Kapitel 2

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Am nächsten Tag wachte ich schon um neun Uhr auf. Ich fühlte mich total ausgeschlafen und so entspannt. Es war Sonntag und der Tag an dem ich zu meinem Vater ziehen würde. Ich richtete mich auf und verließ mein Zimmer, um nach unten in die Küche zu gehen und um etwas zu essen. Soeben hüpfte ich die Treppen hinunter, doch dann blieb ich stehen, als ich die Stimme meiner Mutter hörte, wie sie mit jemanden telefonierte. Ihre Stimmte empfang ich aus dem Wohnzimmer.

Ich hörte sie sagen:„Ich bringe sie gleich zum Bahnhof und von dort aus fährt sie zu dir. So gegen dreizehn Uhr kannst du damit rechnen, dass sie in Bristol angekommen ist. Verstanden?"

Ich wusste, dass sie mit meinem Vater am telefonieren war. Am Telefon klang meine Mutter ziemlich fertig und erschöpft. Natürlich nur geschauspielert!

Ich tat so, als hätte ich nichts gehört und lief noch die letzten Stufen hinunter. In der Küche öffnete ich den Kühlschrank und schaute nach, was ich essen konnte. Ich entschied mich dann einfach für einen Joghurt. Aus der Küchenschublade nahm ich mir ein Löffel heraus und lehnte mich gegen die Theke. Dann begann ich zu essen.

Im gleichen Moment kam meine Mutter in die Küche herein, die immer noch den Hörer an ihrem Ohr hielt. Sie verschwendete kein Blick an mich und schaute irgendwohin, aber nur nicht zu mir. Ich hatte weniger Lust mit ihr in einem Raum zu sein, weshalb ich mein Joghurt mit nach oben auf mein Zimmer nahm.

Als ich an den Flur vorbei ging, schulterte ich mir noch meine Tasche, die ich gestern Abend durchs Raum fliegen gelassen habe und ging erst dann hoch auf mein Zimmer. Ich schnappte mir ein Stuhl mit Rädern und setzte mich drauf. Damit drehte ich mich ein paar mal und wendete mich schließlich zum Fenster.

Die Sonne schien direkt in mein Zimmer und mein ganzes Gesicht erhellte. Ich wollte gar nicht sehen, wie ich aussah. Am Abend zuvor hatte ich immer noch Schminke drauf gehabt und entfernt hatte ich sie noch nicht. Nachdem ich mein Joghurt aufgegessen hatte, stellte ich ihn auf meinem Schreibtisch ab. Schließlich verließ ich mein Zimmer und verschwand für eine Weile ins Bad, um mich frisch zu machen.

Erstmal nahm ich eine Dusche. Der Duft von Pfirsich lag unter meiner Nase und ich atmete ihn sanft ein. Fürs Duschen benötigte ich nicht lange. Zehn Minuten waren es maximal.

Ich stieg aus der Dusche und wickelte mir ein Badetuch um dem Körper. Ich ging aufs Waschbecken zu und begann mir meine Zähne zu putzen und entfernte mir die Schminke aus dem Gesicht. Nachdem ich fertig war, verließ ich das Bad und latschte zurück auf mein Zimmer.

Am ganzen Körper fing ich an zu zittern. Paar Tröpfchen liefen mir den Rücken hinunter, was mir eine Gänsehaut bereitete. Aus meinem Koffer holte ich schnell ein Oberteil und eine Hose heraus, welche mir als erstes zwischen die Fingern kamen. Es war eine dunkelblaue Röhrenjeans und dadrüber ein lila Tanktop. Meine schwarzen Vans wollte ich dazu anziehen. Ich zog mich an und föhnte mir die Haare trocken. Ich entschied mich meine Haare zu einem Zopf zu binden. Falls es draußen kalt sein sollte, nahm ich auch noch meine Jeansjacke und stopfte sie mir erstmal in meine dunkelrote Tasche. Ebenfalls tat ich mein Portemonnaie rein. Meine Schlüssel brauchte ich wohl nicht mehr.

Als ich so gut wie fertig war, ging ich kurz nach unten zu meiner Mutter. Sie befand sich in der Küche und trank eine Tasse Kaffee.

„Bin fertig", sagte ich lustlos und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Schön. Dann schlepp' deine Tasche oder deinen Koffer rüber zum Auto", klang sie gereizt und ihre Stimme war ziemlich heiser.

Ihr Pech, wenn sie die ganze Nacht nur gegen die Tür geschrieen hat. Ich stieg die Treppen hoch, um mein Koffer zu holen. Ich verstaute ihn in den Kofferraum und setzte mich nach vorne auf den Beifahrersitz. Nun musste ich warten bis meine Mutter endlich kam. Sie sollte mal ihren Arsch ein wenig schneller hierher bewegen!

Auf der Autofahrt sprach ich kein Wort mit meiner Mutter und sie nicht mit mir. Das war ziemlich üblich bei uns. Wir redeten nie gemeinsam und falls wir mal miteinander sprachen, brach danach ein Streit aus. Am besten ließen wir es auch direkt sein! Mit ihr konnte man ja auch nicht reden!

Es dauert von meinem alten zu Hause bis zum Bahnhof gerade mal eine Viertelstunde. Als wir ankamen, stieg ich sofort aus und holte mein Koffer aus dem Kofferraum. Ich zog mir noch meine Tasche um und zog mein Koffer hinter mir her.

„Soll ich dir helfen?", fragte mich meine Mutter und wollte nach meinem Koffer greifen, aber ich schlug nur ihre Hand weg und zischte ein „Nein".

Warnend schaute ich in die Augen meiner Mutter und ich erkannte, dass sie geschockt von mir war.

Meine Mutter besorgte mir ein Ticket, womit ich dann mit dem Zug nach Bristol fahren konnte. Ich nahm es ihr ab und steckte es in meine Tasche. Wir gingen zu Gleis 5 und mein Zug kam genau rechtzeitig. Der Zug hielt vor uns an und der Wind, der durch die Geschwindigkeit des Zuges kam, wehte durch meine Haare. Die Türen vom Zug öffneten sich und als ich eintreten wollte, hielt mich jemand ganz fest am Handgelenk. Ruckartig drehte ich mich um und schaute meine Mutter an.

„Was ist?", sagte ich grob und riss meine Hand von ihrer weg.

„Möchtest du dich nicht von mir verabschieden?", fragte sie und hob eine Augenbraue. Da konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen und lachte drauf los. Verwirrt sah mich meine Mutter an und ich blieb dann wieder ernst.

„Auf nimmer Wiedersehen!"

Ich versetzte mir ein breites Lächeln ins Gesicht und grinste meine Mutter an. Dagegen schaute sie völlig verstört aus und meinte:„Du wirst zurück kommen wollen."

Meine Augen verdunkelten sich und ich konnte mal wieder drüber lachen. Meine Mutter war einfach lächerlich. Ich blickte nach unten und schüttelte lächelnd den Kopf.

„Gott steh' dir bei", sagte ich zu der eigentlichen Psychopathin und legte verständnisvoll eine Hand auf ihre Schulter. Zuletzt stieg ich ein und die Türen schlossen sich. Vom Fenster aus sah ich meine Mutter weiterhin an, die mir zum Abschied missbillig zuwinkte, doch ich schaute einfach weg und rollte mit den Augen.

Ich war so froh darüber! Jetzt war ich meine Mutter endgültig los. Noch ein Monat bei meinem Vater und danach konnte ich mein Leben leben.

Dark HeartWhere stories live. Discover now