Kapitel 3: Lehre

1 0 0
                                    

So vergingen die friedlichen Tage Zuhause, und der erste Schultag rückte näher und näher. Star waren verunsichert. Wie sollten sie handeln? Wie sollten sie die anderen Kollektive behandeln? Es schien so viele Richtlinien und Regeln zu geben, wie sie sie nur unmöglich einhalten konnten. Auch wenn Spectres Bezirk natürlich schon ein ganzes Areal »Schule« getauft hatte, und alle nötigen Vorkehrungsmaßnahmen eingeleitet waren. Spectre trieb es auch am meisten in die Schule. Das war nur logisch, schließlich gab es dort das Kostbarste was er kannte: Wissen. Alle Hoffnungen der Drei gipfelten an diesem ersten Schultag. Die Hoffnung eigene, neue Befreundete zu finden, die sie jeweils nicht mit den Anderen würden teilen müssen. Die Hoffnung mehr über die Welt und ihren eigenen Platz darin zu verstehen. Die Hoffnung eines Tages wie Mama und Papa sein zu können. Natürlich ging alles schief. Estella wurde aus dem Femininenklo verwiesen. Nett, natürlich. Freundlich, höflichst. Von einer sehr einfühlsamen Lehrkraft. Doch der Moment, in dem Estella aus diesem Club verbannt wurde, brannte sich trotzdem mit aller Macht in ihr Gedächtnis ein, als einer der schlimmsten Momente ihres Lebens. Der Moment, an dem sie nicht dazugehörte. Sie war nicht wie die anderen Femininen. Sie war weniger wert. Es dauerte einen ganzen Monat an Aufbausprüchen, Motivationstrainings durch Papa, Mama, Spectre und Kasha'aar, sowie eine Ruinenexpedition zum roten Dornenfels, bis Estella sich von diesem Schlag erholen sollte. Spectres erster Schultag lief nicht besser.

»Ja, Kosmos?« »Ja, bitte, Foxtrot?« »Schleswig?« »Colors?« »Emotional?«

Spectre hatte weder bedacht, dass er mit seinem Wissensdurst nicht alleine sein würde in so einer Schulklasse, noch, dass er damit so selten an die Reihe kommen würde. Er hätte sich auch unter keinen Umständen, in keinen seiner schlimmsten Albträume, oder sonst auch nur irgendwie, die Fragen, die die Anderen haben würden, vorstellen können.

»Lehrkraft Photon! Wieso seid ihr so hübsch?«

»Seid ihr verheiratet?«

»Aber manchmal ist es doch in Ordnung zu weinen, oder?«

So. Viele. So. Unglaublich. So. Unfassbar. Ineffiziente. Unsinnige. Fragen. Es. War. Die. Reinste. Hölle.

Wenn Spectre dann dran war, gab er es ihnen zurück. Natürlich hätte er das niemals zugegeben. Auch nicht vor Estella oder Kasha, aber die beiden wussten es sowieso.

»Kann man mit Multiplikation eigentlich auch Kreise berechnen? Nicht? Wie berechnet man denn dann Kreise und Formen? Ich möchte es aber unbedingt wissen. Das ist wirklich wichtig, Lehrkraft Photon.«

Bald hatte Spectre einen gewissen Ruf in der Klasse erreicht. Direkt am ersten Tag hatte er es geschafft die zweite Pause um stolze zehn Minuten nach hinten zu verschieben. Deswegen stand er jetzt auch vor dem dicken Neutron Kollektiv und seinem wohl sehr wütenden, eigenen, inneren Neandertaler.

»Pause gut!« brüllte er Spectre an. Dieser verstand natürlich gar nichts.

»Ja, Pause gut«, versuchte Spectre, ohne jegliches Können, einen Kommunikationsversuch durchzuführen. Normalerweise vermittelte Estella, falls es zu Kommunikationsproblemen zwischen Spectre und dem Rest der Welt kam, die war allerdings noch in ihrem Ich-bin-keine-echte-Feminine-Schlamassel, und traute sich keinen einzigen Schritt ins Draußen. Also musste Kasha ran. Dieser sah schon, was kam, schubste Spectre raus und wollte gerade- BAMM! Kasha'aar hatte eine volle Breitseite vom Neutron Kollektiv kassiert. Rot! Rot war zurück! Nicht mehr Kasha'aar! Nicht mehr Sprache! Nicht mehr Höhle! Nur noch Rot! Und als Rot fertig war damit rot zu sein, hatten Star einen Zettel in der Hand, den sie ihren Eltern würden übergeben müssen. Kasha'aar drehte sich zu Spectre, mit einem riesigen Fragezeichen auf seinem Gesicht.

»Bist du jetzt wieder da, ja?« fragte dieser.

Spectre stand da, mit überkreuzten Beinen und Armen. Das doppelte Symbol für Kasha'aar, dass er irgendwas falsch gemacht haben musste.

Plurale Welt - Ebene 01/03: GeburtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt