten.

Ich setzte mich auf ein leeren Platz ganz weit hinten am Fenster und war gerade dabei mein Erdkundebuch heraus zu holen, als ich mitbekam, dass jemand vor mir stand und auf mich runter sah. Bevor ich hochschauen konnte, legte ich mein Buch auf den Tisch und schaute erst dann nach oben. Mit halb offenen Mund sah ich in zwei honigfarbenen Augen.

„Du sitzt auf meinem Platz", meinte Jake und lächelte mich verführerisch an.

Dark HeartWhere stories live. Discover now