Kapitel 10: Beziehungen

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Kasha'aar saß neben Shadow und sie schrieben. Wann immer diese beiden aufeinandertrafen, war es ganz anders, als bei Estella und Silke. Oder wie bei Kasha und Ru. Shadow machte alles so...verschleimt. So schlangenhaft, verzwirbelt eben. Seine ganze Art Silkes Körper zu bewegen war aalglatt und geschmeidig, mit der höchsten Kunst. Seine Welt bestand aus Angst, Hass, Verdammnis. Er malte viel in Bildern der Folter und der Vereinsamungen im Kerker. Aber er schien nicht wirklich darüber nachzudenken, als er da einfach so vor Kasha rappte. Er zerlegte Hunde in kleine Teile, denn nach einer Weile waren auch die Kleinen bereit zur Reife, und kamen auf die Werkbank.

»Verdammt!«

Er war aus dem Takt gekommen. Zum ixten Mal. Kasha und Shadow hatten dieses neue Interesse an der Rapmusik eigentlich nur begonnen, weil sie beide die Musik mochten, und selbst einfach sowas machen wollten. Aber Kasha konnte irgendwie nicht so recht ermessen, ob Shadow da nicht vielleicht noch einen anderen Antrieb dazu haben könnte. Bei Shadow lief es nicht so gut. Er hatte begonnen Pillen einzunehmen. Verschriebene, natürlich. Medizinisch, alles total legitim. Manchmal schob er sich gelangweilt einfach drei oder vier der ovalförmigen, weißen Dinger in den Mundwinkel, und wurde dann irgendwie noch verschleimter. Er war so schleimig, dass seine Raps besser wurden. Er müsste wohl so mehr Eins sein mit seinem wahren Ich oder so'n Scheiß, war Kashas Meinung dazu. Jetzt packte er die alten Knacker in den Truck weil keiner derer, dieser, jener seinen Atem st-st-st-stoppen konnten, auch nicht die Mi-Mi-Mi-Mikrosonden der Alienbomben! Ober lächerlich! Aber es war echt nice. Es machte Kasha Spaß. Also entschloss er sich eines Tages Shadow mit Ru bekannt zu machen. Das war ein großer Schritt für Kasha'aar. Er hatte noch nie ein Nicht-Stammesmitglied einem Stammesmitglied vorgestellt, zur Erprobung einer möglichen Aufnahme. Ru war durch die Jahre gekommen auf ihrem eigenen Weg. Was auch immer da unter ihnen wohl abging in ihrem Innern, aber Ru hatte es offenbar überstanden, mit nicht mehr und nicht weniger Narben, als es es Kasha und Shadow selbst hatten. Rus Lächeln war etwas ins Wanken gekommen, ihr Körper trug nun überall Piercings, und ihre größte Faszination galt den Tätowierungen, die sie sich eines Tages würde machen lassen. Sie war zwar immer noch sportlich, hatte aber zum Schwimmen gewechselt. Sie war oft nur noch mit den Femininen aus ihrem Schwimmverein unterwegs, und Kasha sah sie viel seltener als früher. Aber sie waren alt Befreundete und die alten Regeln galten.

»Hey Kasha, wer's'n der Typ?« rotzte sie ihm vor die Füße.

»Das is' Shadow. Er rappt«, meinte Kasha nur.

»Er rappt?« zog Ru eine Augenbraue hoch, was Shadow offensichtlich störte.

»Nich' viel. Mal so, mal so«, meinte Shadow.

Er hatte sich hinter Kasha an ein Geländer gelehnt, beide Hände in den tiefen Taschen seiner ausgebeulten Schlaghose. Ru rief nach diesem Treffen Kasha wieder öfter an und wollte sich plötzlich wieder treffen. Sie trafen sich also immer mal wieder zu dritt, und erarbeiteten eine eigene Dynamik. Kasha und Shadow rappten, und Ru beobachtete.

»Was hat die denn davon? Die will doch nie selbst rappen! Ich raff' das nicht«, grübelte Kasha eines Abends.

»Du, die ist verknallt«, erwähnte Estella, wie nebenbei.

»Verknallt? Was echt? In dem Alter?«

»Ääääähhhmmmmm!!!« schallte es augenblicklich von Estella. Sie hatte im Innenraum binnen kürzester Zeit einen ganzen Haufen blinkender Pfeilkonstrukte erschaffen, die alle auf sie selbst zeigten. Mitten im Gedankengang, und damit auch mitten in ihrem Aufbau, hatte Kasha'aar aber dann schon verstanden, was sie sagen wollte.

»Ja, keine Ahnung«, meinte er, »das Zeug interessiert mich irgendwie einfach nicht. Ich kann mir Ru so gar nicht...vorstellen. Das ist irgendwie...falsch einfach«, überlegte er weiter.

Plurale Welt - Ebene 01/03: GeburtWhere stories live. Discover now