Kapitel 8: Herausforderungen

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In der Schule hatten sich die geforderten Fächer explosionsartig vermehrt. Spectre selbst viel es schwer einen Überblick zu behalten. Polys bekamen ein für sich abgesondertes Unterrichtsfach, das ihnen ihre Sprache und Kultur besser näherbringen sollte. Durch einen politischen Beschluss wurde dieses Fach jedoch noch während Stars Schulzeit gekippt. Es musste nun einen freiwilligen Zugang zu diesem Fach von außen geben, um einer Diskriminierung der Polys entgegenzuwirken. Kasha war der einzige Nichtpoly, der sich dazu entschloss dieses Fach zu belegen. Doch der Unterricht war neuartig, und es mangelte der Schule dementsprechend auch an Fachkräften. Die ganze Schule teilte sich dieselbe eine Lehrkraft, und wenn diese krank war, dann entfiel eben der Unterricht. Und der Unterricht entfiel oft. Kasha zog dann immer um die Schule mit anderen Polys von seinem Stamm um Ball zu spielen, oder einfach nur um Rumzuhängen und miteinander zu quatschen. Man wusste bereits, dass man als »die vom Polyunterricht« bezeichnet wurde. Die mit den Affenlauten, die keiner verstand. Die mit den asozialen Eltern, die nicht bereit waren sich den Regeln der pluralen Regierung zu beugen. Die ihr eigenes Gesetz schrieben. Dementsprechend niedrig war bald Kashas Akzeptanz dem Gesetz gegenüber. Immerhin verteufelte es alle anderen Mitglieder seines Stammes. Warum sollte es ihm dienen?

Der Unterricht war wieder mal ausgefallen und er saß mit Sky, Echo und Doppler auf dem Spielfeld rum, während sie abwechselnd versuchten die meisten Bälle in die meisten Körbe zu werfen. Culture hatte eben einen Ball versenkt, als er auf die Truppe zukam und vorschlug:

»Ey, Leute! Kommt wir gehen nicht mehr zurück heute. Ich muss euch was zeigen!«

Stars Körper war mittlerweile Vierzehn, ein wichtiges, für die plurale Gesellschaft politisch bedeutsames Alter. Die Schwelle von Vierzehn zu Fünfzehn bedeutete, dass einen das Gesetz nun würde auch einsperren können. Culture war der Anführer der Schultruppe. Er war nicht so weit vernetzt und anerkannt wie es Darky waren, zumindest nicht was Kasha anbelangte. Kasha kannte den Status von Culture nicht in dessen eigener Anwohnschaft, also war er ihm auch nicht so leicht auf den Fersen.

»Ey, was? Wieso? Einer in meinem Kopf will zu Geschichte«, konterte Kasha. Culture kam näher und packte Kasha im Nacken.

»Ey, na und? Was bringt ihm das? Bringt ihm das irgendwas? Das eine Mal wird er ja wohl nachholen können, oder versteht er dann die nächste Stunde nicht mehr?«

Spectre fühlte sich davon tatsächlich provoziert und Kasha empfing mehr Erlaubnis- und Verständnissignale von ihm, als zuvor.

»Es wird gut, Leute. Ich hab was rausgefunden«, wandte sich Culture an seine Zuhörenden und marschierte los. Die Anderen mobilisierten sich und nahmen die Reise auf. Das Ziel war ein Mediengeschäft gewesen, so wie Kasha es noch aus seiner Kindheit kannte. Sie schritten durch die transparenten Eingangstore und wurden begrüßt vom künstlichen Geruch der gewachsten Böden und Regale. Überall lagen die neusten Videospiele, die neuste Musik, die neusten technischen Geräte, und alles in bunten Farben, beworben in Neonlicht.

»Ey, ich zeig euch das jetzt mal«, deklarierte Culture mitten in einer der Medieninseln und zog sein Schulpad heraus.

Ein schwarzer Hintergrund leuchtete darauf, mit mehreren Totenkopfsymbolen und einer blinkenden, roten Schrift. Am größten war die Schrift, die am oberen Rand stand: »Excavation« stand dort in Großbuchstaben. Kasha wusste Bescheid. Excavationprogramme waren berüchtigt dafür haargenau konzipiert zu sein für den Zweck das Zahlungssystem eines solchen Geschäftes wie dem, in dem sie sich befanden, umgehen zu können. Das Programm sandte eine elektronische Frequenz aus, die man genau beim Durchschreiten der Sicherheitsschranken hinter den Kassen einschalten musste, damit man nicht einen einzigen PW abgezogen bekam. Es waren hoch illegale Programme, deren Verbreitung und dessen Besitz unter gesetzlicher Strafe standen. Alle sahen nun gespannt auf Cultures Padbildschirm.

Plurale Welt - Ebene 01/03: GeburtWhere stories live. Discover now