Kapitel 4: Höhle

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Der Einzige, der jetzt von den inneren Drein Starbounds noch keine tiefere Verbundenheit zum Außen besaß, war Kasha'aar. Auch dies sollte sich jedoch bald schon ändern. An einem warmen Sommernachmittag lief er an einem eingezäunten Spielplatz vorbei, auf dem einige Kinder Fußball spielten. Star wohnten in einem der ärmeren Viertel des Bezirks. Dies machte sich aber nicht daran bemerkbar, wie die Häuser ausgestattet waren, sondern hauptsächlich an den anderen Bewohnenden. Es waren alles Plurale, die irgendwo »falsch abgebogen« waren. Zumindest war das die Sicht der Regierung. Der gesellschaftliche Haufen bildete sich so zum Beispiel aus spirituellen Kollektiven, die nur ein minimales Interesse am Außen verspürten; oder aus Polyfragmentierten, deren Kultur sogar eine eigene plurale Sprache entwickelt hatte. So fiel es ihnen viel leichter mit Ihresgleichen zu kommunizieren, als mit den sonstigen Wesen im Außen. Kasha'aar lief also, auf der unbewussten Suche nach eigenen Stammesmitgliedern, durch diese Gegend und sah den Kindern beim Fußballspielen zu.

»He! Wir brauchen noch Einen! Magste mitspiel'n?« rief eines von ihnen.

Kasha schlich aus dem Dunst und auf den kahlen, staubigen Betonplatz hinaus. Es war ein mit weißen Linien abgesteckter, kleiner Bereich, der inmitten der Schluchten unheimlich hoher Hochhäuser lag. Umzäunt mit etlichen, stählernen Rohren. Eine Art Höhle. Die Dächer thronten über ihnen und man konnte immer mal wieder eine Feminine weit oben »Eduardo! Eduardo!« rufen hören, wer auch immer das war. Es tropfte von den zwischen den Fassaden aufgehängten Kühlungsmaschinen und ein elektrisches Buzzen lag konstant in der Luft um sie herum.

»Wir brauchen 'nen Torwart! Lass einfach nur keine Bälle rein, ja?!« rief einer der Körper zu Kasha. Dieser nickte kurz angebunden und traute sich langsam in die begrenzenden Innenlinien hinein, die auf dem Boden mit weißer Kreide eingerahmt worden waren. Das Tor war ein aus recyceltem Billigplastik hergestelltes Gerüst, das grell in den Farben Blau und Rot eingefärbt worden war. Zur digitalen Anzeige der Tore blinkte am oberen Rand ein Bewegungsmelder, der immer wieder zur nächsten digitalen Zahl umschwang, wenn ein Ball erfolgreich hindurch geflogen war.

»Okay«, zischte Kasha'aar, als er sich sein rotes Käppi dichter an die Stirn zurrte.

Er würde sich voll auf seine Instinkte verlassen können, das sollte ein Kinderspiel werden. Doch, Moment...

»Was ist das?«

Etwas war seltsam an den Bewegungen der anderen Mitspielenden. Sie waren irgendwie...unnatürlich schwer vorhersehbar. Ihre Gliedmaßen bewegten sich nicht wie bei anderen Menschen im Takt, nicht im harmonischen Rhythmus zueinander. Wenn die Spielenden der feindlichen Mannschaft Finten schlugen, war es so, als ob die eine Körperhälfte eine total andere Agenda verfolgen würde, als die andere.

»Hä?« machte es noch aus Kasha'aars Mund, als der erste Ball an ihm vorbei ins Tor hineinschmetterte.

»Tja! Spielst du etwa alleine?« befragte ihn der feminine Körper, der ihm gerade das Tor verpasst hatte, »wir spielen mit Hundertzwanzig!« lachten sie und rannten in Richtung ihrer Spielfeldhälfte.

»...soll ich es mal...?«

»NEIN!« hatte Kasha'aar gerade Spectre darin unterbunden, ihm seine Dienste zu stellen, »das regel' ich alleine«, sprach Kasha, und baute sich erneut vor dem Tor auf.

Das Zischen der Kühlanlagen umfloss seine Ohren, die Anspannung hielt ihn in Atem, die Hektik ließ sein Herz pochen. Das Gegrummel der verschiedenen Leute, die weit über ihnen thronten, klang wie engagierter Jubel.

»Jetzt...erst...recht!«

Kasha hechtete nach links oben. Er hatte den Ball zwar nicht gefangen, aber immerhin mit der Faust abgewehrt. Er schnaufte, doch merkte es nicht. Immer wieder musste er sich anspannen, immer wieder konnte er sich entspannen. Plötzlich lag jemand auf dem Feld und konnte nicht mehr. Oh, das war ja er! Er versuchte die Geräte des Körpers zu bedienen, doch dieser Zustand verlieh den inneren Hebeln das wuchtige Gefühl davon eine mächtige Dampflock wieder in Gang bringen zu müssen. Die anderen Körper auf dem Spielfeld hatten sich um ihn herum versammelt, und die Torschützen von vorhin halfen ihm nun auf die Beine.

Plurale Welt - Ebene 01/03: GeburtWhere stories live. Discover now